#Bundestagswahl

Die große Koalition hat funktioniert – und wie!

von , 7.7.09

Was wäre gewesen, wenn… Das ist ein beliebtes Spiel, es ändert zwar nichts, hilft aber gelegentlich, die Dinge im rechten Licht zu sehen. Und in diesem Fall ist es mehr als ein Spiel, es ist bitterer Ernst.

Was wäre passiert, wenn die große Koalition nicht die Zahlung des Kurzarbeitergeldes verlängert und nicht die Abwrackprämie eingeführt hätte? Dann hätten wir wahrscheinlich heute schon 4,5 Millionen Arbeitslose, Opel wäre längst insolvent, jeder Rettungsversuch wäre vergeblich gewesen, und hunderte weiterer Unternehmen wären pleite gegangen.

Dann ist doch alles gut, werden manche sagen. Die große Koolition hat hunderttausenden von Arbeitnehmern die Arbeitslosigkeit erspart und Millionen die Angst davor genommen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn das böse Ende kommt noch: wenn die Abwrackprämie ausgelaufen ist, bricht der Automarkt endgültig zusammen. Und der Zusammenbruch wird noch brutaler, weil es nächstes Jahr zumindest für Kleinwagen überhaupt keinen Markt mehr gibt.

Und die meisten anderen Firmen ächzen heute schon, sie könnten die Arbeitnehmer nicht länger in Kurzarbeit beschäftigen, wenn keine neuen Aufträge mehr hereinkommen. Im Frühjahr droht die Arbeitslosigkeit wieder die Fünf-Millionen-Marke zu überschreiten, hunderte, tausende von Firmenpleiten sind schon programmiert. Es wird keine Brücke zum nächsten Aufschwung geben, sondern nur eine längere Anfahrt bis zum Absturz.

Der Wirtschaftseinbruch, die reale Ankunft der Krise bei den Bürgern, wurde nur vertagt. Den Arbeitnehmern, sprich Wählern, wurde eine Sicherheit vorgegaukelt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Der bitteren Folgen des Konjunktureinbruchs wurden nur um ein halbes Jahr verschoben. Und genau dieses halbe Jahr reicht, um die große Koalition über die Bundestagswahl zu bringen. Das hat Tradition: schon immer wurden Arbeitslosenstatistiken vor Wahlen geschönt.

Was hat die große Koalition nicht alles getan, um die Bürger mit Wahlgeschenken gnädig zu stimmen: die unverantwortlich tiefe Absenkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung Anfang 2009, damit Millionen Menschen die erhöhten Krankenkassenbeiträge auf der Gehaltsabrechnung nicht merken; das unverantwortliche Aussetzen des Riester-Faktors, damit es für die Rentner 2009 eine spürbare Erhöhung der Renten gibt; die unverantwortliche gesetzliche Rentengarantie, damit auch ja keine Zukunftsangst aufkommt. Teure Geschenke. Auch dafür müssen alle nach der Wahl die Zeche bezahlen – in Form höherer Beiträge oder höherer Steuern oder Kürzung der Sozialleistungen oder alles zusammen.

Da sage noch einer, die große Koalition funktioniere nicht. Und das Zusammenspiel mit den Großkonzernen auch. Es würde mich nicht wundern, wenn auch sie Entlassungen bewusst bis nach der Bundestagswahl verzögern – als stille Wahlhelfer für Angela Merkel. Denn von der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und von der Abwrackprämie profitieren nicht die Erfinder Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier von der SPD, sondern die Kanzlerin und die CDU.

P.S. Damit kein Missverständnis aufkommt: ich wünsche jedem Arbeitnehmer den Erhalt seines Arbeitsplatzes, das ändert aber nichts an den Realitäten – und auch nichts an denen eines Wahlkampfes.

Michael Spreng bloggt unter Sprengsatz, wo auch dieser Beitrag erschien.

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