von Eric Bonse, 28.5.15
Das Europaparlament hat sich für einen Schutz ausländischer Investoren im geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) ausgesprochen. Allerdings soll dieser Schutz anders ausfallen als in den bisher üblichen privaten Schiedsgerichten (ISDS). Dies geht aus einer vorentscheidenden Abstimmung des Handelsausschusses hervor. Sie bereitet die endgültige Festlegung im Plenum des EU-Parlaments vor, die Anfang Juni geplant ist.
28 Abgeordnete stimmten dafür, dass Investorenschutz generell in TTIP verankert werden soll, 13 waren dagegen. Die Bewertungen dieses knappen Votums, das den Linien der informellen großen Koalition in Straßburg folgt. ,fielen sehr unterschiedlich aus. Die SPD und ihr Berichterstatter Bernd Lange sprachen von einer Absage an ISDS Erfolg. „Diese Resolution ist der Anfang vom Ende der intransparenten Schiedsstellen“, so Lange.
Demgegenüber kritisierten die Grünen die Entscheidung, da sie eben keine klare Absage an ISDS enthalte. Es gehe nur um „kosmetische Reformen“, kritisierte die handelspolitische Sprecherin Ska Keller. Die Liberalen sprachen demgegenüber von einem Erfolg von Handelskommissarin Cecilia Malmström, die das bisherige ISDS-System modifizieren, aber nicht abschaffen will. „Dies wird die Verhandlungsposition der EU-Kommission gegenüber den USA stärken“, sagte die liberale Abgeordnete Marietje Schaake.
Die USA haben allerdings bereits klar gemacht, dass sie an dem bisherigen ISDS-System festhalten will, das amerikanischen Konzernen Klagen vor privaten Schiedsgerichten erlaubt. Die Amerikaner waren bisher auch nicht zu Zugeständnissen in anderen wichtigen Fragen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge oder der Öffnung öffentlicher Beschaffungsmärkte bereit. Lange sieht darin sogar einen möglichen Stolperstein für das Abkommen.
Überschattet wurde die Abstimmung von Berichten, denen zufolge die USA erfolgreich versucht haben, von der EU geplante Beschränkungen für gefährliche Chemikalien aufzuweichen. Dabei geht es um die so genannten endokrinen Disruptoren. Sie stecken in Plastik, Kosmetika und Pestiziden – als Weichmacher, Dioxine, PCB oder Bisphenol A. Dessen Verwendung hat die EU 2011 eingeschränkt, denn selbst kleinste Mengen können dauerhafte Schäden verursachen, wenn etwa Embryos damit in Kontakt kommen.
Wie nun bekannt wurde, warnten europäische und amerikanische, eine zu strenge Regulierung könne die laufenden Verhandlungen über TTIP gefährden. Mit Erfolg: Die EU-Kommission hat zunächst geplante Verbote zurückgestellt und eine Folgenabschätzung in Auftrag gegeben. Für viele TTIP-kritische Europaabgeordnete ist dies ein Zeichen, dass das Freihandelsabkommen sehr wohl dazu beiträgt, Umwelt- und Gesundheitsstandards in Europa zu senken. Die EU-Kommission hat dies stets bestritten.
Für Wirbel sorgt auch die Abhöraffäre, in die die deutschen und die amerikanischen Geheimdienste BND und NSA verstrickt sind. Wie jetzt in Brüssel bekannt wurde, hat der BND im Auftrag des NSA nicht nur die EU-Kommission, Frankreich und Österreich abgehört, sondern auch alle anderen EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens. 71 Transitleitungen seien dort 2005 überwacht worden, 46 in Frankreich, 25 in Schweden, 15 in Belgien, heißt es in einer Liste, die die Grünen vorlegten.
Dabei gehe es vor allem um Wirtschaftsspionage, mutmasst die niederländische Grünen-Abgeordnete Judith Sargentini. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass die EU-Kommission mit den USA über Freihandel diskutiert, während zugleich europäische Unternehmen ausspioniert werden. Die Grünen wollen daher ihren Widerstand gegen TTIP verstärken. Bei der Abstimmung im Handelsausschuss konnten sie sich jedoch nicht durchsetzen. Die Verhandlungen können daher wie geplant weitergehen. Daran dürfte auch das entscheidende Votum des Parlaments Anfang Juni nichts ändern.
Zwischen Europa und den USA wird seit Juli 2013 das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP verhandelt. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt, das Spiel der Interessen ist schwer zu durchschauen. Das mit Mitteln der Rudolf Augstein Stiftung realisierte Carta-Dossier möchte mit einer Reihe von Beiträgen mehr Licht ins Dunkel bringen – mit aktuellen Berichten, Interviews und Videos. Aus Brüssel berichtet Eric Bonse.
Möchten Sie regelmäßig über neue Texte und Debatten auf Carta informiert werden? Folgen (und unterstützen) Sie uns auf Facebook und Twitter.