von Andreas Grieß, 31.5.13
Und wieder versucht jemand, via Crowdfunding ein journalistisches Produkt auf die Beine zu stellen. Vor noch nicht so langer Zeit war ich begeistert von derlei Vorhaben. Als die taz ihre Berlinfolgen so teilfinanzierte, zum Beispiel, auch wenn ich damals zu Unrecht glaubte, der Versuch würde scheitern. Ich freute mich auch sehr, als Krautreporter startete und unterstütze dort das Lobbyplag-Projekt. Aber irgendwie nimmt das Crowdfunding, so mein Eindruck, etwas überhand.
Zwar sind weiter sehr interessante Projekte wie zum Beispiel st_ry zu finden, doch es nervt mich zunehmend, angebettelt zu werden, die Werbetrommel zu rühren und mehr oder weniger gespannt zuzuschauen, ob das nötige Geld zusammenkommt.
Umso mehr bin ich mit dieser Situation unzufrieden, wenn ich gleichzeitig höre, wie Verlage trotz satter Renditen ihre Ausgaben kürzen und Stellen streichen. Muss man denn alles selber planen – und auch noch finanzieren?
Vor diesem Hintergrund wäre das Projekt „SHIFT“ vermutlich auf meinem Radar aufgetaucht und recht schnell wieder verschwunden, wenn es nicht das eines Bekannten wäre, der mit mir zusammen seinen Studienabschluss gemacht hat, und mit dem ich in der Vergangenheit in anderen Projekten zusammengearbeitet habe. Der Bekannte heißt Daniel Höly, und ich bin überzeugt davon, dass er ein gutes Projekt stemmen wird, sollte er das Geld zusammen bekommen.
Konkret plant er ein Printmagazin, „das ganz bewusst auf relevante und herausfordernde Themen setzt – und nicht nur möglichst unterhaltsam sein möchte“.
Gerichtet an netzaffine junge Erwachsene will er den Lesern „auf Augenhöhe“ begegnen. „Deshalb sollen die Leser schon bei der Entstehung des Magazins mit einbezogen werden. So haben sie die Möglichkeit, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die zwar nicht einfach, aber unumgänglich sind“, meint Daniel.
Martin Weigert sieht Daniels Vorhaben durchaus kritisch: “Persönlich kann ich nicht nachvollziehen, wieso sich immer wieder Verrückte außerhalb der etablierten Verlagsszene finden, die im heutigen Medienmarkt Printprodukte zu verwirklichen versuchen”, ist auf netzwertig zu lesen. Er schreibt aber auch: “Was nach ökonomischem Selbstmord klingt, kann zumindest kurzfristig funktionieren.”
Doch zurück zum Crowdfunding an sich. Ich fragte Daniel, wie er die Situation rund um diese Finanzierungsform einschätzt, wo er doch gerade mittendrin ist und sich entschlossen hat, diesen Schritt zu gehen:
Einerseits denke ich schon, dass momentan um Crowdfunding herum ein gewisser Hype besteht. Ich hoffe aber, dass sich daraus auch langfristig etwas Tolles entwickelt, und der Gedanke, neue Projekte gemeinsam mit der Crowd zu finanzieren, in ein, zwei Jahren nicht wieder abebbt. Andererseits sieht man ja gerade im Journalismus die Schwierigkeit, von dem Beruf leben zu können – und vielleicht auch deshalb eine stärkere Experimentierfreudigkeit.
Doch Crowdfunding kann nur der Anfang sein. Das weiß auch Daniel. In einem Interview mit Basic Thinking sagt er, er suche nach Investoren für mögliche Folgeausgaben, sofern der Start glücke.
Also doch der Sprung zurück zu den klassischen Verlagen? Eher nein:
Gerade aus Gründen der redaktionellen Unabhängigkeit kommt ein klassischer Verlag für mich derzeit eher nicht in Frage. Es sei denn, wir fänden eine Einigung, mit der beide Seiten einverstanden wären.
Daniel denke bei Investoren daher eher an medienferne Unternehmen oder Privatpersonen. Da er nicht auf schnelles Wachstum setze wie ein klassisches Startup, wäre auch wäre Venture Capital „der falsche Ansatz“.
Und verkaufen?
Niemals. Bevor ich SHIFT verkaufen würde, würde ich lieber pleitegehen. SHIFT ist für mich eine absolute Herzensangelegenheit. Ich weiß, dass ich nicht zu idealistisch rangehen kann – man kann schließlich nicht nur von Luft und Liebe leben. Aber ich glaube, gerade als Journalist ist es heutzutage wichtiger denn je, ein klares Profil zu haben und auch selbstbewusst dazu zu stehen. Es allen recht machen kann man nämlich ohnehin nicht.
Zum Abschluss stellte ich Daniel daher noch eine sehr hypothetische Frage: Die Projekt-Gründer und Netzmenschen von heute könnten schließlich die Verleger von morgen sein. Wenn also alles super läuft, fragte ich Daniel, was werde ihn in Zukunft von den Verlagen von heute unterscheiden? Gibt es da etwas, das er sich auf jeden Fall bewahren will?
Was ich mir bei all dem Wandel stets behalten möchte, ist meine eigene Art, Journalismus zu betreiben: nicht weichgespült, auch mal provokant – und trotzdem lern- und korrekturfähig.
Er ist sich jedoch sicher, dass auch die Verlage von heute in zehn Jahren ganz anders aussehen werden:
Was mir ganz wichtig ist, ist, stets offen für Veränderung zu bleiben – auch dann, wenn es mal wehtut.
Bedeutet konkret?
Wenn also in zehn Jahren keiner mehr Print lesen sollte, dann wird SHIFT halt nur noch digital erscheinen, auch gut.
Der letzte Satz könnte so ähnlich auch aus dem Hause Springer stammen. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein.
Andreas Grieß bloggt auf YOUdaz.com
Daniel Höly stellt in den Kommentaren klar:
Damit das letzte Zitat von mir nicht falsch rüber kommt: Ich selbst liebe Print genauso wie Online und würde mich tatsächlich sehr darüber freuen, ein Printmagazin als Ergänzung zum Online-Auftritt herauszugeben, auf das sich die Leser von Ausgabe zu Ausgabe freuen.
Wenn die Leser aber irgendwann einmal (fast) nur noch die digitale Ausgabe bevorzugen, muss ich mich dem wohl oder übel beugen. Heißt: Wenn es nach mir ginge, würde es definitiv auch eine gedruckte Ausgabe als festen Bestandteil geben.