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Florian Cramer: “Enteignet werden nicht die Künstler, sondern die klassische Medienindustrie”

von , 12.10.09

Der Literaturwissenschaftler und Medientheoretiker  Florian Cramer lebt seit gut drei Jahren im akademischen Exil in Rotterdam. Im April dieses Jahres verfasste er zusammen mit Matthias Spielkamp einen Text zum Heidelberger Appell in der Frankfurter Rundschau. Sonst aber hält sich Cramer mit Debattenbeiträgen auf der großen Bühne doch eher zurück und konzentiert sich auf seine Professur an der Willem de Kooning Academie. Das ist schade. Denn auch seine fast zehn Jahre alten Texte sind noch immer treffend und relevant.

Am Rande der Veranstaltung “Enteignung oder Infotopia?” sprach ich mit Cramer über Leistungsschutzrechte, digitalen Projektionismus und den Wandel vom Medium zur Mediensammlung. Ein Gespräch, das zeigt, dass man Cramer nicht in Rotterdamm versauern lassen sollte – seine Stimme wird gebraucht.

Video: Interview mit Florian Cramer (Vimeo/YouTube)

Cramers zentrale Thesen:

  • Wenn sich in Deutschland “Alphablogger” mit Burda & Co. streiten, geht es gleich ums geschichtsphilosophische Ganze und den Untergang des Abendlandes. Holländische Gelassenheit!
  • Wir haben Undergroundproduzenten (z.B. Blogger) auf der einen Seite und die großen Player auf der anderen. Bedroht ist die Mitte dazwischen: die mittleren Tageszeitungen, die kleinen Kulturzeitschriften, die Autoren mit einer tausender Auflage.
  • Paradoxerweise durchleben die schriftbasierten Medien als letztes die Entwicklung, die wir bei der Digitalisierung etwa bei Musik oder Film schon hatten. Enteignet werden nicht die Urheber, sondern die traditionelle Medienindustrie.
  • Die Auseinandersetzung um Google News und das Google Book Settlement trägt kulturkämpferische Züge (Europa vs. Amerika). Die Europäer sind abgehängt und bringen nur kümmerliche Projekte wie die Europeana zustande. Die Forderung nach weiteren Leistungsschutzrechten läuft auf europäischen Protektionismus hinaus.
  • Paid Content kann funktionieren. Dafür müssten sich die Medienhäuser am “angelsächsischen Modell” orientieren. Keine Eitelkeiten – besserer (Nachrichten-)Journalismus.
  • Der Unterschied von Medium und Mediensammlung verschwindet tendenziell: Google Books oder der iPod waren von vornherein als Wissensmenge konzipiert . Beim einzelnen Buch anzusetzen, wie es z.B. die Verleger noch tun, bringt wenig Aussichten.
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