#Bundeswehr

Das Ehrenmal der Bundeswehr: Vom Erinnerungs- zum Legitimationsdefizit

von , 7.9.09

Es könnte kaum einen schlechteren Zeitpunkt geben: Während die Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan einen neuen Höhepunkt erlebt, wird morgen (8. September)  in Berlin das Ehrenmal der Bundeswehr eingeweiht. Dieses Projekt hat bereits vielfach die Kritik auf sich gezogen, seit es Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) mit einem Artikel in der Zeit vom 26. Juni 2006 zur Chefsache gemacht hat. Ausgangspunkt ist die Wahrnehmung, dass es in Deutschland ein kommemoratives Defizit gebe:

„Seit Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 sind mehr als 2.600 ihrer Soldaten im Dienst ums Leben gekommen; seit 1990 haben 69 Soldaten ihr Leben im Auslandseinsatz verloren. (…) In Deutschland gedenken Heer, Luftwaffe und Marine ihrer toten Soldaten an den Ehrenmalen der jeweiligen Teilstreitkraft in Koblenz, Fürstenfeldbruck und Laboe. Was indes bis heute fehlt, ist ein zentraler Ort, an dem in würdiger Form aller Toten der Bundeswehr gedacht werden kann.“

So heißt es in einer vom Bundesministerium der Verteidigung im Juni 2007 publizierten Schrift (PDF hier).

Um eine öffentliche Auseinandersetzung über die Prämissen des Projekts zu vermeiden, wurde es als Ressortaufgabe definiert und durchgeführt. Das Parlament und die Öffentlichkeit wurden über die Planung informiert, aber nicht involviert. Auch das Verfahren zur Ermittlung des Gestaltungsentwurfs von Andreas Meck, über dessen Realisierung der Minister dann eigenverantwortlich entschied, wurde denkbar öffentlichkeitsfern konzipiert. Dies gilt ebenso für den festgelegten Standort auf dem Gelände des Bendlerblocks: Die Lage am Berliner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums ermöglicht eine Kontrolle des öffentlichen Zugangs zum Monument und gewährleistet den Schutz vor möglichen antimilitaristischen Manifestationen. Gleichzeitig evozieren die Konnotationen des Standorts einen von den Verantwortlichen erwünschten, aber historisch prekären symbolpolitischen Zusammenhang:

„Das Ehrenmal der Bundeswehr soll sich einfügen in andere Denkmäler und Gedenkstätten, auch in der näheren Umgebung. Hier ist besonders die Gedenkstätte Deutscher Widerstand zu erwähnen, die ebenfalls im Bendlerblock beheimatet ist. Die Bedeutung des militärischen Widerstandes gegen das NS-Regime ist für das Traditionsverständnis der Bundeswehr besonders zu berücksichtigen“

– führte Jung am 6. Juli 2007 in einer von den Oppositionsfraktionen im Bundestag erwirkten Plenardebatte aus (Protokoll als PDF).

Damit zielt die Initiative auf die Integration des Ehrenmals in den Berliner memory district (Karen E. Till). Durch seine zentrale Lage und die räumliche Nähe zum Sitz von Parlament und Regierung fungiert das Ensemble der diversen Denk- und Mahnmale ähnlich wie die Mall in Washington als sichtbarer Ausdruck einer historisch begründeten nationalen Identität. In diesen politischen Raum drängt auch das Ehrenmal mit seiner Widmung „Den Toten unserer Bundeswehr – für Frieden, Recht und Freiheit“.

Im Ergebnis führt der vorgenommene Verzicht auf eine Befassung des Parlaments – unter Berufung auf die Befehls- und Kommandogewalt des Verteidigungsministers – aber dazu, dass selbst diejenigen, die das Projekt prinzipiell befürworten, der konkreten Ausführung ihre Unterstützung versagen. Desweiteren bringt die Führung der Bundeswehr das berechtigte Anliegen einer angemessenen Kommemoration nicht nur mit einem sakralisierenden Gestaltungsentwurf in einen zweifelhaften Zusammenhang.

Gleichzeitig forciert sie mit der Einführung eines Tapferkeitsordens die Renaissance von militärischen Traditionsformen, die bisher als überkommen erachtet wurden. Sie provoziert die Befürchtung, dass die in der Bonner Republik erreichte Zivilisierung des Militärischen nun an ein symbolisches Ende gekommen ist. Aus dieser Perspektive reflektiert das Legitimationsdefizit des Ehrenmals die Legitimationsprobleme aktueller Bundeswehreinsätze im Ausland, die sich aber nicht mit den Mitteln militärischer Symbolik beheben lassen.

Weiterführende Links zum Thema finden sich im Blog von Dr. Erik Meyer.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.