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Zeitungskrise: Was Europa von den USA unterscheidet

von , 6.8.09

Die Hiobsbotschaften vom Niedergang großer US-Tageszeitungen häufen sich. Sie werfen eine entscheidende Frage auf: Welche der amerikanischen Trends werden uns auch in Europa heimsuchen, und was wird hier absehbar anders laufen? Die technologischen Innovationen, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben, sind im Prinzip dieselben – aber es gibt eben auch kulturelle Unterschiede im Umgang mit ihnen. Vermutlich wird sich beispielsweise im deutschsprachigen Raum nicht im gleichen Maße eine Kultur der Blogger und citizen journalists entwickeln wie in den USA. Otto Normalbürger ist im alten Europa einfach weniger mitteilungsbedürftig als Joe Sixpack. Es gibt bei uns auch nicht in vergleichbarer Intensität Misstrauen, wie es in der jungen, webaffinen Generation den amerikanischen mainstream media entgegenschlägt.

Mit etwas Glück werden hierzulande Verlage nicht in gleichem Ausmaß zum Spielball von Hedge-Fonds, Private-Equity-Investoren und Spekulanten werden, wie das in Amerika der Fall war. Der Fehler, alles gratis ins Netz zu stellen, was man gedruckt noch verkaufen wollte, wurde ebenfalls nicht so flächendeckend begangen wie in den USA. Also sollte die „Rolle rückwärts“ zu bezahlten Onlineangeboten auch leichter vollführbar sein, wenn sich Journalismus weder durch Werbung, noch durch zahlende Abonnenten gedruckter Medienprodukte mehr querfinanzieren lässt.

Last, not least haben die Zeitungen im deutschen Sprachraum noch nicht im gleichen Maße an Qualität eingebüßt. Der beklagenswerte Zustand in den USA ist allerdings bereits die Folge radikaler Kürzungen; viele US-Zeitungshäuser haben sich in atemberaubendem Tempo selbst zerstört. Es ist kaum zehn beziehungsweise 15 Jahre her, da konnten Medienforscher an vielen Beispielen zeigen, wie innovativ amerikanische Tageszeitungen damals waren.

In Revolutionen, so der US-Medienexperte Clay Shirky, zerbreche das Alte oftmals schneller, als das Neue sichtbar werde. Der Qualitätsjournalismus wird fraglos den Niedergang der gedruckten Zeitung überleben. Vermutlich werden wir allerdings die Basislektion jedweder Ökonomie neu lernen müssen: „There’s no such thing as a free lunch“. Anspruchsvolle geistige Nahrung wird es auch im Internet auf die Dauer wohl nur geben, wenn wir dafür bezahlen.

Stephan Ruß-Mohl schreibt diese Kolumne für die österreichischen Wochenzeitung Die Furche. Sie erscheint in einer speziellen Version mit freundlicher Genehmigung des Autors auch auf Carta

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