#Blogging

Digitale Ahnungslosigkeit: Alte und neue Medien kennen sich gegenseitig nicht

von , 15.4.09


Johnny Haeusler hat gut reden: Er empfiehlt Journalisten, die Themen bei ihren Zeitungen nicht unterbringen, diese doch einfach (unter eigenem Namen) zu bloggen. Ein schöner Vorschlag, zumindest auf den ersten Blick. Die Realität in vielen Redaktionen dürfte so etwas aber gar nicht zulassen, es sei denn, man arbeitet frei.

Damit zeigt sich einmal mehr, dass Blogger zwar viel über das Internet und die neuen Medien wissen, aber eher wenig von den Mechanismen der alten Medien verstehen. Sehr deutlich wird das auch an einem Artikel von Brian Solis für das Blog TechCrunch. Brian Solis ist nicht irgendwer in den USA, ebenso wenig wie das Blog TechCruch.

Dass aber in eben diesem Blog so ein Artikel erscheinen kann, offenbart sehr deutlich, dass nicht wenige der Experten des Web 2.0 mit einer leichten Hybris den Medienwandel thematisieren. Bei der Lektüre kann nämlich leicht der Eindruck entstehen, es müssten nur alle Medienmacher und Journalisten anfangen zu twittern, mit Public Profiles auf Facebook vertreten sein und Beziehungen zu ihren Lesern aufbauen, um im neuen Zeitalter der digitalen Medien aufblühen zu können.

Unterschlagen wird dabei, dass nicht wenige der von ihm genannten Medienkanäle selbst noch gar kein tragfähiges Geschäftsmodell haben und derzeit auch für gute Blogs die Luft (in Sachen Monetarisierung) reichlich dünn ist. Brian Solis sieht praktisch nur die Reichweite, nicht aber die Umsatzperspektive. Immerhin: Wie man mit Social Media heute Reichweite erzielt, hat er gut herausgearbeitet. Doch: 350.000 Twitter-Follower für Techcrunch bedeuten nicht, dass der klassische Qualitätsjournalismus kein Umsatzproblem hätte.

Eine sachgerechte Betrachtung müsste allerdings auch stärker hinterfragen, für wie viele Menschen ein Medium wie Twitter langfristig und nachhaltig Relevanz erlangt. So zeigt eine aktuelle Studie, dass Twitter speziell bei Jugendlichen in Deutschland noch kaum bekannt ist.

So weit aber kommen die Befürworter der klassischen Medien mit ihrer Kritik an den Ausführungen von Brian Solis gar nicht, weil sie (immer noch) zu wenig von Social Media verstehen. Die beiden Lager reden also weiterhin schön aneinander vorbei, weil sie von der jeweils anderen Seite zu wenig wissen.

Während aber Blogger und Social Software Geeks dabei wenig bis nichts zu verlieren haben, steht den klassischen Medien ihr “Unbehagen am Internet” allmählich immer schlechter zu Gesicht. Denn bei ihnen geht es um sehr viel Umsatz, Arbeitsplätze und Reputation.

Vielleicht sollten deshalb gar nicht so sehr die Journalisten anfangen zu bloggen, wie Johnny Haeusler meint. Eher sollten deren Manager und Herausgeber mehr praktische Erfahrungen mit dem Internet sammeln und zudem den Dialog mit Bloggern suchen. Der Antagonismus zwischen alten und neuen Medien sollte schleunigst überwunden werden. Denn nur so werden sich für die Institutionen der alten Medien tragfähige Geschäftsmodelle im neuen Medium finden lassen — und einige von ihnen brauchen wir noch.

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