#Barca

Gut wäre ein Sieg über Barca?

von , 23.4.13

Sicherlich nichts über die Unterhaltungsindustrie namens Profi-Fußball. Sie ist ein Geschäftsmodell, wie jede andere Dienstleistungsbranche. Sie findet nur mehr Zuspruch als vergleichbare Aktivitäten, etwa der Profi-Radsport. So wird sich heute niemand über den Wechsel eines 20#jährigen jungen Mannes von Dortmund nach München für 37 Millionen Euro wundern. Mario Götze bekommt dafür ein zu versteuerndes Grundgehalt von 7 Mio. Euro im Jahr. Interessant ist der Fall Hoeneß, weil man an diesem Beispiel sehen kann, wie PR-Strategien die Berichterstattung kontaminieren.

Schon am Samstag war das zu erkennen, unter anderem wegen der via Abendzeitung lancierten Summe von mehreren hundert Millionen Euro, die Hoeneß angeblich auf Schweizer Bankkonten geparkt habe. Das Verlautbarungsorgan des FC Bayern München namens Focus begnügte sich letztlich mit der Verkündigung der Einlassungen des Uli Hoeneß zu diesem Thema. Als dann via Bild und Süddeutsche Zeitung der Reichtum des Uli Hoeneß auf Normalmaß geschrumpft war, setzte zugleich jene Medienkritik ein, die schon nach 2 Tagen eine Hetzjagd auf den Präsidenten des FC Bayern München diagnostizierte. Oder von unklaren Tatbeständen fabulierte.

Dabei war die Steuerhinterziehung eingestanden, genauso wie die Herkunft des Geldes. Nämlich der Privatkredit des Robert-Louis Dreyfus an Hoeneß um das Jahr 2000. Das war übrigens die einzige Information, die die Süddeutsche Zeitung aus öffentlich nicht zugänglichen Quellen mitteilte. Es war mit relativ wenig Aufwand verbunden, zu den gleichen Schlussfolgerungen zu kommen, wie in der Süddeutschen von heute.

Was dort sonst zu lesen war, ist die Sichtweise des Uli Hoeneß auf seinen eigenen Fall. Oder wie ist es zu erklären, dass heute auf der Seite 3 unter dem Titel “Drama, Baby” von den 50 Millionen Euro Steuern zu lesen ist, die Hoeneß in den vergangenen 20 Jahren an den Fiskus abgeführt habe? Was fehlte, ist das daraus abzuleitende Einkommen. Bei einem angenommenen Spitzensteuersatz  von 50% auf das zu versteuernde Einkommen muss es in diesem Zeitraum mindestens 100 Millionen Euro betragen haben. Der Text läse sich völlig anders, wenn man diese Zahl wenigstens erwähnt hätte. Das wurde glatt vergessen. Das Mitleid mit dem Jagdopfer Hoeneß hielte sich dann in Grenzen.

In dem Stil geht es weiter. Etwa, was die seltsame Praxis des Privatkredits betrifft: “Mauscheleien mit dem damaligen Adidas-Chef Louis Dreyfus? Keine Belege.” Stattdessen ein Psychogramm über Hoeneß und seine Moralvorstellungen. Wie er ein Doppelleben als Zocker geführt habe. Immerhin, das ist sicher, hat sich Hoeneß die 20 Mio. DM nicht in Fünf-Mark-Münzen auszahlen lassen, um das Geld an Daddelautomaten zu verspielen, bekanntlich die Sucht der unteren Stände.

Anschließend wird Marcel Reif zitiert, der zwar keine Talk-Show zum Thema besuchen will, aber mit seinen gefühlsbeladenen Einlassungen über den “wie einen Hund leidenden” Hoeneß in die schlechteste Sendung von Sandra Maischberger oder Markus Lanz passen könnte. “Viele von uns”, so Reif, “haben irgendwann einmal begriffen, dass Uli Hoeneß nicht nur ein kapitalistischer Gewaltmensch ist. Sondern eben ein Mensch mit einem sehr großen Herz. Viele von uns müssen nun begreifen, dass ein solcher Mensch auch Fehler macht.” Wahrscheinlich ist das der neue gefühlvolle Investigativjournalismus. Wen interessiert, was Reif über Hoeneß sagt? Welchen Erkenntnisgewinn bringt das?

Tatsächlich erfährt man nichts über den Hintergrund dieses Darlehens. Oder stellt die Frage, wie es Hoeneß nach dem Platzen der New-Economy-Blase geschafft haben will, auf einen kreditierten Einsatz von 10 Mio. Euro 100 Prozent Rendite zu erzielen. Denn laut Süddeutsche hat Hoeneß den Kredit nach spätestens 2 Jahren wieder zurückgezahlt. Ein Anlagegenie. Goldman-Sachs muss vor Neid erblassen, wenn sie nicht gerade mit Insiderinformationen handeln. Selbst solche simplen Fragen stellt niemand. Dafür beklagt man lieber die “hysterische Debatte” über und die Jagd auf Hoeneß. Und Reif darf rührselige Kommentare verfassen.

Mittlerweile hat Hoeneß über Bild einen “schweren Fehler” eingeräumt. Zugleich hat der BVB bekannt gegeben, dass Mario Götze dem Verein vor wenigen Tagen seinen Wechsel nach München mitgeteilt habe. Hoeneß hatte seine Anwesenheit im Stadion beim Champions League Halbfinale schon vorgestern angekündigt. Was für eine seltene Koinzidenz der Ereignisse. In Anlehnung an den Alten Fritz könnte man von dem “Wunder des Hauses Hoeneß” reden.

Natürlich wird der Wechsel unter Fußballfans in München wie eine Bombe einschlagen. Sie sind die Referenzgruppe des Präsidenten von Bayern München. Ihm kann die Politik gleichgültig sein. Sie werden ihm den “schweren Fehler” verzeihen. Mit diesem Deal und einem möglichen Sieg über Barcelona werden sie ihrem Idol alles vergeben. Schließlich ist er ja ein guter Mensch, wenn auch nicht ohne Fehl und Tadel. Wie stand es heute am Schluss von “Drama, Baby” in der Süddeutschen auf Seite 3?
 

“Die Moral ist das eine. Alles andere lässt sich kurz und knapp gerade so zusammenfassen: Gut wäre ein Sieg über Barca.”

 
Über den Transfer von Götze hatte sie Hoeneß wohl nicht informiert. So ein Pech. Dort war Springers Bild exklusiver. Investigativ war es aber auch nicht.

 
Crosspost von Wiesaussieht

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