#Kulturflatrate

Ein “Geschäftsmodell” ist kein Dogma. Plädoyer für eine offene Debatte über den Netzjournalismus

von , 3.2.09


„Alpha-Blogger“ wittern Unheil: Sie verlassen das sinkende Piratenschiff in Richtung etablierte Tanker. Und wenn man leise nach dem Warum fragt, sagen sie mit einem undefinierbaren Lächeln, sie würden die Tanker jetzt „entern“.

Nein (Scherz beiseite), es gibt immer noch kein überzeugendes „Geschäftsmodell“ für das professionelle Schreiben im Netz. Es gibt nur ein paar Ideen, Experimente und fromme Wünsche. Eine politisch ernst zu nehmende Debatte gibt es (mit ganz wenigen Ausnahmen) nicht.

Sieben Modelle sind derzeit im Angebot:

1. Das bislang überzeugendste Modell praktiziert die „Washington Post“: Das Blatt subventioniert seinen Online-Journalismus mit dem Geld, das es durch Bildungsangebote an anderer Stelle verdient. Diese heroische Quersubventionierung hebt sogar das Image: Schön, wer sich die Liebe zum Journalismus (noch) leisten kann.

2. Eine private Stiftung – errichtet von einem Journalismus-affinen Mäzen oder von wohlhabenden engagierten Bürgern – finanziert ein Journalisten-Team, das im Netz und anderswo nach Herzenslust publizieren kann. Die Modelle „ProPublica“ und Spot.us funktionieren so. Und im Prinzip müsste das auch sparsamen Verlegern gefallen, da sie die Inhalte gratis geliefert bekommen. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, dass in Deutschland genügend Gönner existieren – insbesondere solche, die sich langfristig engagieren und aus den laufenden Geschäften heraushalten.

3. Manche glauben noch immer an das altbewährte Modell: Finanzierung des Web-Journalismus durch Werbung. Drei Hindernisse stehen dem entgegen: Werbung im Netz ist zu billig (Hubert Burda: “Mit Online-Werbung lassen sich höchstens ein paar lausige Pennys verdienen”), die Suchmaschinen-Betreiber futtern den größten Teil des Werbekuchens weg und Ad-Blocker killen den Rest.

4. Das Staatsbeihilfen-Modell. Solche Zuschüsse werden von oben „gewährt“ – in Form direkter Subvention wie bei der französischen Agentur AFP, die zu 40 Prozent vom französischen Staat alimentiert wird. Auch eine „Nationale Initiative Online-Medien“ oder eine „Initiative Kreativwirtschaft im Netz“ kämen in Frage. Sie werden meist von Wirtschafts- und Kulturstaatsministern koordiniert. Auch Franklin Delano Roosevelts Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von 1935, das Federal Writers’ Project, könnte ein Vorbild sein. Allerdings erwarten die Geldgeber meist eine gewisse Dankbarkeit, was schwächere Geister zu Opportunismus und Propaganda verführen kann.

5. Begreift man Journalismus als Teil der Grundversorgung in einer Demokratie – und hält man diese Grundversorgung für gefährdet -, könnte man auch eine Journalismus-Abgabe in Erwägung ziehen (ähnlich der Wassergebühr oder der Grundsteuer mit ihren unterschiedlichen Hebesätzen). Selbst ein Internet-Cent auf den Strompreis (vergleichbar dem Aufschlag für Erneuerbare Energien) wäre denkbar. Jeff Jarvis schlug unlängst auch vor, Konzerne wie Google in diesem Sinn zu besteuern. Doch beim Thema Staatseingriff & Steuern sträuben sich alle noch verbliebenen Nackenhaare der Journalisten.

6. Eine Alternative wäre ein nicht-staatliches Gebührenmodell (wie ich es im Dezember bei Carta vorgeschlagen habe). Erhoben würde die Gebühr von den Breitbandanbietern. Verteilt würden die Einnahmen aufgrund der Nutzungsdaten. Die Auswertung läge bei den bestehenden Verwertungsgesellschaften (Stichwort: Zählpixel der VG Wort). Dieses Verfahren würde natürlich eine erhebliche Aufwertung und Reform der heutigen Verwertungsgesellschaften verlangen. Christiane Schulzki-Haddouti von KoopTech hat dazu gute Vorschläge gemacht. Doch die Verleger sträuben sich, weil dieses Modell in erster Linie den Kreativen zugute kommt.

Als so genannte Kulturflatrate soll es dennoch erprobt werden: Gegen einen Aufschlag auf die Monatsgebühr für den Breitbandanschluss dürfen die 80.000 Bewohner der Isle of Man nach Herzenslust Musik aus dem Netz herunterladen.
“Der Aufpreis muss nicht mehr als einen Euro oder vielleicht auch nur 50 Cent betragen”, sagt Ron Berry, E-Business-Experte des dortigen Finanzministeriums. Das Flatrate-Modell könnte auch auf den Netz-Journalismus übertragen werden. Problematisch ist allerdings nicht nur die Speicherung der Nutzungsdaten, sondern auch der mögliche Klick-Betrug.

7. Zuguterletzt das Abonnement-Modell. Nachdem „Paid Content“ Ende 2007 schon aus dem Rennen schien, kommt es durch die Hintertür wieder hereinspaziert. Allerdings wird heute in den Verlagen nicht mehr über das (umständliche) Bezahlen einzelner Artikel nachgedacht, sondern über Pauschal-Abos für ganze Anbieter-Gruppen oder konzernweite Angebote. Auch Angebote, die auf verschiedene Levels abzielen (Basis-Info, Premium, Premium-Extra) sind in der Diskussion. Hinter den Kulissen basteln einige Verlage bereits hastig an solchen Modellen. Man könnte den Abo-Abruf über Zugangspasswörter und spezielle Lesegeräte (E-Book, Smartphone, iTunes for News) ermöglichen. Die Frage ist nur, wie die Hacker-Community darauf reagiert.

Ideen zur Finanzierung des Internet-Journalismus sind also vorhanden. Sie müssten nur weiter konkretisiert und vorurteilslos diskutiert werden. Doch leider krankt die Debatte an ideologischen Denkblockaden: Die Verfechter der marktwirtschaftlichen Modelle denunzieren jeden öffentlich-rechtlichen Gedanken als staats-sozialistischen Schwachsinn und wollen die Diskussion im Keim ersticken. Die Verfechter der gemeinwohl-orientierten Modelle sehen in Paid Content gleich den Einstieg in die mediale Klassengesellschaft, in der sich nur noch die Besserverdienenden Hintergrundinformationen leisten können. Und die Unwirschen dazwischen halten sowieso alles für unpraktikabel.

Es wird Zeit, dass die Beteiligten ihre Schützengräben verlassen und der Gesetzgeber begreift, dass das Internet kein Nebenkriegsschauplatz mehr ist.

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