#Bundestagswahl

Der verzweifelte Kampf der SPD gegen die K-Fallen

von , 29.6.09

Exakt drei Monate vor der Bundestagswahl warten die Genossen weiterhin erfolglos auf den Wechsel in der Wechselstimmung. Schlimmer noch: Die Ausgangslage für die SPD hat sich sogar noch verschlechtert: Zu den bisher schon existierenden vier K-Katastrophen – Klima, Kandidat, Kompetenz, Konjunktur – hat sich noch eine fünfte hinzugesellt, möglicherweise die Wahl entscheidende: der Krisenkurs!

Urplötzlich sind die Deutschen konvertiert: Aus einem Volk der Füllhornforderer ist das der Ordnungspolitiker geworden! In der Woche der Verabschiedung des größten Haushaltsdefizits aller Zeiten halten nur noch 25 Prozent der Wähler Neuverschuldungen für richtig, trotz anhaltender Wirtschaftskrise. Selbst unter den SPD-Wählern sind sie mit 39 Prozent in der Minderheit. Noch vor einem halben Jahr war Schuldenmachen für die Ankurbelung der Wirtschaft in Deutschland mehrheitsfähig!

Bislang waren es vier K-Fallstricke, die gegen die Sozialdemokraten sprachen:

  • Das politische Klima ist unverändert günstig für die Union. Nur für sieben Prozent ist die SPD im Stimmungshoch. Die deutliche Mehrheit glaubt, dass die Union weiterhin den Kanzler stellt. Der Bandwaggon-Effekt spricht also für CDU/CSU.
  • In der Kanzlerfrage kann Merkel ihren Vorsprung gegenüber Steinmeier sogar noch vergrößern. Derzeit führt sie gegenüber dem Herausforderer mit 60:29 Prozent.
  • In fast allen wichtigen Kompetenzbereichen liegt die Union deutlich vor der SPD.
  • Und schlechte Konjunkturdaten machen konservative Parteien umso wählbarer, je näher vor Wahlen die eigene Zukunft anstelle allgemeiner Unzufriedenheit gewählt wird.

Nun auch noch der Krisenkurs! Urplötzlich halten die Deutschen die geordnete Insolvenz für besser als staatliche Schutzschilder, Kredite oder Bürgschaften für die Privatwirtschaft. Ökonomische Kompetenz arbeitsplatzerhaltender als Sozialkompetenz, Wirtschaftsminister zu Guttenberg für den erfolgreicheren Retter für Arbeitsplätze als Arbeitsminister Scholz.

Urplötzlich steht nicht mehr das Wünschenswerte sondern das Realisierbare im Focus der politischen Einstellungen. Die Wirtschafts- dominiert die Verteilungskompetenz!

Vier Gründe haben bei den Deutschen zu diesem Meinungswandel geführt:

  • Das Gespenst von Verschuldungsfalle und der Inflation beunruhigt inzwischen 80 Prozent der Deutschen, in noch stärkerem Maße die Jüngeren.
  • Die Deutschen spüren das Milliardenrisiko „rettender Staat“. 70 Prozent empfinden Staatshilfen für die Privatwirtschaft als reine Geldverschwendung, so glauben z.B. gerade mal 13 Prozent, dass Opel durch die Hilfe des Staates nun längerfristig gerettet ist.
  • Zwei Drittel empfinden die Unterstützung schlecht aufgestellter Unternehmen als einseitig und ungerecht gegenüber den gut arbeitenden.
  • Und noch nicht einmal jeder Zehnte glaubt, dass der Staat auch seinem Unternehmen helfen wird, sollte es einmal in Schwierigkeiten kommen.

Drei Monate vor der Wahl muss die SPD ihre Wahlstrategie völlig neu justieren: Die Dominanz linker Positionen sowie Münteferings „Retten um jeden Preis“- Rhetorik finden nicht mehr das Wohlwollen der Wähler, sondern werden – schlimmer noch – als unaufrichtige Wahlkampfstrategie geoutet. Das erklärt auch, dass Müntefering in diesem Wahlkampf längst nicht mehr eine derart dominante Rolle wie noch 2005 spielen kann. Zumal die SPD ihr Verhältnis zur Linken immer noch nicht geklärt hat: Weiterhin sind es 40 Prozent, die den Genossen zutrauen, im Zweifelsfall auch eine Koalition mit der Linken einzugehen. Eine Gefahr, die sich nach den Landtagswahlen in Thüringen und Saarland eher noch verstärken wird.

Allerdings verringert sich diese Gefahr tagtäglich: Nicht nur, weil die SPD nach der Europawahlschlappe in der Sonntagsfrage mit 24 Prozent wieder auf Tiefstwert zurückgefallen ist, sondern sich gleichzeitig auch die Linke auf rasanter Talfahrt befindet: Statt 15 Prozent, wie noch vor einem halben Jahr, würden sie heute gerade mal neun Prozent wählen. 68 Prozent der Deutschen erwarten inzwischen schwarzgelb nach dem 27. September auf den Regierungsbänken.

Wahlentscheidender aber könnte sein, dass auch 61 Prozent der SPD-Anhänger nicht mehr mit einer roten Regierung rechnen. Denn Aufholjagd geht nur, wenn die Genossen noch eine Chance auf den Sieg wittern. Doch nur noch 30 Prozent rechnen – wenigstens noch mit einem achtbaren Ergebnis.

Die Self-Fulfilling Prophecy, also der Glaube, es doch noch zu schaffen, war die Dominante der Schröder-Wahlkämpfe. Vor allem das unterscheidet die Schröder- von der Steinmeier-SPD.

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