#ARD

GEZ für alle

von , 31.3.11

Die staatliche Filmförderung ist etabliert und erfolgreich. Eine generelle Förderung für Medien gibt es aber nicht. Die mediale Grundversorgung sichert der Staat stattdessen mithilfe der Rundfunkgebühren, die ausschließlich an die öffentlich-rechtlichen Anstalten gehen.

In Zeiten, da ARD und ZDF ihr Angebot ins Internet ausweiten und Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen die Anzeigenmärkte wegbrechen, muss die Frage erlaubt sein, ob die Gebühren nicht breiter verteilt werden sollten.

Zwar sind praktisch auch alle Print-Medien im Internet vertreten.Doch die allerwenigsten dieser Online-Angebote sind profitabel. Das liegt daran, dass die Verlage es versäumt haben, für ihre Internetauftritte Geld zu verlangen. Nun, nach mehr als 16 Jahren – Spiegel Online ging im Oktober 1994 als erstes deutsches journalistisches Angebot ins Netz –, sind die meisten User nicht bereit, für Online-Informationen zu zahlen.

Hinzu kommt, dass die Internetwerbeerlöse weit unter denen der gedruckten Ausgaben liegen. Da im Netz prinzipiell auf jeder Website geworben werden kann, ist die Konkurrenz unter den Anbietern von Werbeflächen um ein Vielfaches grösser als in der Offline-Welt.

Angesichts dieser für etablierte Medienunternehmen höchst unerfreulichen Situation stellt sich die Frage, wie Journalismus künftig finanziert werden soll.

Schenkt man Autoren wie dem amerikanischen Journalistikprofessor Jeff Jarvis Glauben, lässt sich dieses Problem relativ einfach lösen: Er empfiehlt Journalisten, sich selbständig zu machen und künftig auf einem eigenen, aus Werbeerlösen finanzierten Online-Portal zu publizieren. Dabei können Journalisten, die sich bereits einen Namen gemacht haben, mit meinungsstarken, werbefinanzierten Blogs durchaus reüssieren.

Kompliziert wird es, wenn die unabhängigen Sites aufwändigere Recherchen in Angriff nehmen. Dafür reichen selbst die Werbeerlöse der vergleichsweise grossen Huffington Post nicht aus. Eine Stiftungskultur wie in den USA gibt es in Deutschland aber nicht. Die Frage, wie wir den Journalismus, den wir bisher gewohnt sind, in Zukunft finanzieren wollen, können Autoren wie Jarvis nicht befriedigend beantworten.

Ob die von einigen Verlagen nun wieder ins Gespräch gebrachten Bezahlinhalte eine Lösung sind, ist fraglich. Wegen der mangelnden Zahlungsbereitschaft der User liegt die Vermutung nahe, dass sich journalistische Angebote so allenfalls anteilig finanzieren lassen.

Darauf zu hoffen, dass die Verleger bereit sind, ihre publizistischen Aktivitäten bis in alle Ewigkeit durch Angebote wie etwa Vermarktungsportale querzusubventionieren, die mit Journalismus nichts zu tun haben, wäre verwegen. Was, wenn die nachrückende Generation eines Verlags in Familienbesitz partout keine Lust hat,die schönen Marketingerloöse in unrentable journalistische Projekte zu stecken?

GEZ für alle: Wenn also nur noch das Netz der Netzeexistiert, gibt es auch keinen Rundfunk mehr.

Bleibt nur noch, journalistische Inhalte über eine Gebühr zu finanzieren, der sich eine bestimmte Gruppe oder aber die Gesamtheit der Nutzer nicht entziehen kann. Auf eine solche Gebühr würde letztendlich das von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen für ihre Branche geforderte Leistungsschutzrecht hinauslaufen.

Das Leistungsschutzrecht, das den Verlagen vorschwebt, würde vor allem zwei Gruppen treffen: zum einen Gewerbetreibende und zum anderen Betreiber von Online-Portalen, die auch nur auszugsweise Inhalte von Print-Häusern auf ihre Sites stellen. Konkret soll der Gesetzgeber es Verlagen erlauben, generell alle Gewerbetreibenden – im Gegensatz zu Privatpersonen – für die Nutzung ihrer Inhalte zur Kasse bitten zu dürfen. Die Regelung, die auch nur eine auszugsweise Online-Wiedergabe von Print-Inhalten verbietet, richtet sich vor allem gegen Angebote wie Google News.

Dennoch dürfte ein Leistungsschutzrecht den Verlagen in Bezug auf Google News wenig nutzen. Sollte der Internetkonzern für diesen Dienst künftig Tantiemen an die Verlage abführen müssen, würde er ihn in Deutschland vermutlich schließen. Den Print-Häusern wäre damit aber kaum geholfen. Im Gegenteil.

Auch die Bezahlschranke für Gewerbetreibende dürfte sich kaum durchsetzen lassen. Schon jetzt läuft der einflussreiche Bundesverband der deutschen Industrie Sturm gegen diesen Vorschlag. Obendrein sind nicht wenige Juristen der Meinung, dass er unvereinbar mit dem geltenden Urheberrecht ist. So kann es kaum verwundern,
dass die Bundesregierung das von ihr offiziell befürwortete Leistungsschutzrecht für Verlage nicht gerade als ihr wichtigstes Projekt ansieht.

Digital ist besser: "Zukunft gestaltet, wer bereit ist auf Kontrolle und Deutungshoheit zu verzichten."

Eine Alternative zum Leistungsschutzrecht wäre die Einführung einer Flatrate, sei es als Kultur-Flatrate oder als fakultative Flatrate mit Kontrahierungszwang, unter die dann auch journalistische Angebote fielen. Problematisch
daran ist, dass es gegen eine weitere Medienabgabe erhebliche Vorbehalte in der Bevölkerung gibt.

Diese Vorbehalte sind nicht unberechtigt. Schon jetzt zahlt jeder deutsche Haushalt 215,76 Euro Rundfunkgebühren pro Jahr. So kommen jedes Jahr 7,6 Milliarden Euro zusammen. Das ist nicht eben wenig. Was spräche eigentlich dagegen, einen Teil dieser Summe journalistischen Angeboten zukommen zu lassen, die nicht von ARD, ZDF oder Deutschlandradio verantwortet werden?

Eine  Neuregelung der Verteilung der Rundfunkgebühren ist langfristig unvermeidlich. Beim Internet handelt es sich um ein Konvergenzmedium, in dem alle bisherigen Medien, ob Radio, Fernsehen, Zeitung oder Zeitschrift, aufgehen. Wenn also nur noch das Netz der Netze existiert, gibt es auch keinen Rundfunk mehr.

Auf den Rundfunk erstreckt sich aber im Wesentlichen der öffentlich-rechtliche Programmauftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Zwar erlaubt der Gesetzgeber ausdrücklich öffentlich-rechtliche Online-Portale.

Allerdings müssen die Internetangebote der Anstalten einen »Sendungsbezug« haben, wie es im Gesetz heißt. Was aber, wenn es diesen »Sendungsbezug« in Ermangelung von Rundfunksendungen gar nicht mehr gibt? Dürfen die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet dann so weitermachen wie bisher? Diese Frage muss irgendwann geklärt werden.

Ursprünglich verdankt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Existenz dem Mangel an Sendefrequenzen. Um zu verhindern, dass dieses rare Gut in falsche Hände kommt, vertraute man das Radio und später auch das Fernsehen Anstalten an, die von gesellschaftlich relevanten Gruppen beaufsichtigt wurden. Als dank der Verkabelung die Zahl der Frequenzen stieg und Privatsender zugelassen wurden, sollten die Öffentlich-Rechtlichen die Grundversorgung
der Bevölkerung mit relevanten Inhalten gewährleisten.

Im Internet ist der Begriff der Grundversorgung allerdings denkbar deplatziert. Relevante und irrelevante Inhalte jeglicher Provenienz findet man dort in Hülle und Fülle. Sollte aber nicht irgendwann ein funktionierendes Finanzierungsmodell für rechercheintensiven Journalismus gefunden werden, könnte ausgerechnet
er zur Mangelware werden. Dies wäre für unser demokratisches Gemeinwesen fatal.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum mit öffentlichen Mitteln nur Informationssendungen öffentlich-rechtlicher Sender unterstützt werden sollten. Nicht von ungefähr ist die Pressefreiheit ein Grundrecht, das in Artikel fünf des Grundgesetzes garantiert wird. Bekanntlich werden mit Steuergeldern auch Privattheater und Filmproduktionen privater Produktionsgesellschaften gefördert, und das, obwohl es ein der Pressefreiheit vergleichbares Grundrecht für Theater und Film in unserer Verfassung nicht gibt.

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Sollten eines Tages tatsächlich auch andere Journalismusangebote als die der öffentlich-rechtlichen Sender in den Genuss von Rundfunkgebühren kommen, müssten für die Vergabe der Mittel komplett neue, politikferne Gremien geschaffen werden. Die bestehenden Rundfunk- und Verwaltungsräte der öffentlich-rechtlichen Sender sind dafür denkbar ungeeignet.

Zwar sitzen in ihnen nach wie vor Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen. Tatsächlich werden sie aber von den politischen Parteien dominiert. So gibt es in allen Gremien sogenannte rote und schwarze Freundeskreise,
die das Abstimmungsverhalten der Gremienmitglieder organisieren.

So fand die CSU-Mehrheit des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks nichts dabei, das CSU-Mitglied Ulrich Wilhelm, das bis zuletzt als Regierungssprecher der unionsgeführten Bundesregierung diente, zum neuen Intendanten ihrer Anstalt zu machen. Mit der vom Gesetzgeber geforderten Politikferne von ARD und ZDF ist all dies nur schwer in Übereinstimmung zu bringen.

Derlei Praktiken haben nicht nur das Image der Öffentlich-Rechtlichen beschädigt. Sie sind einer freien und unabhängigen Presse auch in keinster Weise zuzumuten. Folglich muss die Politik sich aus den Gremien vollständig zurückziehen und unabhängigen Medienexperten Platz machen.

Damit allein ist es nicht getan. Wenn an den Rundfunkgebühren künftig nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch private Journalismusangebote partizipieren sollen, muss irgendwo gekürzt werden. Bereits 2008 hat die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel gefordert, die Öffentlich-Rechtlichen sollten sich im Kern auf Programme beschränken, »die der Markt selbst nicht oder nicht in ausreichender Anzahl hervorbringt«. Dazu zählt sie »hochwertige Nachrichten- und Kulturprogramme, Dokumentationen und Spielfilme«. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Grund, warum auch künftig noch teure Sportrechte und Unterhaltungssendungen durch Rundfunkgebühren finanziert werden sollten.

Eine Neudefinition des Programmauftrags der Öffentlich-Rechtlichen könnte die Politik jederzeit beschließen. Das Problem ist nur, dass sie daran keinerlei Interesse hat. Das Verhältnis zwischen Politikern und Senderhierarchen hat symbiotischen Charakter: Die Politik lässt den Sendern freie Hand, wenn es darum geht, das Programmangebot
auszuweiten. Im Gegenzug achten die von den Parteien dominierten Gremien peinlich darauf, dass bei der Besetzung
von Spitzenpositionen in den Anstalten die politische Farbenlehre eingehalten wird.

Gebühren für rechercheintensiven Journalismus dürfen aber kein Instrument sein, um jeden notleidenden Verlag
oder Privatsender über Wasser zu halten. Eine Gebührenfinanzierung journalistischer Angebote jenseits von ARD, ZDF und Deutschlandradio darf einzig dazu dienen, ein Mindestmaß an Pluralismus zu gewährleisten – und zwar für alle Bevölkerungsschichten.

Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich eines Tages nur noch die Medienkonsumenten umfassend informieren können, die bereit und in der Lage sind, für einen anzeigenfreien Spiegel zehn Euro oder gar mehr pro Ausgabe zu zahlen.

Der Text “GEZ für alle” ist eine gekürzte und leicht editierte Fassung des entsprechenden Kapitels aus dem Buch “Digital ist besser” von Kai-Hinrich und Tim Renner. Online-Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Autoren und Verlag.

Kai-Hinrich Renner, Tim Renner: Digital ist besser. 246 Seiten, Campus Verlag. Verlagswebsite. Bei Amazon kaufen.

Carta präsentiert die Buchvorstellung von “Digital ist besser” am 6. April in Berlin – 15 Carta-Leser_innen können sich hier mit dem Code “Carta11” anmelden.

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