von Jürgen Drommert, 15.9.12
Das Zeug für Führungspositionen beweist, wer in ein paar Worten hammerhart auf den Punkt bringt, was andere herumdrucksen lässt. Julia Jäkel, designiertes Vorstandsmitglied von Gruner + Jahr, hat diese Führungsqualität, ja, einen unverhohlenen Hang zur Klarheit und Wahrheit auf dem diesjährigen „Bertelsmann Management Meeting“ an den Tag gelegt. Ihr Statement zu chefkoch.de („Europas größte Kochseite“), einem Online-Produkt von G+J:
Aber was wir wirklich wollen, ist der strategische Partner Nummer eins der Lebensmittelindustrie zu werden. Chefkoch soll als Schlüsselplattform für Konsumenten und Industrie gleichermaßen fungieren.
Das ist aber doch mal ein Wort. Da wird gelassen ausgesprochen, was andernorts zwar getan, aber doch beileibe nicht herausposaunt wird: Verkauf des Journalismus an PR und Werbung. Natürlich, der wird auf breiter Front betrieben, nicht nur bei G+J. Mit ihren „Volksprodukten“ hat sich die „Bild“ etwa längst zu einer journalismusgestützten Vermarktungsplattform gemausert, und die wird mit dem Claim „Abverkauf ist buchbar!“ beworben. Doch würde sich Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner tatsächlich auf eine Bühne stellen und verkünden:
„Die Kombination aller BILD-Medienmarken und aufmerksamkeitsstarker Werbeformen sowie die Gestaltung im typischen Look & Feel von BILD machen Volks-Produkte zu dem optimalen Crossmedia-Konzept aus einer Hand für breit angelegte Abverkaufskampagnen“?
Nicht doch, solches Trommeln bleibt axelspringer-mediapilot.de vorbehalten, einer Website, auf die sich noch kaum ein Leser verlaufen haben dürfte.
Nennen wir ihn mal forsch „embedded journalism“, diesen Journalismus, der sich breiig im Bett von Werbung und PR auflöst. Und wahrscheinlich wäre diese Entwicklung einfacher zu ertragen, wenn sie nicht von den chronischen Bekenntnissen zum „Qualitätsjournalismus“ sekundiert wäre, die das Management großer Medienhäuser abzugeben sich verpflichtet fühlt. Da ist man Julia Jäkel nachgerade dankbar, dass sie Tacheles redet.
Wozu die Aufregung? Es geht ja nur um Kochrezepte, um eine Website. Das edle Print-Segment, die hehren Gefilde von Politik, Wirtschaft, Kultur stehen ja nicht zum Verkauf. Sagt möglicherweise, wer nicht in dieser Branche arbeitet und dabei seit Jahren erlebt, wie sich diese Journalismuserweichung von den Randbereichen stetig zum Kern ausbreitet. Natürlich, nicht alles steht zum Verkauf, aber ausgeblutete Redaktionen verlieren ihre Immunabwehr gegen PR und Lobbyismus, auch ohne dass diese Einflussnahme von den Medienhäusern monetarisiert wird. Da wird nicht verkauft, da wird verschenkt.
Ein gefundenes Fressen für die PR-Branche also. Aber selbst dort wächst die Skepsis, und PR-Berater Klaus Kocks sagt:
PR ist der Parasit einer unabhängigen Presse, und damit es dem Parasiten gut geht, muss das Wirtstier bei Kräften sein. Das ist immer weniger der Fall.
Nicht nur aus professioneller Sicht, auch als Leser hat der Spin-Doctor seine Meinung zur Kastration klassischer Medien:
Wenn ich morgens die Zeitung aufschlage, will ich doch nicht den PR-Senf meiner Kollegen lesen.
Angesichts so klarer Worte aus dem PR-Lager sollten die Manager der Medienhäuser nicht hintanstehen. Julia Jäkel hat einen ersten Schritt getan. Doch die Verkaufsofferten sollten noch weit offener und vielstimmiger kommen, um der Praxis Rechnung zu tragen. Habt Mut zum Coming-out! Und bitte: Verschont uns mit eurem „Qualitätsjournalismus“.