#Datenschutz

Zeig mir deine Freunde

von , 16.2.12

Früher gab es einige Leute, die schrieben ein Tagebuch – das war das Allerheiligste. Unbefugtes Schnüffeln wurde mindestens mit dem Entzug der Freundschaft auf Lebenszeit bestraft. Gleich nach dem Tagebuch kamen diese kleinen Adressbüchlein, die hatte jeder und sie waren nicht minder schutzwürdig.

Meist waren sie durch den häufigen Gebrauch stark abgegriffen. Durch das häufige Ändern von Adressen und Telefonnummern war manches unlesbar. Diese Adressspeicher waren quasi lebende Gebilde und zeigten die Statusänderungen in unseren Beziehungen schon damals. Hier war eine Nummer überschrieben, dort eine durchgestrichen. Ein Verlust war eine glatte Katastrophe.

Kaum vorstellbar, dass jemand einem fremden Dritten so mir nichts dir nichts sein kleines Ringbuch oder Moleskin-Heft zum kompletten Abschreiben überlassen hätte. Wenn überhaupt, durften nur Freunde einzelne Adressen erfragen. Man bekam sie nur nach reiflicher Überlegung, manchmal nur nach Rückfrage bei demjenigen, um dessen Adresse oder Telefonnummer es ging. “Ich weiß nicht, ob ich dir die Nummer geben darf”, hieß es dann, „ich muss erst fragen“.

Aus und vorbei: Der Umgang mit den persönlichen Kontakten hat sich innerhalb kurzer Zeit radikal gewandelt. Mit dem falschen Versprechen, bei Herausgabe seiner Daten noch mehr Freunde zu finden, entlocken uns die Anbieter von sozialen Netzwerken und Programmierer von Apps das komplette Verzeichnis unserer Freunde.

Gefragt – und wie sich jetzt herausstellt – manchmal auch ungefragt, laden Anbieter wie Path oder Foursquare die ganze Liste auf ihre Server. An Dreistigkeit ist das kaum zu überbieten: Es wäre so, als würde jemand eines anderen Adressbüchlein heimlich aus dem Mantel nehmen, abschreiben und unbemerkt wieder hineinstecken.

Es hat sich eine merkwürdige Kultur im Umgang mit Freundeslisten herausgebildet: Begleitet vom Zuckerbergschen Mantra, dass es nicht genug Vernetzung unter den Menschen geben könne: „Mark hat die Vision, von einer Welt wo es uns besser geht. Wo wir uns alle miteinander vernetzten“, umschreibt Sherly Sandberg, Facebook-Geschäftsführerin in der ARD-Facebook-Doku (bei 12:26 min) mit gespielter Empathie die Mission ihres Chef. „Mein Leben wird besser, wenn ich mich dafür interessiere, was du tust.“

Das Ergebnis ist mindestens ein Vertrauensbruch unter Vorspiegelung falscher Tatschen. Klar ist, dass unsere Adressen das einzige Kapital dieser Unternehmen sind. Am Wert unserer privaten Adressbestände hat sich also nichts geändert. Sie sind und bleiben mit die wertvollsten Datensätze in unserem Leben. Und gerade weil das so ist, wollen sie die ach so sozialen Betreiber von sozialen Plattformen auch unbedingt haben.

Der Trick dabei: Sie werden im Handumdrehen zu einer Art öffentlichem Gut erklärt, welches man doch bitte aus freien Stücken hergeben sollte, um noch mehr davon zu bekommen. Ein Trugschluss. Nach allem, was die Forschung weiß, lassen sich Beziehungsnetzwerke nicht bis ins Unendliche ausdehnen. Der digitalisierte Inhalt eines Adressbüchleins reicht noch heute in den meisten Fällen für eine erfülltes soziale Leben aus. Wir sollten endlich mal anfangen, uns des Wertes der eigenen Kontakte und der Notwendigkeit des sorgsamen Umgangs damit bewusst zu werden. Womit keiner der genannten Anbieter verteufelt werden soll. Doch der Anspruch, unser Beziehungsnetzwerk für uns managen zu wollen, geht mir zu weit. Wir haben denen unsere Adressen anvertraut und sie sollten sorgsamer damit umgehen.

Immerhin hat Apple jetzt reagiert: Der Zugriff auf die Kontakte soll nur noch nach ausdrücklicher Genehmigung des Nutzers möglich sein. Apps, die dagegen verstoßen, sollen in Zukunft nicht mehr geduldet werden.

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