#Gewerbefreiheit

„Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein“

von , 27.11.12

Damals kämpfte die Presse noch um ihre Freiheit. Und Zeitungen waren ungefähr das – was heute diese Dings… diese Blogs im Internet sind: neu, überheblich, frech und lästig.

Einer dieser Zeitungsschreiberlinge hieß Karl Marx. Weil ihm die preußische Regierung die ersehnte Professur verweigerte, wurde er halt Journalist (Wer nix wird, wird Journalist). Denn es gab da diese neuen Medien, mit deren Hilfe man sich Frisch-Luft zufächeln konnte im preußischen Provinzmief. Liberale Bürger aus Köln hatten 1842 die Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe gegründet. Kurz darauf betrat der 24-jährige Karl Marx die Redaktion (die er wenige Monate später übernahm) und ging sofort in medias res. Er befasste sich zuallererst mit den Bedingungen dieses neuen Dings… dieses überaus frechen und lästigen „Journalismus“.

Am 5. Mai 1842 begann er eine Artikelserie unter dem Titel „Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen“. Marx kritisierte darin die Reden der Landtagsabgeordneten, etwa jene, in denen die Meinung vertreten wurde, die Zensur sei doch „ein geringeres Übel als der Unfug der Presse“. Marx griff aber nicht nur Abgeordnete an, die den Zeitungen einen Maulkorb umlegen wollten, er kritisierte auch jene wohlmeinenden Bürger, die in der Pressefreiheit lediglich eine Unterform der Gewerbefreiheit sehen wollten. Marx schrieb seinen berühmten Satz: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein.“ Und er fügte hinzu: Man könne journalistische Arbeit schließlich nicht in „befugte“ und „unbefugte“ unterteilen (heute: Qualitätsjournalismus vs. Netzjournalismus).

Marx’ Rheinische Zeitung (RZ) war die Stimme der aufkommenden oppositionellen rheinischen Bourgeoisie, die das Korsett des preußischen Absolutismus als zu eng empfand. Aber schon 15 Monate nach dem ersten Erscheinen wurde das nichtsnutzige Blatt von den staatlichen Behörden verboten. Neue Medien, die sich gegen das Bestehende richten, sind eben permanent vom Scheitern bedroht. Und deshalb hat Frank Schirrmacher vollkommen Recht, wenn er dem Neuen, dem Fremden, dem Unbefugten, das da kommen soll (aber nicht kommt) voller Abscheu und Enttäuschung leere Versprechungen, Großmäuligkeit und Versagen vorhält.

Aber wirklich unterkriegen lassen sich neue Medien, die von neu entstehenden ökonomischen Strukturen und einer neuen Gesellschaftsschicht getragen werden, nicht. Im Revolutionsjahr 1848 machte Karl Marx – die Stimmung hatte sich wieder gedreht – mit der „Neuen Rheinischen Zeitung“ (NRhZ) einfach weiter. Obwohl die Verdienstmöglichkeiten seiner „Correspondenten“ äußerst prekär waren.

Wie übrigens die ganze vermaledeite Finanzierung! Die ersten Aktionäre seines nicht vorhandenen „Geschäftsmodells“ Neue Rheinische Zeitung waren liberale Risikokapitalgeber, von denen sich die Hälfte nach dem Erscheinen der ersten Nummer wieder aus dem Staub machte. Marx investierte deshalb den Rest seines väterlichen Erbes. Und reiste durchs Land auf der Suche nach Sponsoren und anderen Geldgebern. Viel Erfolg war ihm nicht beschieden. Nach 301 Ausgaben stellte die NRhZ am 19. Mai 1849 ihr Erscheinen ein. Karl Marx wurde des Landes verwiesen (und schrieb, weil er ja sonst nichts zu tun hatte, „Das Kapital“).

Aber wozu erzähle ich das?

Weil die Presse nach 1849 doch noch ein sehr sehr lukratives Gewerbe wurde. Sie wurde es so sehr, dass sie irgendwann anfing, den Lauf der Zeit aufhalten zu wollen. Heute kämpft sie für die Konservierung ihrer Privilegien und ihres Komforts. Und die bürgerlichen Liberalen von heute sitzen in den verkrachten Blogs und erklären dem alten Gewerbe geduldig (aber auch ein bisschen frech und überheblich), dass seine Zeit unwiderruflich vorbei sei.

Diese Kämpfe haben gerade erst angefangen.

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