#LeaveNoOneBehind

Ein weiterer Appell hilft den Geflüchteten nicht

In der EU soll kein Platz sein, den Menschen bis zur Prüfung ihres Schutzgesuches eine angemessene Unterkunft zu bieten? Sollte diese in vielerlei Hinsicht erfolgreiche und moderne Union eine zügige Asylprüfung und vor allem einen menschlichen Umgang mit Notleidenden nicht hinbekommen?

von , 10.9.20

Die 13.000 Geflüchteten aus dem abgebrannten Elendslager Moria brauchen keine Lippenbekenntnisse sondern schnelle, wirksame Hilfe. Und Europa braucht eine humane europäische Lösung, meint der Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe.

Die Menschen, die die Brände im Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos überlebt haben, brauchen sicherlich nicht noch einen Text der von Schande handelt, von Solidarität, von europäischen Lösungen oder humanitären Zeichen. 

Es ist alles viel einfacher: die Menschen brauchen Obdach, Nahrung, medizinische Versorgung und sie müssen vor einer Ausbreitung von COVID-19 geschützt werden. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat seine Mitarbeiter*innen sofort nach dem Brand vor Ort eingesetzt und den griechischen Behörden Hilfe angeboten: Denn mehr als 12.000 Asylsuchende, darunter mehr als 4.000 Kinder, schwangere Frauen, ältere Menschen und andere, besonders verwundbare und gefährdete Gruppen brauchen genau diese Hilfe. Genau jetzt.

Die UNO-Flüchtlingshilfe, nationaler Partner des UNHCR, hat dafür heute 250.000 Euro Soforthilfe bereitgestellt. Möglich gemacht durch Spenden vieler engagierter Menschen in Deutschland, die ihre Betroffenheit und Solidarität nicht nur mit Kommentaren und Likes in den Sozialen Medien oder mit der Lektüre kämpferischer Texte zu den Verhältnissen auf Lesbos und anderen griechischen Inseln dokumentieren. Sondern die eben mehr wollen, nämlich ganz konkret helfen.

Das macht Mut – und diese Botschaft kommt dann vielleicht doch bei den Menschen vor Ort an, die sich zu Recht von Europa und der Welt im Stich gelassen fühlen.

Nach der nun dringlichen Nothilfe darf das zynische Spiel mit dem Schicksal von Geflüchteten jedoch auf keinen Fall weitergehen: In der Europäischen Union leben knapp 450 Millionen Menschen, denen es im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gut geht. Und da soll kein Platz sein, den Menschen bis zur Prüfung ihres Schutzgesuches eine angemessene Unterkunft zu bieten? Sollte diese in vielerlei Hinsicht erfolgreiche und moderne Union eine zügige Asylprüfung und vor allem einen menschlichen Umgang mit Notleidenden nicht hinbekommen? In Anlehnung an einen Ausspruch von Kanzlerin Merkel ließe sich formulieren: Scheitert die europäische Asylpolitik, scheitert Europa. Zumindest, wenn es an seinen offiziellen Standards und Werten gemessen werden will.

Griechenland liegt nur zufällig an der Außengrenze der Europäischen Union und wird seit langer Zeit mit der epochalen Aufgabe allein gelassen. Immerhin: Deutschland, Frankreich, Norwegen und andere senden Signale der Bereitschaft, Menschen aus Moria aufzunehmen. Letztlich aber muss Europa ein gemeinsames Asylsystem entwickeln und etablieren. Anderenfalls wird es immer wieder Dramen wie jetzt auf der Insel Lesbos geben. 

Unterstützungsmöglichkeiten unter: www.uno-fluechtlingshilfe.de

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