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Zwischen armen Poeten und Lady Gaga: Skizze der aktuellen Urheberrechtsdebatte

von , 24.4.12

“Ein Geschäftsmodell, bei dem diejenigen, die Inhalte produzieren, leer ausgehen, ist kein Geschäftsmodell. Das ist Scheiße.” Deutliche Worte des Musikers und Schriftstellers Sven Regener – und die wohl meistzitierte Äußerung eines Kreativen in der Urheberrechtsdebatte. Schade, dass im nachfolgenden Getöse ein, wenn nicht der Kernsatz seines kompletten Radiointerviews unterging:

“Was ist einer Gesellschaft Kultur wert?“

Mit Verweis auf die tatsächliche Praxis zwischen Kopieren und „Geiz ist geil“ fordern manche Netzaktivisten die komplette Abschaffung des Urheberrechts als nicht mehr zeitgemäßes Fossil. Der Begriff des „geistigen Eigentums“ sei im Digitalzeitalter völlig überholt, allerhöchste Zeit also, das geltende Recht an die Praxis anzupassen. In erster Linie ist damit vor allem eine Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzer gemeint – nicht aber die berechtigten Interessen der Urheber.

Was so noch nicht einmal die politischen Programme mancher Parteien festschreiben, die sich mit der Thematik Urheberrecht befassen und dessen Reform im Sinne von Reduzierung und Einschränkung fordern, wird öffentlich debattiert. Zunehmend lautstark, meist hoch emotional, oft genug kenntnis- und faktenfrei, geprägt von einseitiger Betrachtung von Künstlern und Musikern, fahrlässig pauschalisierend. Deutlich wird dabei in zahlreichen Beiträgen und Kommentaren vor allem eines: Die Geringschätzung kreativer Arbeit aus allen Sparten. Wer als Künstler kommerzielle Interessen verfolgt, mit seiner Arbeit Geld verdient, gilt manchen Kritikern des Urheberrechts nicht mehr als Künstler.

Die Debatte zeigt: Das schwierige Thema Urheberrecht und – inhaltlich davon getrennt – mögliche Reformen des Urhebervertragsrechts sind vor allen juristischen Aspekten eine Frage kultureller Werte und eines Bewusstseins dafür.

Insofern kritisiert der Journalist Malte Welding in seinem FAZ-Beitrag das schräge Kulturbild in den Köpfen völlig zu Recht. Wer Kultur sagt und Künstler meint, denkt zuerst an das Bild des armen Poeten von Carl Spitzweg – und erst dann an schillernde Figuren wie Lady Gaga.

Dabei besteht Kreativschaffen nicht allein aus Künstlern und Musikern, sondern hat viele Facetten und mindestens ebenso viele Abstufungen des kommerziellen Erfolgs. Vom Vorwurf eines „überzogenen Anspruchsdenkens“ ist die Mehrzahl der Urheber dabei in der Praxis weit entfernt: Im Gezerre zwischen Verlags-AGB, Honorardumping und Problemen in der praktischen Umsetzung einer Forderung des geltenden Urheberrechts, nämlich den Vergütungsregeln für hauptberuflich freie JournalistInnen, ist das den Kollegen im DJV zur Genüge bekannt.

Die Honorarumfrage des DJV aus dem Jahr 2008 mag dafür ebenso exemplarisch erwähnt sein wie die Zahlen der Künstlersozialkasse, nach denen das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Versicherten knapp 13.689 Euro beträgt.

Kathrin Passig, Journalistin und Buchautorin, berichtete kürzlich im Tagesspiegel über ihr Jahreseinkommen. 20 – 25000 Euro Verdienst vor Steuer entsprechen einem durchschnittlichen Gehalt in Deutschland und sind im Vergleich mit Musikern, Malern und freien Journalisten eher im oberen Verdienstbereich.

 

Überzogene Ansprüche sehen wahrhaftig anders aus

Zwischen den diffusen Formulierungen unterschiedlicher Parteiprogramme steckt reichlich Sprengstoff. Forderungen nach einer Legalisierung von Filesharing, nach Freigabe von Kopien, Remixes und Mashups gehören ebenso dazu wie drastische Verkürzungen von Schutzfristen. Vage, irgendwie ziemlich verschwurbelte Absichtserklärungen über Pauschalvergütungen wie eine Kulturflatrate, über alternative Lizenzierungsmodelle wie Creative Commons oder deren Honorarvariante Creative Commons Plus lassen die interessanten Fragen nach der Umsetzung und Praxis aller dieser Denkmodelle völlig außen vor.

 

Einige Gedanken zu Eckpunkten der Debatte

Unabhängig von bereits angesprochenen Problemen wie Honorardumping und Verlags-AGB ist es meine ureigene Entscheidung als Urheberin, zu welchen rechtlichen Konditionen ich meine Arbeit vermarkte.

Den dafür notwendigen Spielraum für unterschiedliche Lizenzierungsmodelle von Einzelhonoraren, über zu verhandelnde Buy-Out-Regelungen, Pauschalvergütungen bis zu kostenloser Verbreitung bietet das derzeitige Urheberrechtsgesetz allemal. Die Entscheidungsfreiheit zwischen unterschiedlichen Formen der Vermarktung ist Grundlage der Existenz von Kreativschaffenden aller Sparten: Denn erst eine Kombination aus Einzelhonoraren, z.T. Stundensätzen, Tagespauschalen und Erträgen aus Pauschalvergütungssystemen bildet eine tragfähige Basis dafür.

Insofern kann ein angedachtes Modell einer Kulturflatrate oder Kulturwertmark kein Ersatz für bestehende Varianten der Honorierung kreativer Arbeit sein, sondern sollte sie sinnvoll ergänzen. Davor steht allerdings die Frage nach der Praxistauglichkeit und Umsetzungsweise solcher neuen Denkmodelle, ob Lizenzierung oder Vergütung.

Das System der Creative Commons, das in der Debatte gerade eine große Rolle spielt, hat dabei seine Tücken. Einige Schwachpunkte im Einzelnen: Werden Beiträge aus einzelnen Teilen mit unterschiedlicher CC-Lizenzierung zusammen gestellt, wird die korrekte Anwendung der CC-Modelle kompliziert. In der Zusammenstellung gilt der kleinste gemeinsame Nenner der Lizenzen, unter Umständen widersprechen sich die Teile – oder schließen sich gegenseitig sogar aus. Im Klartext: Ist nur ein Baustein eines Beitrags als „nicht kommerziell“ gekennzeichnet, gilt das komplette Werk aus den Puzzleteilen als „nicht kommerziell“. Viele Kollegen, die mit Creative Commons arbeiten, berichten von Schwierigkeiten in der Praxis, angefangen bei der korrekten Anwendung bis zur unterlassenen Autorennennung.

Auch das Honorarmodell der CCplus klemmt an einem wesentlichen Punkt – seiner freiwilligen Übereinkunft und dem Glauben an die Gutwilligkeit von Nutzern: Kein einziger Befürworter von CCplus konnte mir bislang hinreichend erklären, wie denn das Honorar zum Urheber gelangt – wasserdicht und garantiert.

Bislang fehlt oft auch die Möglichkeit entsprechender Differenzierungen in den Wahrnehmungsverträgen der Verwertungsgesellschaften – wie beispielsweise in den Vertragsregelungen der GEMA. Wer dort qua Vertrag Mitglied ist, hat seine kompletten Nutzungsrechte der GEMA übertragen und kann keine Einzelwerke unter freien Lizenzen wie den Creative Commons veröffentlichen. In den unendlichen Weiten der Nutzungsmöglichkeiten, ob on- oder offline, dürfte das eine Art Parallelgalaxie sein.

Ein Zitat aus einem Kommentar im Netz: „Verwertungsgesellschaften sind mafiöse Anwaltsvereine mit monströsen Strukturen, die Nutzer und Künstler gleichermaßen abzocken“.

Bei genauerem Hinsehen ein merkwürdiger Vorwurf: In den Gremien der VG Wort, der VG Bild-Kunst und deren Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen, die uns als Journalisten unmittelbar betreffen, sind selbstverständlich auch Urheber aller Berufsgruppen vertreten.

 

Mafiöse Strukturen?

Bezogen auf ihre Verwaltungsstrukturen, kosten die mittlerweile 12 Verwertungsgesellschaften in Deutschland im Durchschnitt unter 10% dessen, was sie einnehmen. Der “Rest” der Einnahmen, immerhin bis zu 90 % und damit eine traumhafte Rendite, wird an die Vertragspartner (Urheber/Rechteinhaber) ausgezahlt. Nach festgelegten Verteilungsschlüsseln, entsprechender jährlicher Umsatzmeldung und in variabler Höhe, jährlich durch die Mitgliederversammlungen überprüft und neu festgelegt. Die Zahlungen aus Pauschalvergütungen sind für die meisten Urheber existenziell wichtiger Teil ihres Lebensunterhalts.

 

Abzocke von Urhebern?

Sicherlich kann man die GEMA und ihre komplexen Strukturen kritisch sehen. Sie aber in der Debatte stellvertretend für alle Verwertungsgesellschaften heranzuziehen, deshalb deren Existenzberechtigung in Frage zu stellen und ihre Auflösung zu fordern, ist freundlich formuliert ein grober Irrtum.

 

These „Es geht auch ohne Contentmafia und Verwertungsindustrie“

Ist es möglich, sich als Urheber von bisherigen Marktstrukturen und Vermarktungskonstrukten zu lösen?

Sicherlich gibt es mittlerweile viele Möglichkeiten, im Selbstverlag zu publizieren, eigene Werke zu vermarkten oder sich einfacher als in vordigitaler Zeit um Öffentlichkeit und eigenes Marketing zu bemühen. Plattformen wie Vocer und Carta, Online-Angebote wie das Autorenmagazin Magda oder Was mit Medien zeigen erfolgreich und stellvertretend für viele, dass zumindest eine inhaltliche Lösung der Urheber aus bisherigen Konstrukten möglich ist. Ihr Einkommen erzielen allerdings alle genannten Plattformen nicht im Netz, sondern auf den recht klassischen Vermarktungswegen.

Viele Gesprächen mit Kreativschaffenden, mit Kollegen, persönliche Erfahrungen aus der aktiven DJV-Arbeit und der Freien-Beratung belegen darüber hinaus: Oft genug sind Kreative mit ihrer Selbstvermarktung überfordert. Selbstorganisation muss man lernen und beherrschen, zum gekonnten Selbstmarketing ist nicht jeder geboren, der erforderliche Zeitaufwand dafür wie beispielsweise auch Vorfinanzierung mitunter beträchtlicher Produktionskosten – all das sind wesentliche Dinge, die oft gerade NICHT im „Do it yourself“-Verfahren funktionieren. Deshalb ist für viele Kreative die in der Debatte vorgeschlagene „Emanzipation“ und der selbstbewusste Verzicht auf hergebrachte Strukturen nicht ohne weiteres möglich.

Was die finanzielle Seite angeht, sind Pauschalvergütungen bislang ein schwieriges Feld: Bei Streamingdiensten wie Spotify oder Simfy wird zwar klar, welcher Grundgedanke hinter solchen Flatrates – auch einer Kulturflatrate – eigentlich steckt. Natürlich werden mit diesen Micropaymentsystemen Einnahmen erzielt. Sie liegen allerdings meist im Microcent-Bereich (0,001 Cent pro Klick beispielsweise bei Spotify) und summieren sich erst dann zu nennenswerten Beträgen, wenn entsprechende Zugriffszahlen zustande kommen. Nach meinen eigenen Erfahrungen mit flattr und Kachingle habe ich dieses Experiment wieder beendet: In einem kompletten Geschäftsjahr kamen dabei gerade einmal 7,56 € zusammen – noch nicht einmal die monatlichen Kosten für einen vernünftigen Provider der eigenen Web-Infrastruktur.

Verteilungsschlüssel dieser Pauschalvergütungssysteme sind Fehlanzeige, Verteilungsgerechtigkeit sieht anders aus: Massentaugliche Produkte profitieren, Nischenprodukte sind fast chancenlos – und wer aus niedrigen Klickzahlen und Erlösen die ausschließliche Schlussfolgerung ableitet, dass dann die Inhalte nichts taugen und ihre Urheber besser arbeiten gehen sollten, ist leider komplett auf dem Holzweg.

Inmitten des Getöses sind mir bislang wenige wirklich schlaue Ideen und Vorschläge zu Neuregelungen begegnet. Dabei gibt es durchaus manchen sinnvollen Ansatz.

Die Verwertungsgesellschaften spielen dabei eine interessante Rolle: Unter den Aspekten Creative Commons, Rechte-Klärung oder Kulturflatrate. Ihre vorhandenen Strukturen sind ausbaufähig, das zeigt das Beispiel der VG Bild-Kunst, die je nach Wahrnehmungsvertrag bereits heute schon als Rechteclearingstelle und Inkassobüro in einem funktioniert, siehe Künstlervertretung und -werke in deren Datenbestand.Wer ein Bild von beispielsweise Marc Chagall veröffentlichen möchte, kann mit der VG Bild-Kunst alle erforderlichen Rahmenbedingungen bis zum Honorar und dessen Zahlungsmodalitäten klären.

Auch was neu zu schaffende Pauschalvergütungssysteme betrifft, sind die bestehenden 12 Verwertungsgesellschaften interessant: Denn ein Teilaspekt einer möglichen Kulturflatrate ist die Notwendigkeit eines Infrastruktur zu deren Verwaltung und Verteilung. Dafür sind viele Antworten nötig, wo bislang nur Fragen sind. Wer bestimmt beispielsweise über die Definition von “Schöpfungshöhe”, ab der ein Werk überhaupt erst den Anspruch auf einen urheberrechtlichen Schutz hat? Woraus ergibt sich die Berechtigung, aus einer Kulturabgabe Einnahmen zu beziehen? Woraus deren Höhe? Auch Möglichkeiten zur Autorenermittlung verwaister Werke, zur Rechteklärung, eine Schaffung von Kriterien für Verteilungsschlüssel der Einnahmen aus einer pauschalen Kulturflatrate sind bislang nicht näher diskutiert, geschweige denn definiert. DJV-Justitiar Benno Pöppelmann und Karl Nikolaus Peifer, Urheberrechtsexperte von der Universität Köln, haben diese Frage im Roundtable-Gespräch Urheberrecht im Magazin journalist bereits formuliert: Wozu neu schaffen, was bereits in Varianten existiert und worauf man sinnvoll aufbauen kann?

Ein kleiner Exkurs: Mögen Sie sich für einen kurzen Moment vorstellen, welche ungeheuren Dimensionen eine solche, neu zu schaffende Behörde hätte? Vom Zeitaufwand zum Aufbau dieser Verwaltungsstruktur ganz zu schweigen, bewegt sich die zu erfassende, zusammengeführte, zu kontrollierende und kontrollierbare Datenmenge mitsamt dem Behördenkonstrukt jenseits der schlimmsten Visionen von Vorratsdatenspeicherung und Datenkraken.

Wer Urheberrecht sagt, differenziert nicht. Nämlich nicht zwischen eigentlichem Urheberrecht – und Urhebervertragsrecht.

Ersteres sollte aufgrund des wesentlichen Aspekts der Verfügungs- und Vermarktungsgewalt von Urhebern bestehen bleiben. Das schließt deren Wahlfreiheit für Vermarktungswege und Lizenzierungsmodelle mit ein. Das Urhebervertragsrecht allerdings, das den Umgang mit Nutzungsrechten regelt, braucht in einigen Punkten Reformen und Ergänzungen.

Denkbar wären aus meiner Perspektive als Urheberin beispielsweise eine Einschränkung von Total-Buy-Out-Klauseln; ebenso ein Verzicht auf „unbekannte Nutzungsarten“ zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wie für unhonorierte Mehrfachverwertungen im Rahmen umfänglicher Rechteabtretungen. (Bereits jetzt sind das im übrigen gerichtlich bestätigte Kernpunkte der erfolgreichen DJV-Verbandsklagen gegen entsprechende Verlags-AGB.)

Eine zeitliche Verkürzung von Rechteabtretungen an Nutzer zugunsten der Werkautoren gehört ebenso dazu wie erweiterte Vertretungsbefugnisse für Berufsverbände, z.b. im Hinblick auf Verbandsklagen: Denn dass die Umsetzung der Vergütungsregeln in der Praxis ein schwieriges Geschäft ist, im Sinne des Urhebervertragsrechts „angemessene Honorare“ für jegliche Nutzung eher Utopie denn flächendeckende Praxis sind, das zeigen die Erfahrungen des DJV und der vom DJV vertretenen und beratenen freier JournalistInnen im beruflichen Alltag.

 

Einige Gedanken zum Schluss:

Um seine Position als Urheber in der Öffentlichkeit zu vertreten, muss man kein Jurist sein. Zwischen Verlags-AGB, Honorardumping und Verträgen, kurz: der alltäglichen Arbeitspraxis findet sich ein breites Spektrum für praxisnahe Wortäußerungen. Im Gespräch mit anderen Kreativschaffenden und deren Verbänden hat sich in den letzten Monate der Debatte herausgestellt, dass zwar viele Verbandsvertreter an der Diskussion teilnehmen. Diejenigen, deren Interessen auf dem Spiel stehen, waren bisher eher schweigsam. Erst in den letzten Tagen haben Kollegen wie Kathrin Passig im Tagesspiegel oder Malte Welding in der FAZ ihren Befürchtungen Ausdruck verliehen. Als DJV-Mitglied wünsche ich mir ebenso wie als Gremienaktive, dass mehr Kollegen ihre Meinung vertreten, ob in der analogen oder digitalen Öffentlichkeit – und damit zu einer kenntnisreichen, praxisnahen Debatte beitragen, die Lösungen ermöglicht anstelle in Scharmützeln stecken zu bleiben.

Extrempositionen zwischen „Alles soll so bleiben wie es ist“ und „Komplett abschaffen“ helfen uns dabei ebenso wenig weiter wie Daueraufgeregtheit und Getöse. Ich fand es in den letzten Monaten weitaus interessanter, mich mit den Kontrahenten der Debatte auf persönliche Gespräche einzulassen. Ob sie bekannt sind wie Markus Beckedahl, Christoph Keese oder Enno Lenze von den Piraten – oder eher unbekanntere Kreative sind, ist für mich dabei von nachrangiger Bedeutung. Was zählt, ist der Dialog, so anstrengend und zeitaufwändig das bisweilen sein mag. Sich in die öffentliche Debatte um das Urheberrecht zu begeben, ob mit eigenen Beiträgen oder Kommentaren, braucht Faktenkenntnis – und gute Nerven ebenso, um sich in der zum Teil äußerst emotional und aggressiv geführten Diskussion zu behaupten.

Die aus öffentlicher Debatte und zahlreichen persönlichen Gesprächen gewonnenen Erkenntnisse waren und sind für mich so erhellend wie unbequem: Weil nicht die Interessen aller Protagonisten unterschiedlich sind. Man könnte sie stark verkürzt mit „möglichst günstig einkaufen“, „Geld verdienen“ und „Rechtssicherheit“ umschreiben. Ausschließlich die Perspektive auf diese Interessen unterscheidet sich erheblich; zu welchen Problemen in der Differenzierung das führen kann, zeigt mir die Schilderung der Probleme eines kleinen Verlags: Ein schmales Segment der Tätigkeit, wenige Autoren und Nischenprodukte, dazu die aktuellen Entwicklungen und umwälzenden Veränderungen der Branche. Dieser Verlag, der mit großen Medienkonzernen genau die gleichen Differenzen hat wie Einzelurheber, ist in diesen Turbulenzen den Einzelurhebern sehr viel ähnlicher und näher, als es auf den ersten Blick scheint. In der Bilanz haben viele dieser Gespräche für mich dazu beigetragen, mit so manchem Feindbild gründlich zu kollidieren – und es an der ein oder anderen Ecke auch zu relativieren.

Die hiesige Debatte um das Urheberrecht ist darüber hinaus beileibe kein national eingrenzbares oder ausschließlich europäisches Thema. Manche Knackpunkte des deutschen Urheberrechtsgesetzes sind nicht ohne weiteres reformierbar oder anpassungsfähig, sondern nur auf europäischer Rechtsebene. Die komplette hiesige Debatte ist ein eher kleiner Teilbereich eines globalen, komplexen Geflechts aus gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Interessenkonflikten. In diesem globalen Mechanismus sind einfache Lösungen wohl leider Utopie. Und in einer umfassenden Umwälzung, die es so seit Erfindung des Buchdrucks wohl nicht mehr gegeben hat, sind sämtliche Protagonisten auf dem Weg zu möglichen Lösungen einander näher und sich über alle Gegensätze und Widersprüche hinaus stärker gegenseitig verpflichtet, als es den Anschein hat.

Christoph Kappes hat diese schwierige Erkenntnis in seiner kürzlich veröffentlichten, exzellenten Zusammenfassung einer Netzdebatte das „Panta Rhei der Digitalisierung“ genannt.

Crosspost

Weiterführende Links zum Beitrag

Eine Zusammenstellung relevanter Texte und Links zu Beiträgen der Debatte finden Sie auf meiner Website; sie wird zeitnah aktualisiert, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit:

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