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Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage – Nicht mehr als eine “Mogelpackung” und ein “Taschenspielertrick”?

von , 26.10.12

Nach einem Impulsreferat von Professor Dr. Justus Haucap diskutierte der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler mit Siegfried Kauder (CDU), Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), Pavel Richter (Wikimedia Deutschland e.V.) und dem Moderator Kai Biermann (ZEIT Online) über den umstrittenen Gesetzesentwurf.
 

Wem nützt ein Leistungsschutzrecht und wem schadet es?

In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und FDP die Einführung dieses Rechts vereinbart, ohne Ausgestaltung und Ziele genauer festzulegen, wie eco e.V. in der Einladung schrieb. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft befürchtet einen Wettbewerbsnachteil auf Grund der internationalen Einmaligkeit eines derartigen Leistungsschutzrechts, weshalb sie den Gesetzesentwurf ablehnen. Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) stellte in seinem Vortrag die ökonomischen Folgen eines Leistungsschutzrecht dar. Für Haucap gibt es keine ökonomische Begründung, denn der verlegerische Mehrwert durch die Bündelung verschiedener Nachrichten erfolgt heutzutage durch die Nutzer selbst. Haucap stellte in seinem Vortrag klar, dass die unbestrittene Marktdominanz von Google nicht illegal sei, und nur der Missbrauch dieser Stellung strafbar. Hierfür gebe es aber bereits das Kartellrecht, so dass ein in das Urheberrecht hineinformuliertes Leistungsschutzrecht grundsätzlich falsch wäre.

Die von der Presseverlagslobby angebrachten Argumente, mit den Einnahmen die Qualität von Journalismus zu fördern, hält er ebenso für fragwürdig. Durch ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage erzielte Einnahmen würden nach Klickzahlen bemessen, die aber keinerlei Auskunft über die Qualität von Inhalten geben. Als journalistisch fragwürdig eingestufte Medien, beispielsweise aus den Verlagen von Springer und Burda, würden mehr davon profitieren, als stärker auf Inhalte setzende Zeitungen und vor allem kleinere Regionalzeitungen. Haucap empfindet den Erfolg von Google auch nicht als unfair und störend, solange die Marktposition nicht missbräuchlich ausgenutzt wird. Vielmehr sieht er in Googles Komposition von Inhalten eine verlagsähnliche Leistung, und über deren Erfolg entscheide immer noch der Nutzer.

Der Unternehmenssprecher von Google Deutschland, Ralf Bremer, wies auch auf zwei Studien hin, die feststellen, dass Google erstens durch die Presseverlage nur einen wirtschaftlich uninteressanten Erlös mit Werbeeinnahmen erzielt, und zweitens gerade die Presseverlage mit hohen zweistelligen Prozentzahlen unentgeltlich Leser über Google-Dienste bekommen und so Werbeeinnahmen erzielen.

Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags, zeigte deshalb auch Unverständnis für diesen Gesetzesentwurf, und bezeichnete ihn auf der Veranstaltung als “Mogelpackung” und “Taschenspielertrick“. Er könne sich auf Grund einer fehlenden sinnvollen Begründung für ein derartiges Leistungsschutzrecht auch nicht erklären, wie dies überhaupt in den Koalitionsvertrag gekommen sei, besteht aber jetzt auf die Einhaltung von geschlossenen Verträgen, wenn sich nicht die Koalitionspartner auf eine Änderung einigen würden. Er forderte die Presseverlage dazu auf, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, statt von der Politik eine Marktregulierung zu fordern. Nachfragen, ob denn eine Mehrheit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Leistungsschutzrecht noch ablehnen würde, ließ er unbeantwortet, und stellte in den Raum, dass eine mögliche Prüfung verfassungsrechtlicher Bedenken noch “in Ruhe” erfolgen könne.

Die medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, teilte Haucaps wirtschaftliche Bedenken gegen den Gesetzesentwurf und betonte, dass ein Leistungsschutzrecht weder den Journalismus an sich, noch die Medienvielfalt in Deutschland unterstützen würde. Sie zeigte sich besorgt, dass durch diesen ordnungspolitischen Eingriff vor allem kleinere Zeitungen und Blogger aus dem Markt ausgeschlossen werden würden. Rößner plädierte für den eigentlich seit Jahren geplanten Aufbau einer Mediendatenbank, die eine fundierte Faktenlage schaffen würde, so dass gezielte Unterstützungsmaßnahmen seitens der Politik möglich wären. Die in der Diskussion aufgekommene Idee von Subventionen lehnte Rößner ab.

“Eine direkte Presseförderung will kein Mensch, um die Unabhängigkeit zu wahren.”

Klaus Minhardt, Geschäftsführer des Brandenburger Landesverbands des DJV, stimmte ihr in diesem Punkt zu. Tabea Rößner kann sich allerdings Finanzierungshilfen für neue Geschäftsmodelle vorstellen, um Verlagen in Zeiten dieses revolutionären Umbruchs unterstützend zur Seite zu stehen. Für Rößner und Minhardt ist bei jeglicher Unterstützung eine hohe Distanz zwischen Presse und Staat wichtig.

Das Vorstandsmitglied der deutschen Wikimedia, Pavel Richter, versuchte als womöglich nicht vom Leistungsschutzrecht betroffener Experte, einen Außenblick auf die Debatte zu werfen.

“Das Internet lebt von einer Kultur des Teilens, in der jeder etwas gibt und nimmt”,

sagte Richter, und zeigte sich vor allem über die noch nicht absehbaren Auswirkungen eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage besorgt. Es ist nicht abzusehen, welche potenziellen Innovationen der nächsten Jahre schon jetzt damit verhindert werden. Auch die Verbreitung der Idee von nicht begründeten Schutzrechten für Verlage könnte sich laut Pavel für die Gesellschaft als schädigend erweisen, besonders, wenn z.B. Schulbuchverlage die Idee der Presseverlage kopieren und somit den freien Zugang zu Wissen kontrollieren würden. Statt eines Leistungsschutzrechts forderte er von der Politik Reformen des Urheberrechts bei verwaisten Werken oder den zu kürzenden Schutzfristen.

Kritisch anzumerken ist, dass alle Podiumsgäste Kritiker eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage sind, und dass die Seite der Presseverlage nicht gehört wurde. Die Pressestelle des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. kommentierte die Veranstaltung parallel via Twitter, ging aber nie ins Detail, welche Gründe denn für ein Leistungsschutzrecht sprechen. Eine Übersicht der Statements für und gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverlage hat fairerweise die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) zusammengetragen.
 
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Tobias Schwarz bloggt im Logbuch des Isarmatrosen

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