#Kurt Beck

Causa Brender: Die Politik will nicht von den Öffentlich-Rechtlichen lassen

von , 27.11.09

In einem Punkt waren sich Kurt Beck und Roland Koch auf ihrer Pressekonferenz zum Vertragsende von Nikolaus Brender sehr einig. Beide führten fast wortgleich folgendes Argument an:

Die “demokratisch legitimierten Vertreter” (also: gewählte Parlamentarier und Regierende) seien mindestens so gut geeignet, die Interessen der Allgemeinheit in den öffentlich-rechtlichen Gremien wahrzunehmen, wie die Rerpräsentanten von Verbänden und Institutionen. Erstere seien schließlich durch den Akt der Wahl ganz besonders mandatiert, für die Allgemeinheit auch im öffentlich-rechtlichen System zu sprechen.

Dass es hochproblematisch ist, wenn ausgerechnet die Politik selbst maßgeblich bestimmt, welche Form der Berichterstattung über sie angemessen ist, wollten Beck und Koch nicht gelten lassen. Der Einfluss der Politik auf die öffentlich-rechtlichen Sender scheint für die beiden geradezu systemkonstituierend zu sein. Ohne die Stabilisierung durch die Politik seien die Öffentlich-Rechtlichen nicht glaubhaft allgemeinwohlorientiert, so die implizite Botschaft.

Beck deutete immerhin an, man könne in Zukunft möglicherweise Stellvertreter anstelle der Ministerpräsidenten in den Verwaltungsrat entsenden. Koch hingegen höhnte, ob es einem denn lieber sei, wenn Bischöfe entscheiden, wer in diesem Land berichtet?

Die Auftritte von Roland Koch und Kurt Beck heute im Atrium des ZDF-Zollernhofs machen noch einmal klar: Beim Konflikt um Nikolaus Brender geht es nicht um die Rundfunkfreiheit an sich. Es geht um allein um jene Rundfunkfreiheit, die die Parteien zuzulassen bereit sind. Für Beck ebenso wie für Koch steht außer Frage, dass die Parteien und Regierungen einen deutlichen Einfluss auf die öffentlich-rechtliche Programmgestaltung haben sollten.

Daher ist es nur folgerichtig, dass Roland Koch heute keine Skrupel hatte, das Primat der Parteienmacht über die Vorschläge des ZDF-Intendanten zu demonstrieren. Der Fall Brender ist für Roland Koch kein Unfall, sondern eine logische Konsequenz eines Systems, das seine inhärente Funktion nur erfüllt, wenn es von den Parteien domestiziert wird.

Koch und letztlich auch Beck wissen: Es ist kein Antagonist erkennbar, der den Parteien diese Macht entreißen könnte. Das Verfasungsgericht mag einige kosmetische Änderungen anmahmen. Letztlich aber wird ein Gericht, dessen Mitglieder nicht frei von Parteiproporz besetzt werden, die Macht der Parteien in den öffentlich-rechtlichen Gremien nicht beenden.

Der Tag heute hat noch einmal ganz klar verdeutlicht: Die Großparteien wollen nicht von ihrer Macht beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, insbesondere beim ZDF lassen. Der ungeheuchelte Auftrag des ZDFs lautet, einen Journalismus anzubieten, dessen staatsjournalistische Grundtendenz nicht allzudeutlich werden soll.

Genau deshalb sprechen nach der Sitzung des ZDF-Verwaltungsrates auch nur genau zwei Vertreter: Einer von der CDU und einer von der SPD. Die – zugebenermaßen auch häufig verklärte – “Zivilgesellschaft” saß am Freitag gar nicht mit am Tisch.

Die Zustände beim ZDF sind nicht nur unhaltbar und völlig unzeitgemäß. Sie sind schlecht für die Demokratie in diesem Land. Es bedarf eines Aufstands der Anständigen.

Nachtrag: Beeindruckend klar und eindeutig hat Brender selbst die Konsequenz beschrieben: “Das Ergebnis zeigt, dass das machtpolitische System im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur Selbstheilung nicht in der Lage ist”, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

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