#Angela Merkel

„Partei der Mitte“: Der Chancentod der CDU

von , 9.3.09


Noch vernebelt das desaströse Erscheinungsbild der 24 Prozent-SPD das kaum bessere Wähleransehen der CDU. Trotz Merkel, trotz Achtungserfolg im Wirtschaftskrisenmanagement, trotz großer internationaler Reputation kann sieben Monate vor der Bundestagswahl jeden Augenblick Frust aus dem Kern der CDU-Wählerschaft eruptieren: Nur noch 33 Prozent würden heute die Union wählen, kaum mehr als nach der Parteispendenaffäre 2000. Ein halbes Jahr vor dem Urnengang 2005 lag sie dagegen noch bei 43 Prozent. Die Union ist schlecht aufgestellt!

Daher wird die Unzufriedenheit unter den CDU-Wählern immer größer, die Angst vor einem noch schlimmeren Wahldesaster als 2005 immer deutlicher. Mit Recht; denn auch die Union steckt in strukturellen Problemen, die ein „Weiter so“ keinen Tag mehr dulden.

Vor allem in strategischer Hinsicht. Denn mit ihrer wahrscheinlichen Positionierung als „Partei der Mitte“ wäre kaum Boden gutzumachen: Zu langweilig, zu uninteressant, zu sehr alter Zopf, also strategisch ziemlich falsch. Die CDU verliert ihren Markenwert. Die CDU steckt als „Partei der Mitte“ in der „No-Name-Falle“!

Denn irgendwie ist jeder Mitte: Ob marktwirtschaftliche, ökologische, soziale oder liberale: Wenn 80 Prozent der Deutschen die Volksparteien kaum mehr auseinander halten können, kämpft jede um die gleichen volatilen Wähler und erreicht doch nur, dass sich die meisten angesichts der nicht weiterbringenden klitzekleinsten gemeinsamen Nenner-Kompromisse desinteressiert abwenden – oder die Parteien der Ränder wählen. „Mitte“ ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Nicht Fisch noch Fleisch, nicht gut nicht schlecht, nicht großer Wurf, eben das Weiter so der bleiernden Zeit politischer Handlungsunfähigkeit.

Wer wie die CDU zudem noch die „mittigste Mitte“ anstrebt, wirkt erst recht diffus: Zwar hat sie durch das „Hin zur Sozialdemokratisierung“ seit 2005 ca. zwei Millionen Ex-Genossen als neue Wähler vorläufig hinzugewonnen, aber ebenso nach allen Richtungen verloren: 1,6 Millionen durch das „Weg von der Marktwirtschaft“ an die FDP, etwa gleich viele an die „vereinigte Linke“ aus SPD, Grünen, Linken, sowie 500 000 an die Nichtwähler. Auf die Frage: “Wo-für steht die CDU“ können gerade noch fünf Prozent der Deutschen eine Antwort geben!

Zudem leisten sich die Deutschen seit Hessen und Bayern ein neues, völlig verändertes Wahlverhaltens. Kaum noch die Hälfte wählt die Partei ihrer Überzeugung, über 40 Prozent dagegen gegen die Partei ihrer Enttäuschung Der „Y(psilanti)-Faktor“ wirkt: Aus „Pro-“ werden immer häufiger „Kontra-Wahlen“.

Waren Jahrzehnte lang Kompetenz in Wirtschafts- und Arbeitsmarkt die Erfolgstreiber, so werden diese „harten“ Kriterien zunehmend durch „weiche“ wie Zuverlässigkeit, Vertrauen, Ehrlichkeit, Freiraum und Bürgerwohl abgelöst. Nicht mehr Klientelpolitik sondern Überparteilichkeit wird von den Großen eingeklagt. Der objektive Politiker wird geliebt, der nicht hundertmal seine Partei, sondern einmal seinen Gegner lobt.

Weil das bei den „Großen“ längst nicht mehr der Fall ist, verlieren sie immer stärker die Wähler an den Parteirändern: Umso mehr, wenn die CDU es allen Wählern der Mitte „irgendwie noch ein bisschen gerechter“ machen will. Der Schutzschild „Markenkern“, der gerade in Zeiten politischer Anfälligkeit den Stammwählern Halt verleiht, verblasst als „Partei der Mitte“ immer mehr. Dieses als Leitmotiv würde bei der Wahl 2009 selbst Restidentitäten infrage stellen.

Erfolg benötigt eine andere Strategie, eine andere Positionierung: Höherer Wählerzuspruch erfordert Profil statt Verwässerung, Stärken stärken statt Stärken zu nivellieren, auf Bürgerinteressen eingehen anstatt sie gleichzuschalten. Weil sich die Wähler immer stärker atomisieren, wollen sie ihre Meinungen immer öfter vertreten wissen. Die politische Kernbotschaft heißt: Jedem das Seine, also Individualität gerade in Zeiten zunehmender Verunsicherung zu schützen. Nicht „Mitte für alle“, sondern ein eindeutiges „Auch Deine Interessen zählen“ stärkt Partizipation und Parteienerfolg. Nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern die Summe der Individualinteressen, durch eine dicke Klammer zusammengehalten, stärken die Chancen der CDU.

Ambivalente Politik ist also für die Union, als inzwischen einzige Volkspartei, der Weg aus der 33 Prozent – Falle. Beispiel Bildungspolitik, das derzeit wichtigste Politfeld: Nicht nur Eliteförderung oder nur Integration bildungsfernen Schichten, beides gleichermaßen dient dem langfristigen Wohl des Staates und damit auch dem CDU – Wählerzuspruch. In der Wirtschaftspolitik geht es nicht nur darum, die Wachstumsbedingungen der Unternehmen zu verbessern, gleiche Bedeutung erhalten die Arbeitnehmerinteressen. In der Ausländerpolitik sind Integrationsbedürfnisse und -anforderungen gleichrangige Ziele für Deutsche und Ausländer. Und in der Sozialpolitik haben Transferempfänger und –geber Rechte und Pflichten. Wer nimmt, muss sich Bedingungen unterwerfen, wer gibt, hat das Recht auf Einhaltung dieser Regeln.

„Versöhnen statt Spalten“, diesmal in der Bedeutung, dass auch auf Einzelinteressen Rücksicht zu nehmen ohne andere zu schaden: Johannes Raus in den 80iger Jahren noch ziemlich erfolgloser Wahlslogan, hatte nie eine größere Bedeutung als heute. Für die CDU.

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