von Peter Ruhenstroth-Bauer, 14.11.16
Das war zum Ende der Woche ein heftiger Schlag ins SPD-Kontor: Süddeutsche Zeitung, Die WELT und Der Spiegel berichteten übereinstimmend, das Frank Stauss, Chef der Werbeagentur BUTTER, Sigmar Gabriel schriftlich mitgeteilt hat, im kommenden Bundestagswahlkampf nicht als Werber für die SPD zur Verfügung zu stehen. Für viele SPD-Insider war das keine gute Nachricht. Stauss hat mit regelmäßigen Kolumnen in seinem Blog oder auch hier auf CARTA mit spitzer Feder kommentiert und dabei oft den Nerv vieler SPD-Mandatsträger oder Mitarbeiter in der Parteizentrale getroffen. Er sprach aus, was viele eigentlich von der SPD-Parteispitze hören wollten. Er machte Mut zum Erfolg, er richtete auf, wenn es nicht so gut lief, er mahnte und er kritisierte, wo Viele kritische Töne hören wollten. Kein Wunder also, das sich viele Sozialdemokraten*innen in den sozialen Medien überschlugen („Wie immer, #Stauss auf den Punkt!“), wenn mal wieder ein „Original-Stauss“ zu vermelden war. Er gab ihnen, die trotz kleinen oder mittleren Wahlerfolgen in den Ländern, trotz Regierungsbeteiligung im Bund, verunsichert und ohne Wahlkampfkompass erschienen, Sicherheit und strategische Einordnung.
„Der Magier“ inszeniert seinen Abschied
Dabei war er – und das wird neidlos anerkannt – auch immer ein sehr guter Werber in eigener Sache. Stauss verstand es geschickt, SPD-Wahlerfolge in den Ländern, sei es von Hannelore Kraft oder Malu Dreyer, maßgeblich seiner Kampagnenarbeit zuzuschreiben. Und selbst den Stimmenverlust von 6,7 Prozent und den am Ende dürftigen Wahlsieg von Michael Müller in Berlin bestand er unbeschadet, weil in der Bewertung nach der Wahl viele nicht die Kampagne sondern den Kandidaten dafür verantwortlich machten. So wundert es auch nicht, dass in der Berichterstattung über seinen Rückzug als SPD-Werber im Bundestagswahlkampf vom „Wahlkampf-Guru“ oder sogar „Magier“ die Rede war.
Dienstleister dringend gesucht!
Es ist extrem gut, wenn ein Werber für eine politische Partei auch ein politisch-strategischer Kopf ist. Doch an erster Stelle ist die Agentur für die jeweilige Partei ein Dienstleister, Werber und Kampagnenmacher. Der Erfolg oder Nichterfolg eines Wahlkampfes wird auch durch die Kampagne, vor allem aber immer noch durch die Personen bestimmt, die sie repräsentieren. Die Agentur gibt Rat, macht Umsetzungsvorschläge und hat im günstigsten Fall genauso viel Wahlkampferfahrung wie die für den Wahlkampf Verantwortlichen in den Parteizentralen. Da kommt mit der Absage von Stauss auch das wirkliche Problem der SPD zu Tage. Sie hat in den vergangenen Wahlkämpfen ja einige Erfahrungen auch mit Agenturen machen können. Aber offen und schonungslos die Situation auf eigene Fehler zu analysieren, ist sicher schwerer, als dies mal eben einfach als Forderung zu formulieren. Konsequenzen aus den Fehlern der Vergangenheit scheint die SPD bis heute nicht gezogen zu haben.
So fragt man sich, wie die Aufstellung zum Bundestagswahlkampf – und deren Vorbereitungen sind noch immer nicht abgeschlossen – letztlich aussehen soll. Dabei geht es nicht um die immer wieder diskutierte Kandidatenfrage, sondern die organisatorische Vorbereitung und Umsetzung in der Wahlkampfzentrale. Spricht man Verantwortliche darauf an, hört man immer wieder, dass die K-Frage noch nicht entschieden sei. Aber Wahlkampf ist zu einem großen Teil Handwerk. Wie das geht, selbst wenn noch kein Kanzlerkandidat gekürt ist, hat der damalige SPD-Bundesgeschäftsführer, Franz Müntefering 1997 vorgemacht. Strukturen aufbauen, Instrumente entwickeln, Kommunikation organisieren, die operative Mannschaft zusammenstellen und mit der Arbeit beginnen. Der Nimbus der „KAMPA 1998“ ist zwar mittlerweile ganz schön in die Jahre gekommen. Aber Franz Müntefering hatte damals – ohne sicher zu wissen, ob SPD-Chef Oskar Lafontaine selbst nochmals zugreift oder der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder Kandidat wird – alles getan, um ein Jahr vor der Wahl mit der handwerklichen Arbeit zu beginnen. Legendär die zwei Wahlkampfdrehbücher – eines für jeden der möglichen Kandidaten. Heute, zehn Monate vor der Wahl, sieht das anders aus. Die SPD steckt immer noch in den Wahlkampfvorbereitungen. Ein Agenturdienstleister, auf den viele gesetzt hatten, steht jetzt nicht mehr zur Verfügung.
Die drei großen „P“: Partei, Person, Programm
Und noch ein Problem der SPD wird jetzt deutlich: Partei, Person (Kandidat*in) und Programm müssen in der Sozialdemokratie eine Einheit bilden. Ein deutliches Profil und damit eine klare Linie vermissen viele, wenn sie die aktuelle Politik der SPD bewerten. Fraktionschef Thomas Oppermann und Parteivize Manuela Schwesig koordinieren das Wahlprogramm, das nach den Diskussionen in Regionalkonferenzen, einem Zukunfts-Kongress und in noch laufenden „Perspektiv-Arbeitsgruppen“ dann im Juni 2017 auf einem Parteitag verabschiedet werden soll. Aber ein klares und eindeutiges Profil der SPD auf dem Weg dahin wird allenthalben vermisst. Das wurde der Öffentlichkeit gerade wieder an der Auseinandersetzung zwischen Barbara Hendricks und Sigmar Gabriel um das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung deutlich demonstriert.
Wieder alles auf Anfang!
Vielleicht ist es auch gar nicht so tragisch, dass sich die SPD jetzt auch in der Frage ihrer Werber nochmal neu sortieren muss. Denn auch inhaltlich ist sie gefordert: die Wahl von Donald Trump als zukünftigen amerikanischen Präsidenten hat auch für die Bundestagswahlkämpfer in Deutschland eine wichtige Konsequenz. Alle Parteien werden nochmals ganz genau hinschauen müssen, analysieren und den eigenen strategischen Ansatz vielleicht ganz neu überdenken. Denn Wahlkampf ist zwar zu großen Teilen Handwerk, aber auch jeweils ein Unikat. Deshalb hat die Absage von Frank Stauss auch eine gute Botschaft für die SPD-Wahlkämpfer: jetzt müssen inhaltliches Profil und operative Aufstellung nochmal grundlegend überdacht werden.
Die Zeit läuft – in zehn Monaten wird gewählt. Einen Schnellschuss durch einsame Entscheidungen in der SPD-Spitze oder ein Fehlgriff in der Agenturwahl, wie in der Vergangenheit auch schon vorgekommen, kann sich die SPD nicht erlauben. Bei der Agentur sind sie jetzt jedenfalls die letzten am Start. Nach der Linken, den Grünen und der FDP hat sich jetzt auch die CDU, so kann man lesen, für die Agentur Jung van Matt aus Hamburg entschieden. Eine starke Hausnummer, die nicht nur mit höchst wirksamer Werbung für einen Münchener Autovermieter aufgefallen ist.
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