#Buy-Out-Verträge

Eine unheilige Allianz: Idealisten und Neoliberale bedrohen das Urheberrecht

von , 14.4.09


Für viele Gutmeinende ist das Urheberrecht ein Auslaufmodell des 19. und 20. Jahrhunderts: Es bremst den Zuwachs an Wissen. Ideenbesitz (von dessen Rendite die Urheber leben) gilt im universalen Internet als antiquiert. Gedanken sollen nicht nur frei, sondern gratis sein. Also lautet die revolutionäre Losung: Enteignet das geistige Eigentum – lasst alle Menschen am Wissen der Menschheit teilhaben.

Das ist ein sympathischer Gedanke – der im Netz viele Befürworter findet. Doch leider tastet der sympathische Gedanke das „ungeistige Eigentum“ nicht an. Und so richtet er sich häufig gegen die Falschen. Denn die Forderung nach freiem, kostenlosem Zugang für alle schwächt hierzulande vor allem die Urheber (die Künstler, die Autoren) – nicht deren Verwerter (z.B. die Verlage). Um das zu begreifen, braucht man sich nur einen der heute üblichen Buy-Out-Verträge anzusehen, die zwischen Urhebern und Verwertern geschlossen diktiert werden.

Es geht hier, das muss ausdrücklich betont werden, nicht um den freien Zugang zur Wissenschaft, Stichwort: Open Access. Dass Wissenschaftler, die mit Steuermitteln bezahlt werden, ihr Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, halte ich für selbstverständlich.

Es geht hier um jene Berufe, die von ihren Ideen leben (und das sind vor allem die Freiberufler).

Für die ist es zunehmend ärgerlich, dass die Idealisten der Open-Content-Bewegung (Lawrence Lessig* et.al.) in ihrem Kampf gegen das Copyright** zu wenig zwischen den Interessen der Rechteverwerter (der Verlage) und den Interessen der Urheber (der Autoren) unterscheiden.

In den Augen vieler Urheber bilden die Idealisten – ohne es vielleicht zu wollen – eine unheilige Allianz mit den Ausplünderern der geistigen Berufe. Zusammen (aber aus unterschiedlichen Motiven) rütteln sie am Urheberrecht, ohne etwas Neues, Praktikables an dessen Stelle setzen zu können. Vielfach betrachten die ehrbaren Idealisten die Urheber so zynisch wie dies sonst nur die Neoliberalen tun. Die Idealisten sagen: Ihr Urheber, ihr könnt doch auch von Luft und Liebe leben, von der Gunst des Publikums bzw. von den Brotkrumen (respektive Spenden), die euch nette, mitleidige Menschen zuwerfen. Und die Neoliberalen sagen: Ihr Urheber seid unsere Sklaven. Da wir euch besitzen, gehören uns selbstverständlich auch eure Urheberrechte.

Mit etwas bösem Willen könnte man sogar eine geistige Verwandtschaft zwischen ehrbaren Idealisten und Neoliberalen konstatieren.*** Denn beide erklären den Ausverkauf von Texten, Filmen, Fotos und Musik im Internet zum Inbegriff (bzw. zum Kollateralschaden) des medialen Strukturwandels. Basta! Und wenn die Urheber – von Existenzängsten gebeutelt**** – neue Spiel- und Vergütungsregeln einfordern, kriegen sie von den ehrbaren Idealisten und den Neoliberalen gemeinsam eins übergebraten.

Dieses Spiel sollten wir nicht länger fortsetzen. Es führt bloß zu immer größerer Gereiztheit. Die Urheber haben das Gefühl, in die Ecke gedrängt und aller Rechte beraubt zu werden. Und die Idealisten halten das Festhalten am Urheberrecht für eine spießige Besitzstandswahrung.

Wie könnte man diesem Dilemma entkommen? Was wäre die Alternative? Die ehrbaren Idealisten sollten sich endlich direkt mit den Urhebern zusammensetzen und nach gemeinsamen Lösungen suchen. Nach Lösungen, die gleichermaßen die Interessen der Nutzer wie die Interessen der Urheber berücksichtigen.

*Um den dogmatischen Verfechtern der „freien Kultur“ die Illusion zu nehmen, hier würde ein Robin Hood bar jeglichen Interesses für die Sache der kleinen Internet-User kämpfen, hier ein bezeichnender Ausschnitt aus einem Interview mit Lawrence Lessig: „Wir sind in diesem Kampf (gegen das Copyright) ja nicht alleine – wir haben zum Beispiel weite Teile der Technikindustrie auf unserer Seite. Die will schließlich Hard- und Software verkaufen, und die verkauft sich natürlich besser, wenn Leute mehr Möglichkeiten haben, Inhalte (kostenlos) zu nehmen, zu verändern und über Breitband-Verbindungen zu verschicken.“

**Viele von denen, die hierzulande die Open-Content-Ideale vertreten, berücksichtigen nicht, dass das amerikanische Copyright (gegen das sich die Open-Content-Bewegung richtet) etwas anderes ist als das kontinentaleuropäische Urheberrecht. Das US-Copyright schützt in erster Linie Verlegerinteressen, das kontinentaleuropäische Urheberrecht schützt in erster Linie die Autoren.

***“Neoliberalismus“, schreibt der Erfurter Medientheoretiker Michael Giesecke, „lässt sich im Denken wie in der Ökonomie als temporäre Gegenbewegung gegen Dirigismus und erstarrte Strukturen, als Katalysator zur Aufweichung von überkommenen Rangordnungen rechtfertigen. Eine dauerhafte Perspektive für komplexe Systeme bietet er nicht.“ (Die Entdeckung der kommunikativen Welt, Suhrkamp TB Wissenschaft, S.502)

****Die Existenzängste der Urheber – in Zahlen ausgedrückt – finden sich im Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“, und zwar im Kapitel „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstler“ (Seite 229ff.).

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