von Till Wäscher, 4.6.14
Der Umsatz der 50 größten Medienkonzerne der Welt hat sich in den letzten zwanzig Jahren von umgerechnet 155 auf nun 473 Mrd. Euro mehr als verdreifacht. Auffällig ist dabei die wachsende Kluft zwischen einigen wenigen Mega-Konzernen und dem Rest. 60 Prozent des gesamten Umsatzes werden von den Top Ten erwirtschaftet, allein ein Fünftel entfällt auf die Marktführer Comcast und Google.
Das vergangene Geschäftsjahr hat es eindrucksvoll gezeigt: Konzerne, die nicht durch Zukäufe wachsen, die Distributionskanäle kontrollieren oder massiv in die Entwicklung neuer hochwertiger Inhalte investieren, werden von Comcast, Google und Co. weiter abgehängt werden.
2014/15 wird für die Branche zum Jahr der Mega-Merger werden. Sollte die Obama-Administration grünes Licht geben (worauf momentan alles hindeutet), dann wird es allein in den USA drei Übernahmen geben, die die Oligopolisierung des Medienmarktes weiter vorantreiben werden: Comcast will Time Warner Cable schlucken; der Telco-Gigant AT&T will Satelliten-Pay-TV-Anbieter DirecTV kaufen, und Sprint will mit der Übernahme von T-Mobile USA nachziehen.
Comcast/TWC würde mit einem kombinierten Umsatz von 65 bis 70 Mrd. Euro seine internationale Spitzenposition weiter ausbauen (sollte es nicht von Google überholt werden, das in den kommenden Jahren plant, allein in Europa rund 30 Milliarden Euro in Zukäufe zu investieren). Comcast, 1995 noch mit einem Umsatz von umgerechnet rund 2,5 Mrd. Euro auf Platz 23 des Rankings, hat vorgemacht, wie man mit einer Kombination von Zukäufen und aggressivem Lobbying zur Nummer eins aufsteigt. Seit der Übernahme von NBC Universal ist Comcast ein Hybrid aus Internet Service Provider und klassischem Medienkonzern, der sowohl die Vertriebswege als auch einen Großteil der Inhalte kontrolliert.
Netflix, eines der wenigen Unternehmen, das in den vergangenen Jahren in die Phalanx der klassischen Medienkonzerne eindringen konnte (mit einem Umsatz von 3,3 Mrd. Euro landete Netflix im aktuellen Ranking auf Platz 40) kann ein Lied davon singen: Das Unternehmen sieht sich für die kommenden Jahre gezwungen, jährlich eine unbekannte Summe an Comcast zu zahlen, damit der Videodienst eine bevorzugte Übertragung innerhalb des Comcast-Netzes bekommt – für Millionen von Amerikanern der einzige Internet Service Provider in ihrer Region. Der Comcast-Netflix-Deal stellt für Kritiker einen gefährlichen Präzedenzfall dar und gibt einen Vorgeschmack auf die Konsequenzen der geplanten Aufweichung des Netzneutralitätsprinzips durch die mit ehemaligen Vertretern der Telco-Industrie unterwanderte US-Regulierungsbehörde FCC.
Gäbe es in den USA ein schnelles, flächendeckendes Glasfaser-Netz, wie es bereits in einigen asiatischen Ländern existiert, hätte Netflix diese Probleme nicht. Doch die enorme Größe der wenigen Telcos und der nicht existente Wettbewerb untereinander verhindern wichtige Investitionen in die Netz-Infrastruktur. Der Grund, warum Kunden dennoch monatlich Gebühren für überteuerte Kabel-, Pay-TV- und Breitbandpakete zahlen, sind exklusive Inhalte.
Analysten reagierten auf den Plan von AT&T, DirecTV zu übernehmen zunächst mit Kopfschütteln, da sie das Geschäftsmodell von Satelliten-Pay-TV für überholt halten. Verbraucherschützer meinen hingegen, den wahren Grund für die Übernahme herausgefunden zu haben: AT&T wolle die exklusiven Sportübertragungsrechte und Unterhaltungskanäle von DirecTV (NFL-Football, MLB Baseball) dazu benutzen, die Kunden zu zwingen, einen kostspieliges Pay-TV-Breitband-Bundle abzuschließen.
Wie die Medienreform-NGO FreePress vorgerechnet hat, könnten mit den 67 Mrd. Dollar, die die Übernahme von DirecTV kostet, mehr als 70 Millionen US-Haushalte mit extrem schnellen gigabit fiber-Anschlüssen versorgen.
Doch die Wichtigkeit von exklusiven Inhalten gilt nicht nur für die im Ranking vertretenen Medien/Telekommunikationskonzerne (DirecTV, Cox, Liberty, Dish, Rogers, Charter, Cablevision, Shaw und Quebecor). Auch für Onlineunternehmen ist hochwertiger Video-Content zum elementaren Bestandteil der Geschäftsstrategie geworden.
Angesichts der Dominanz von Google im Such- und Anzeigensektor sucht der ehemalige Konkurrent Yahoo (Platz 38 im Ranking) in der Herstellung von Webserien den Ausweg aus seiner seit Jahren andauernden Identitätskrise. Was Netflix mit “House of Cards” vorgemacht hat, versuchen außerdem auch Microsoft (mit Exklusiv-Serien für die Spielekonsole Xbox) und Amazon (als Anreiz, ein Prime-Konto abzuschließen).
Mittlerweile auf Bildungs- und Fachinformationen spezialisierte Medienkonzerne wie Thomson Reuters(Platz 14) oder Reed Elsevier(Platz 18) hingegen setzen auf ganz andere Exklusiv-Inhalte und zeigen im Gegensatz zu den Zeitungsverlagen, dass Bezahlmauern doch funktionieren können. So konnten diese Konzerne auch 2014 wieder Milliardenumsätze mit wissenschaftlichen Zeitschriften-Abos verdienen und öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse zu horrenden Preisen an Universitäten und Krankenhäuser zurückverkaufen.
Deutsche Medienkonzerne drohen derweil, den Anschluss zu verlieren. Bertelsmann, 1995 noch die Nummer zwei im Ranking, rangiert mittlerweile auf Platz 9; Axel Springer ist im Zuge von Umsatzrückgängen auf Platz 45 abgerutscht, und ProSiebenSat.1 ist in diesem Jahr ganz aus den Top 50 verschwunden. Discovery Communications hingegen, mit einer Umsatzrendite von 36 Prozent das profitabelste im Ranking vertretene Unternehmen, hat durch Zukäufe und Neugründungen (Eurosport, SBS Nordic, TLC, All3Media) in Deutschland und Europa weiter zugelegt.
- Übersicht: Ranking – Die 50 größten Medienkonzerne 2014
Till Wäscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) und leitet die Medienkonzerndatenbank www.mediadb.eu