#GuttenPlag

Das Netz und der Guttenberg-Rücktritt

von , 2.3.11

Ein paar Zitate aus der Debatte um das Netz und den Guttenberg-Rücktritt (Hervorhebungen Carta):

Schwarmkontrolle brachte Minister zu Fall – Interview mit Grimme Institut-Direktor Uwe Kamann:

Es gibt sicherlich tendenziell eine Öffnung der früheren klassischen Öffentlichkeit, also das waren die etablierten Medien, die klar hierarchisch verantwortet werden, zugunsten einer ganz offenen Öffentlichkeit, wenn man das so sagen darf. Das zeigt sich auch an vielen Stellen in der Welt, weil das Netz einen ganz entscheidenden Vorteil hat, der sich auch zum Nachteil wandeln kann, dass es eigentlich nicht zu kontrollieren ist, dass es über die Grenzen tritt, dass es jederzeit und überall verfügbar ist.

Medien und der Fall Guttenberg: Ohne Internet geht’s nicht mehr – Marcel Weiss auf Neunetz.com

Zwei Erkenntnisse erscheinen mir dabei recht offensichtlich:

  1. Ohne Guttenplag wäre Guttenberg nicht gegangen.
  2. Ohne das Feuerwerk der klassischen Medien von FAZ bis Spiegel wäre Guttenberg nicht gegangen.

Das Interessante ist, dass beides notwendig war um die als unbesiegbar erschienene Phalanx aus BILD und (ehemaligen )Medienlieblingspolitiker zu brechen. Weder allein Punkt eins noch allein Punkt zwei hätten dafür gereicht….

Aktuell können wir den Anfang einer kleinteiligeren Arbeitsteilung im Nachrichtengeschäft beobachten. Auf der einen Seite Akteure, die Informationen auf neuem quantitativen und qualitativen Niveau veröffentlichen (WikiLeaks, Guttenplag) und auf der anderen Seite die klassischen Medien, die auf die Verbreiterrolle dieser Informationen reduziert werden.

Machtpolitikerin Merkel gescheitert – Ines Pohl in der taz

Aber auch zivilgesellschaftlich wurde am Dienstag Geschichte geschrieben. Nun scheint der übers Internet organisierte Protest auch in Deutschland wirkungsmächtig angekommen. Der Zusammenhang zwischen dem Rücktritt und dem konzertierten Protest zehntausender WissenschaftlerInnen gegen den falschen Doktor ist mehr als offensichtlich. Auch der geballten Medienmacht des Springer-Konzerns ist es nicht gelungen, die Protestwellen, die sich im Netz formierten, zu stoppen. In Sekundenschnelle waren nicht nur die Plagiatsvorwürfe in der Welt. Ohne Software-Programme und Internetforen wäre wohl nie so schnell so deutlich geworden und für jedermann einsehbar, wie massiv die Verstöße von zu Guttenberg waren. Das darf Mut machen!

Das Netz gibt keine Ruhe mehr – Interview mit Christoph Bieber in der taz

Christoph Bieber, Politikwissenschaftler vom Gießener Zentrum für Medien und Internet, meint: “Ohne das Netz wäre der Skandal anders verlaufen – und es wäre für den Skandalierten einfacher gewesen, ihn zu überstehen.” Die Uni Bayreuth hätte die Plagiatsvorwürfe hinter verschlossenen Türen überprüft – im “GuttenPlag Wiki” jedoch sei das öffentlich passiert und es habe einen “dauerhaften Zufluss” neuer Informationen gegeben, der die Berichterstattung immer wieder befeuert habe.

Dazu habe auch beigetragen, dass Guttenberg sich im Verlauf der Affäre zunehmend von der breiten Medienöffentlichkeit abschottete und die Bild-Zeitung eine Kampagne zu seinen Gunsten startete, so Bieber. Der Versuch, sich einer Skandal-Berichterstattung zu entziehen, funktioniere in einer vernetzten Öffentlichkeit nicht mehr.

Netz besiegt Minister – von Christian Stöcker:

Karl-Theodor zu Guttenbergs Rücktritt ist ein Sieg des Internets. Ohne die akribische Dokumentation der Plagiate im GuttenPlag Wiki wäre die Debatte versandet. So aber brachte der Minister Deutschlands Wissenschaftselite gegen sich auf – nicht einmal die “Bild”-Zeitung konnte seinen Job retten.

Für viele Kommentatoren stellt der Rücktritt tatsächlich Zäsur dar: Die neue Netzwerköffentlichkeit ist wirkungsmächtig im politischen Diskurs angekommen. Durch das Netz wurden der Skandal anders aufgearbeitet, es wurde anders über ihn geredet und die Rolle der Massenmedien hat sich dabei von Gatekeepern hin zu Selektierern und Verbreitern vorschoben.

Hinweise auf weitere Kommentare sehr gerne in den Kommentaren.

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