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Die fragwürdige neue Partnerschaft von Google und Journalismus

von , 28.6.10

Über Jahre hinweg ist über den US-Journalismus eine Hiobsbotschaft nach der anderen hereingeprasselt, Tausende Journalisten wurden arbeitslos, viele Redaktionen sind nur noch ein Torso ihrer selbst. Doch jetzt hat der amerikanische Starjournalist James Fallows ausgerechnet Google zum Retter des Journalismus erkoren. Unter Medienexperten, die sich um die Zukunft des Journalismus sorgen, wurde sein Beitrag aus der Monatszeitschrift The Atlantic regelrecht „gehypt“ – wohl vor allem, weil er gegen den Strich bürstet.

Das Unternehmen, das sich über lange Zeit hinweg standhaft weigerte, irgendetwas mit der Produktion von Inhalten zu tun haben zu wollen, lerne umzudenken. Es habe erkannt, dass Suchmaschinen nutzlos werden, wenn sie statt wertvollem Journalismus nur Trash im Angebot haben. Google habe deshalb eine Vielzahl von Initiativen in der Pipeline, um das künftige Wohlergehen des Journalismus zu sichern. Welche das sind, da bleibt Fallows eher vage – wäre ja auch noch schöner, wenn der Suchmaschinen-Krake seine Geschäftsideen an einen Journalisten ausplauderte.

Dafür ist aber die Lagebeschreibung von Fallows und seinen hochrangigen Gesprächspartnern bei Google bestechend präzise:

Die Zeitungen hätten niemals mit harten Nachrichten Geld verdient. „Ernsthafte Berichterstattung, sagen wir, aus Afghanistan, hat sich niemals ausgezahlt.“ Gerechnet hätten sich die Auto-, Immobilien-, Heim-und-Garten-, Reise- oder Technik-Beilagen, in denen die Anzeigenkunden ihre Werbung direkt an ihren Zielgruppen ausrichten konnten. Das Geschäftsmodell der Zeitung sei es gewesen, Informationen zu bündeln: Alle Teile einer Zeitung seien zusammengepackt gewesen – Nachrichten, Sport, Comics, Coupons für die Supermärkte, und wer immer wegen eines Teils das Blatt gekauft habe, habe die anderen Teilangebote mitfinanziert.

Google sei dagegen der mächtigste Agent geworden, der diese Informationspakete entbündelt habe: Jeder Nutzer kann den Artikel finden, den er sucht, ohne dass er das ganze Papierpaket kaufen muss, das auch die Reporter mitfinanziert habe. Auch die Werbetreibenden erreichten jetzt „den einen Kunden, der nach ihrem Produkt sucht“, ohne weiterhin eine riesige Gruppe Leser mit bewerben zu müssen, die im Grunde nur als Streuverluste zu Buche schlugen.

Was bei all der Euphorie über den Perspektivenwechsel, dass in den Chefetagen von Google inzwischen ernsthaft über die Zukunft des Journalismus nachgedacht wird, die meisten offenbar überlesen haben, steht sozusagen im Beipackzettel zu Fallows Essay. Der Autor lässt uns wissen, dass er seit Jahren eng mit dem obersten Google-Chef Eric Schmidt befreundet ist. Das hat Fallows Zugang zum Unternehmen eröffnet, wie ihn kaum ein anderer Journalist haben dürfte. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass es dem Beitrag an kritischer Distanz mangeln könnte. Weshalb man die ganze Fallows-Geschichte vielleicht am besten auch selbst ein bisschen gegen den Strich lesen sollte. Jedenfalls keimt der Verdacht auf, dass sich der Starjournalist von den Google-Spin-Doctors hat vereinnahmen lassen – und das auch noch „just in time“, also zu einem Zeitpunkt, als der mehrfach in Bedrängnis geratene Konzern Bundesgenossen in der Journaille dringender denn je braucht.

Immerhin, mit zwei Kernaussagen dürften Fallows Gesprächspartner recht behalten: „Die meisten Google-Leute haben null Interesse an einer abstrakten Diskussion über Paywalls. Es ist so offensichtlich, dass unterschiedliche Publikationen unter unterschiedlichen Umständen und mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen auch unterschiedlich entscheiden werden, ob und wie Kunden bezahlen sollen.” Und weiter: „Die drei wichtigsten Dinge, die jedwede Zeitung jetzt tun kann, sind: experimentieren, experimentieren, experimentieren.“

Dieser Text wurde zuerst in der Zeitschrift “Schweizer Journalist“, Ausgabe 06-07/2010 veröffentlicht.

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