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Urheber sind wie Parmesan. Sie lassen sich gut zerreiben

von , 29.5.11

Wer bei Facebook, YouTube oder Twitter mitmischen will, muss lange und klitzeklein gedruckte „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB) akzeptieren. Auch wer Software herunter lädt, Versicherungen abschließt, ein Konto eröffnet oder im Online-Shop einkauft, stößt auf diese verdammten AGB. Akzeptiert man sie nicht, muss man leider draußen bleiben. Diese Prozedur sagt viel aus über das Kräfteverhältnis zwischen Anbietern und Nutzern. Ein User (von Portalen, Produkten und Lizenzen) ist ein klassischer Verbraucher, dem Verbraucher-Rechte meist nur im Ausnahmefall – und dann in homöopathischer Verdünnung – zugestanden werden.

Inzwischen ist aber auch der Urheber zu einem ganz normalen Verbraucher geworden. Denn Verleiher, Verleger & Veranstalter behandeln ihn wie einen klassischen User. Urheber können nur in Ausnahmefällen individuelle Verträge aushandeln, sie müssen – wie alle Verbraucher – ellenlange „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ unterzeichnen, sonst bekommen sie keinen Zutritt zum Markt. Urhebern werden die Bedingungen für den Marktzutritt inzwischen genau so einseitig diktiert wie den Usern. Und im Begriff des user-generated content kommt der fundamentale Wandel auch sprachlich zum Ausdruck.

 

Der politische Konflikt: Verwerter contra Verbraucher

Seit vielen Jahren wird nun das Urheberrecht von den Lobbyisten – Korb für Korb – zu Tode reformiert. Die Verwerter (auf der einen Seite) und die Nutzer (auf der anderen Seite) wollen das Urheberrecht in ihrem Sinne „weiter entwickeln“: Die Verwerter möchten es verwertungsfreundlicher gestalten, die Nutzer nutzerfreundlicher. Beide Seiten formulieren ihre Ansprüche mit unverhohlener Aggressivität. Nur die Kräfte dazwischen, die Urheber, würden am liebsten still sein und gar nichts reformieren. Tapfer halten sie an ihrer Gattungsbezeichnung fest. Und werden doch zerrieben wie ein Stück Parmesan: zwischen der mächtigen Content-Industrie und den sich allmählich formierenden Verbraucher-Organisationen.

Wahrscheinlich begreifen die Urheber ihre Degradierung auch deshalb nicht, weil sie von der herrschenden Kulturmafia von den handelnden Personen des Kulturbetriebs kräftig eingeseift werden. In zahllosen Sonntagsreden, auf zahllosen Symposien, aber auch in den Sprechblasen der Verbandsfunktionäre wird ihnen weisgemacht, es ginge vor allem um sie – um die Urheber. Dabei geht es ausschließlich um Verwerter und Nutzer. Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat dies bei einer Rede während der 8.CDU-MediaNight auf den Punkt gebracht:

„Meine Damen und Herren, zu den Risiken der digitalen Entwicklung gehört, dass der Schutz des geistigen Eigentums nicht gesichert ist… Ein Kernvorhaben mit Blick auf die Digitalisierung ist daher die Reform des Urheberrechts. Hierbei muss eines klar sein: Der Urheber bleibt Ausgangspunkt aller rechtlicher Überlegungen. Für eine Neuformulierung des Schutzzwecks des Urheberrechts zugunsten der Nutzer besteht kein Anlass. Freier Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken kann im digitalen Zeitalter nicht auf Kosten der Kreativen erfolgen, indem das Urheberrecht in ein Verbraucherrecht umgedeutet wird.“

Das Urheberrecht soll also um Gottes willen kein Verbraucherrecht werden, sondern Verwerterrecht bleiben. Denn eine Ausdehnung der Nutzerrechte würde logischerweise zu einer Einschränkung der Verwerterrechte führen. Das ist der zentrale Konflikt bei der aktuellen Debatte ums Urheberrecht. Um die Urheber geht es am allerwenigsten.

 

Eigentliches Thema der Urheber wäre ein besseres Urhebervertragsrecht

Nun könnte man einwenden, die Urheber seien von Neumann doch ausdrücklich erwähnt worden – als „Ausgangspunkt aller rechtlichen Überlegungen“! Der Kulturstaatsminister habe in seiner Rede nur das wiederholt, was Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schon in ihrer Grundsatzrede zum Urheberrecht im Juni 2010 formuliert hat.

Doch von Urhebern oder Kreativen wird in all den Reden nur deshalb gesprochen, weil sich die Verwerter längst in die Rolle der Urheber hineingedrängt haben. Sie haben die Urheberrechte annektiert – per AGB. Auch die Debatte zum Leistungsschutzrecht verrät ja, wie sehr sich die Verwerter heute als die wahren Kreativen verstehen.

Der alte Urheber wurde auf der Käsereibe zerbröselt. Seine wichtigsten Rechte haben sich die Verwerter einverleibt, die Reste sind – per AGB-Diktat – auf das niedrige Niveau von Verbraucherrechten abgesenkt worden.

Bleibt die Frage, wie lange es dauert, bis die einstigen Urheber (und ihre Organisationen!) begreifen, dass das grottenschlechte Urhebervertragsrecht der entscheidende Knackpunkt ist.

 

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