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Online-Journalismus: Raus aus der Gratisfalle

von , 3.12.09

Das Internet ist eine disruptive Technologie, disruptiv nicht nur für die Gestaltungsmöglichkeiten von Journalismus, disruptiv vor allem auch für die klassischen Geschäftsmodelle der Verlagsunternehmen. Die Marktpositionen und Renditen werden neu verteilt. Es ist daher kein Wunder, wenn die Umwälzungen im Netz von vielen der bislang dominanten Medienunternehmen eher als Bedrohung denn als Chance wahrgenommen wenden. Der Ruf nach staatlicher Protektion, etwa in Form der “Hamburger Erklärung“, hat dann auch nicht lange auf sich warten lassen.

Für die Wirtschaftspolitik kann es aber nicht darum gehen, Produktionsstrukturen der Vergangenheit zu konservieren. Es ist vor allem entscheidend, dass die Nutzer möglichst souverän darüber entscheiden können, welchen Journalismus sie goutieren und nutzen wollen. Sämtliche Produktions- und Bereitstellungsmodelle für Journalismus im Internet sind daher danach zu beurteilen, ob sie es den Mediennutzern erlauben, die Produktion von Inhalten gemäß ihren Präferenzen und Zahlungsbereitschaften zu steuern. Grundsätzlich gilt: Je direkter diese Artikulation möglich ist, desto besser.

Zu einer solchen ordnungspolitischen Betrachtung gehört auch, staatliche Eingriffe davon abhängig zu machen, ob sich private Anbieter und Nachfrager selbständig als marktfähige Parteien organisieren können. Solange privatwirtschaftliche Lösungen funktionsfähig sind, verbieten sich staatliche Eingriffe. Das schließt eine kritische Überprüfung bestehender Eingriffe, insbesondere die derzeitige Zwangsfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit ein.

Professioneller Journalismus bleibt prinzipiell ein knappes Gut – auch im Netz

In der öffentlichen Diskussion wird häufig vorschnell der Schluss gezogen, professionelle journalistische Inhalte seien im Netz kein knappes Gut mehr. Diese Sichtweise verdeckt jedoch das grundsätzliche Problem. Zwar stellt das Netz nun den Zugang zu sehr viel mehr journalistischen Quellen her, weshalb es zunächst einmal aus Nutzersicht zu einer Erhöhung des verfügbaren Angebots kommt. Dennoch bleibt das Knappheitsproblem prinzipiell bestehen: Denn für die Produktion von professionellem Journalismus müssen wirtschaftliche knappe Ressourcen – insbesondere die Arbeitsleistung ausgebildeter Journalisten – eingesetzt werden. Journalismus, insbesondere ein Journalismus, der versiert und wissend informiert, bleibt daher – auch in Zeiten des Internets – ein rares Gut.

Diese Sichtweise wird teilweise durch die besondere Kostensituation im Netz verdeckt: Bei der Verbreitung journalistischer Berichte sind die Kosten für jeden zusätzlichen Nutzer nahezu Null. Es besteht folglich keine Rivalität um die Nutzung von Artikeln, da weder Quantität noch Qualität leiden, wenn ein und derselbe Artikel von einem weiteren Nutzer gelesen wird.

Hier ist aber zu unterscheiden zwischen den Grenzkosten der Nutzung (zusätzliche Kosten für einen weiteren Nutzer) und den Grenzkosten der Bereitstellung (zusätzliche Kosten für die Ausweitung des insgesamt produzierten Umfangs an Inhalten). Diese Kosten sind nicht vernachlässigbar und führen zu Rivalität im Konsum auf einer vorgelagerten Stufe: da journalistische Kapazität knapp ist, kann nicht über jedes Ereignis gleichermaßen (in erschöpfendem Umfang und gleich hoher Qualität) berichtet werden.

Dem Fußballfan ist es nicht gleichgültig, ob über seinen Lieblingsverein berichtet wird oder nicht, weil die knappe redaktionelle Kapazität gerade auf die journalistische Begleitung einer Leichtathletikveranstaltung konzentriert wurde. Es dürfte ihm auch nicht egal sein, ob der Sportchef selbst zur Feder greift oder die Arbeit einem Praktikanten überlässt. Es besteht mithin ein Auswahlproblem, für das die Kollektivgütertheorie einen bewährten Lösungsvorschlag bereithält: Es werden solange weitere Berichte erstellt, wie die gebündelte Zahlungsbereitschaft aller potenziellen Interessenten an einem weiteren Beitrag ausreicht, um die mit dessen Produktion anfallenden zusätzlichen Kosten zu decken. Im Ergebnis wird dann die knappe Berichterstattungskapazität auf diejenigen Bereiche gelenkt, für die die Nutzer die höchste Wertschätzung aufbringen.

Paid Content: Das Netz bietet interessantere Modelle als viele glauben.

Entscheidend für die ökonomische Beurteilung der Marktverhältnisse im Online-Journalismus ist letztlich die Frage, ob sich die Wertschätzungen der potenziellen Nutzer in effektive Umsätze für die Inhalteanbieter umsetzen lassen. Dafür muss es den Anbietern zumindest potenziell auch möglich sein, Bezahlschranken für Paid Content zu errichten, also Preise für ihre Leistungen zu erheben.

Bislang war in die Zeitung quasi eine stoffliche Zugangsbeschränkung für Leser eingebaut. Im klassischen Rundfunk hingegen waren Decoder-Lösungen zumeist kompliziert. Das Netz bietet nun interessantere und effektivere Bezahl- und Abrechungsmodelle, als viele dies auf den ersten Blick einschätzen mögen.

Im Netz gibt es einen regen Wettbewerb um Bezahlmodelle für Journalismus, von Journalism Online bis Kachingle. Es ist daher davon auszugehen, dass sich hier durchdachte Lösungen etablieren werden. Die eher kurze Lebensdauer von journalistischen Inhalten und ihre Vertrauensguteigenschaften schützen zudem vor massenhaften illegalen Kopien. Es ist zumindest nicht bekannt, dass die Einführung von Bezahlinhalten derzeit vornehmlich daran scheitern würde, dass Online-Journalismus massenhaft durch illegale Kopien untergraben würde.

Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass sich dort, wo herausragende Inhalte mit verträglichen Entgeltmodellen verbunden werden, auch tatsächlich Bezahlschranken durchsetzbar wären – wenn es die Anbieter denn wünschen. Hierzu können auch Freemium-Modelle gehören, bei denen ein Ausschnitt des redaktionellen Angebots frei verfügbar ist, und nur für den höherwertigen Rest bezahlt werden muss. Dieses Prinzip ist nicht neu: in Form von auffällig gestalteten Schlagzeilen, die unentgeltlich von jedem am Kiosk gelesen werden können, versuchen Anbieter seit je her Aufmerksamkeit für ihr Produkt zu erlangen.

Damit haben sich die ökonomischen Kerneigenschaften von journalistischen Inhalten durch Online-Publikation nicht geändert. Im Gegenteil: Die Preismodelle für Journalismus im Internet lassen sich prinzipiell besser an die Erfordernisse eines Klubguts Journalismus anpassen als in der Offline-Welt.

Paywalls können flexibel sein

Gegen Paid Content wird häufig eingewandt, dass „Bezahlhürden“ dem Grundprinzip und den Nutzergewohnheiten im Web widersprächen, nämlich sich ungehindert von Seite zu Seite zu hangeln und alles miteinander vernetzen zu können.

Hierbei ist zunächst zu bedenken, dass es die professionellen journalistischen Beiträgen ohne ausreichende Finanzierungsquelle gar nicht gäbe – zumindest gäbe es ohne ein adäquates Finanzierungsmodell deutlich weniger davon.

Zum anderen unterschätzt diese Sichtweise die Möglichkeiten der neuen Technologien. Es sollte keine technisch unüberwindliche Hürde sein, Abrechnungsverfahren zu entwickeln, die das eine mit dem anderen verbinden. Was für das Anklicken von Werbelinks möglich ist und den einschlägigen Anbietern Milliardenerlöse beschert, sollte grundsätzlich auch für Links zu redaktionellen Inhalten funktionieren. Hierbei sind auch Genossenschaftsmodelle unter den Anbietern (oder Nutzern) denkbar, die mit einem gebündelten Account den Zugang zu einer Vielzahl von Anbietern eröffnen. Auch die gedruckte Zeitung ist ein Bündel von Artikeln. Jetzt müssen neue Bündelstrategien für das Netz entwickelt werden.

Der Irrtum der „Grenzkosten = Preis“-Regel

Auch wird behauptet, die Bepreisung von redaktionellen Webseiten widerspräche grundsätzlich den ökonomischen Fundamentalkräften und könne daher nicht funktionieren. Diese Behauptung wird aus der „Grenzkosten = Preis“-Regel abgeleitet, die insbesondere von Vertretern der „Freeconomics“ mit Nachdruck vertreten wird.

Entscheidend sind hier nicht die Grenzkosten der Verbreitung, sondern – wie gezeigt – die Grenzkosten der Produktion:* Nur wenn es den Anbietern gelingt, die Kosten für einen zusätzlichen Inhalt auch durch entsprechende Einnahmen zu refinanzieren, ist eine volkswirtschaftlich nachhaltige Produktion möglich.

Dass ein weiterer Nutzer den Wert des Angebots für die übrigen Nutzer nicht schmälert, verfängt daher nicht. Mit derselben Logik könnte man sämtliche Pressekioske kurz vor Ladenschluss zur Plünderung freigeben, da der Besitzer ohnehin auf den unverkauften Exemplaren der Tageszeitungen sitzenbliebe und somit keinen Verlust erlitte. Entscheidend ist und bleibt aber, dass auch am nächsten Tag wieder neue Inhalte bereitgestellt werden. Das ist im Internet nicht anders als am traditionellen Kiosk.

Werbefinanzierung allein führt zu erheblichen “allokativen Bedenken”

Haufig wird die Werbefinanzierung als Alternative zu Bezahlinhalten angepriesen. Wenn jedoch die Werbung die Hauptlast der Finanzierung von Online-Journalismus schultern soll, so bestehen, ökonomisch gesprochen, erhebliche “allokative Bedenken”. Wird die Wertschöpfung für einen journalistischen Inhalt aus der Attraktivität für Werbetreibende abgeleitet, drohen erhebliche Verzerrungen hinsichtlich des Einsatzes der knappen journalistischen Ressourcen.

Die Präferenzen von Nutzergruppen, die stärker auf Werbung reagieren, würden dann auch höher gewichtet. Ähnliches gilt für ganze Rubriken von Inhalten (z.B. politische Berichterstattung vs. Produkttests). Eine Harmonie zwischen der Wertschätzung der Nutzer für einen journalistischen Beitrag und den dadurch realisierbaren Werbeeinnahmen dürfte systematisch nicht bestehen.

Quersubventionierungspraktiken schränken prinzipiell die souveräne Entscheidung der Nutzer über die Art der produzierten Inhalte ein. Solange die Werbefinanzierung die dominierende Finanzierungsform für Online-Journalismus ist, droht prinzipiell eine Kluft zwischen Nutzerpräferenzen und den realisierbaren Einnahmen. Paid Content kann diese Lücke zum Teil schließen. Dies ist genau der Grund, warum Bezahlinhalte ökonomisch wünschenswert sind.

Das Problem der Kulturflatrate

Lehnt man hingegen Bezahlschranken grundsätzlich ab (oder hält sie für undurchsetzbar) und steht man auch der Werbequerfinanzierung skeptisch gegenüber, so landet man nahezu zwangsläufig bei einer staatlichen Kulturflatrate (aus dem Club-Kollektivgut wird dann ein Zwangskollektivgut). Diese Lösung ist aber kaum geeignet, dem Prinzip souveräner Konsumentenentscheidungen gerecht zu werden.

Hier entsteht vielmehr das planwirtschaftliche Problem, ein gegebenes Beitrags- oder Steueraufkommen auf die zahlreichen und äußerst heterogenen Inhalteanbieter aufzuteilen. Hierbei drohen entweder unbeherrschbare (weil in ihrer Wirkung nicht abschätzbare) Kennzahlensysteme aus Klickraten und Seitenumfängen (gar mit Auf- und Abschlägen für bestimmte Genres?) oder erhebliche Missbrauchsmöglichkeiten mit entsprechendem Kontrollaufwand. Wettbewerb um die Gunst der Nutzer mutiert dann zur optimalen Anpassung an formale staatliche Vorgaben. Das Ideal der mündigen Mediennutzer bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie ihr Einfluss auf die Höhe des Gesamtbudgets für Kulturleistungen im Internet.

In dem Maße, wie sich bislang getrennte Medienbereiche, insbesondere Rundfunk und Printmedien, über ihre Internetplattformen mehr und mehr überlappen, droht die bestehende Zwangsbeitragsfinanzierung (GEZ-„Gebühren“) für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu einer Kulturflatrate durch die Hintertür zu werden. Zu seiner Entstehungszeit bezog das GEZ-Modell seine ökonomische Legitimation aus der damals begrenzten terrestrischen Übertragungskapazität von Funkwellen zur Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen.

Es ging also um die Bewirtschaftung einer mit damaligen Technologien nicht vermehrbaren knappen Ressource, die die Etablierung von verschiedenen im Wettbewerb stehenden Programmanbietern erheblich einschränkte. Fehlende Bezahlschranken dürften zudem das Trittbrettfahrerproblem verschärft haben. Darüber hinaus warf die monopolähnliche Kontrolle über das wichtigste Massenmedium auch Fragen der Meinungsvielfalt und -beherrschung auf. Diese Begründungen sind allesamt längst durch den technischen Fortschritt überholt worden. Knappe Übertragungskapazitäten gehören der Vergangenheit an. Auch Techniken zum Ausschluss nicht zahlungswilliger Nutzer stehen für den Online-Journalismus potenziell zur Verfügung. Internettechnologien ermöglichen die Verbreitung eines praktisch unbeschränkten Meinungsspektrums.

Das “Selbsterfüllungsszenario” der GEZ-Gebühr

Als Rückzugslinie, die im Zuge der Diskussion um die Kulturflatrate abermals strapaziert wird, taucht verstärkt das Qualitätsargument auf: die Inhalte des öffentlich- rechtlichen Rundfunks seien qualitativ hochwertiger als die der privaten Konkurrenz. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage verkennt diese Sichtweise, dass den privaten Anbietern über eine De-facto-Steuerfinanzierung des öffentlichen Angebots ein erheblicher Anteil am verfügbaren Spektrum abgeschnitten wird. Da GEZ-Gebühren unabhängig von der Nutzung gezahlt werden müssen (obwohl geeignete Decoder-Lösungen längst bereitstünden), konkurrieren private Rundfunkanbieter mit einem Wettbewerber, der sein Gut verschenkt bzw. zwangsfinanziert. Demzufolge bleibt ihnen nur noch die Kernnachfrage – sowohl quantitativ wie qualitativ. Das GEZ-Modell sorgt so für seine eigene Legitimation. Man stelle sich vor, eine Qualitätszeitung wie die FAZ würde verstaatlicht und allmorgendlich ungefragt und unentgeltlich allen Haushalten zugestellt. Vermutlich würde dies die überregionale Konkurrenz nicht überleben. Am Ende könnte man dann feststellen, dass nur der öffentliche Anbieter eine bestimmte Qualität zu produzieren vermag.

Genau dieses Selbsterfüllungsszenario droht mit der zunehmenden Verschmelzung der vormals getrennten Medienbereiche. Hat das GEZ-Modell bislang seine verzerrende Wirkung hauptsächlich auf dem Markt für Hörfunk- und Fernsehprogramme ausgeübt, so droht nun die Übertragung auf einen weit größeren Ausschnitt des Mediensektors. Hier besteht in der Tat Handlungsbedarf, um die staatliche Regulierung den geänderten technologischen Rahmenbedingungen anzupassen. Die GEZ-Finanzierung eines breit angelegten öffentlich-rechtlichen Internetangebotes erschwert die Etablierung kollektivgütertheoretisch sinnvoller Bereitstellungsmodelle für private Anbieter und bedroht daher den Medienwettbewerb im Internet.

Umwälzungen sind kein Grund staatlicher Regulierung

Hinsichtlich der übrigen Herausforderungen, denen sich die etablierten Medienanbieter ausgesetzt sehen, erscheinen zusätzliche staatliche Eingriffe derzeit kaum gerechtfertigt zu sein. Neue Technologien können zwar tradierte Geschäftsmodelle erodieren lassen, deren Bewahrung ist aber per se kein Ziel der Wirtschaftspolitik.

So verliert möglicherweise die Funktion der Auswahl und Zusammenstellung an Nachrichten in dem Maße an Gewicht, wie sich Nutzer das auf ihre Interessen abgestimmte Informationsbündel maschinell zusammenstellen lassen können, indem sie ihr Präferenzprofil entsprechend hinterlegen. Falls es dazu kommt, würde diese filternde Funktion des Journalismus an Bedeutung verlieren – ein gesamtwirtschaftlicher Verlust wäre dies indes nicht, sondern vielmehr ein Produktivitätsgewinn. Journalistische Dienstleistungen würden sich dann stärker auf andere, weniger leicht automatisierbare Dienstleistungen verlagern (Primärrecherche, Kommentierung).

In Hinblick auf das Verhältnis zwischen Inhalteanbieter und -aggregatoren besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Niemand ist derzeit gezwungen, geschützte Inhalte den Suchmaschinenbetreibern gegenüber bedingungslos zu öffnen. Um möglichst zahlreiche Nutzer anzuziehen, liegt Medienanbietern zwar etwas daran, dass ihre Inhalte von Interessenten möglichst leicht gefunden werden können. Dies ist aber z.B. auch dann gewährleistet, wenn der Inhalt zwar für die Suchmaschinen einsehbar ist, für übrige Interessenten aber auf Pay-per-View-Basis oder über Subskriptions-Systeme abgerechnet wird. Entsprechende Vereinbarungen lassen sich zwischen beiden Parteien, die ja ein in dieser Hinsicht gleichgerichtetes Interesse haben, auch ohne staatliche Eingriffe vereinbaren. Erste Anzeichen dafür sind bereits erkennbar, wobei sich insbesondere bei intensiviertem Wettbewerb zwischen den Suchmaschinen Entgeltmodelle entwickeln dürften, die eine stärkere Beteiligung der Inhalteanbieter vorsehen.

Geeignete Abrechnungssysteme zu schaffen ist nun die Aufgabe der Medienunternehmen

Das Internet stellt nicht nur bisherige Publikationsmodelle in Frage, sondern schafft auch neue Bezahl- und Finanzierungsmöglichkeiten für journalistische Inhalte. Man sollte daher die Tragfähigkeit von Beitrags- oder Mikrogebührenmodellen nicht vorschnell als impraktikabel verwerfen und den Status quo vieler Gratisangebote nicht als naturgegeben in die Zukunft fortschreiben. Hierzu trägt auch ein systemischer Aspekt bei: Preismodelle haben es insbesondere dann schwer, wenn sie gegen Konkurrenten mit Gratisangeboten antreten müssen (zumal, wenn diese auf staatliche Finanzierungsmittel zurückgreifen können). Solange private Anbieter ein Gratisangebot aufrechterhalten können, das den Nutzeranforderungen entspricht, wandern Kunden zu diesen ab. Ist das Geschäftsmodell des Gratiskonkurrenten stabil (gibt es also wirksame, nicht allzu verzerrende Quersubventionierungsmöglichkeiten wie ein Freemium-Modell), so kann dieses ja auch von anderen adaptiert werden. Falls nicht, geht der Konkurrent früher oder später unter. Scheiden dann mehr und mehr Gratisanbieter aus, verringern sich die Abwanderungsalternativen und echte Preismodelle finden leichter Akzeptanz.

Darüber hinaus wird ein direktes Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis zwischen Inhalteanbieter und Nutzer dadurch begünstigt, dass die Zeit als einzige Naturkonstante in dieser Gemengelage für den Nutzer mit wachsendem Wohlstand immer kostbarer wird. Je besser also das Inhaltsangebot der Medienproduzenten (relevante, schnell verfügbare und gründlich recherchierte Information ohne aufmerksamkeitszehrende Werbeablenkung) desto höher die Zahlungsbereitschaft und desto geringer die Neigung, die gesuchten Informationen zwar gratis, aber mit höherem Zeitaufwand, zu erlangen. Geeignete Abrechnungssysteme hierfür zu schaffen, ist Aufgabe der Medienproduzenten, nicht des Staates.

Stefan Kooths ist Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dieser Text basiert auf einem Aufsatz für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst, 10/2009, den Kooths für Carta gekürzt und überarbeitet hat.

— Auch lesenswert zu diesem Thema: Stefan Niggemeier: Warum Paid Content-Versuche gut sind

*streng ökonomisch formuliert: Die volkswirtschaftliche Optimalität des Grenzkostenkalküls ist aber – wie gezeigt – im Kollektivgüterfall nicht auf die Grenznutzungskosten, sondern auf die Grenzkosten der Bereitstellungsmenge zu beziehen und der aggregierten Zahlungsbereitschaft aller Nutzer gegenüberzustellen.

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