von Matthias Holland-Letz, 21.12.16
„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ – „Wer zahlt, bestimmt die Musik!“ Der Volksmund kennt viele dieser Weisheiten. Sie gelten auch für Journalismus. Was also ist davon zu halten, wenn Stiftungen, die von Unternehmen oder Milliardären errichtet wurden, eine immer größere Rolle bei der Finanzierung von Recherchen spielen? Beispiel 1: Zum „Expertenkreis Stiftungen & Qualitätsjournalismus“, der im Oktober 2016 gegründet wurde, gehören auch die Robert-Bosch-Stiftung, die Vodafone-Stiftung oder der arbeitgeberfinanzierte Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Doch wer als Journalist direkt oder indirekt Geld von der Bosch-Stiftung bekommt – wie unabhängig könnte er oder sie der Frage nachgehen, welche Rolle der (mit der Bosch-Stiftung verbundene) Automobil-Zulieferer Bosch im US-Abgas-Skandal von Volkswagen gespielt hat?
Beispiel 2: „Wie Stiftungen Journalismus fördern können“ heißt eine Broschüre, die der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Anfang Dezember 2016 gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen veröffentlichte. Das verschafft dem Stiftungs-Bundesverband die Gelegenheit, sich als quasi natürlicher Partner von Journalistinnen und Journalisten zu präsentieren. Ich finde, der DJV sollte besser dazu anregen, die Lobby-Arbeit des Bundesverbandes zugunsten immer neuer stiftungsfreundlicher Gesetze zu untersuchen. Ihm mit ist zu verdanken, dass der Gesetzgeber die steuerliche Förderung von Stiftungen seit dem Jahr 2000 enorm ausgebaut hat.
Beispiel 3: Auch die Journalisten-Organisation Netzwerk Recherche (NR) – der ich seit zehn Jahren als Mitglied angehöre – fördert den „Non-Profit-Journalismus“ und kooperiert mit Stiftungen. Dazu gehören, soweit ich das überblicke, derzeit keine unternehmensnahen Stiftungen. Belegt ist allerdings, dass NR um das Jahr 2004 eng mit der Bertelsmann-Stiftung kooperierte. In der taz äußerte ich damals Zweifel, dass der damalige NR-Vorsitzende Thomas Leif, ein Experte für Lobbyismus, noch unabhängig genug sei, den politischen Einfluss der Bertelsmann-Stiftung zu kritisieren. Was selbstverständlich auf Widerspruch stieß.
Und dann gibt es noch Correctiv, Deutschlands erstes Recherchebüro für gemeinnützigen Journalismus. Ein höchst erfolgreiches Projekt – was die Kolleginnen und Kollegen über den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine herausgefunden haben, wurde international von Medien aufgegriffen. Jüngster Coup: Correctiv berichtet über das Rüstungsunternehmen Ferrostaal und dessen „fragwürdige Zahlungen an Berater in Brasilien“. Andere Enthüllungen drehen sich um die AfD, die Mafia, TTIP oder die Pharma-Industrie. Hut ab! Gut, dass es Correctiv gibt. Doch auch dieses Projekt ist aus meiner Sicht keine Blaupause dafür, wie die Zukunft der Journalistenfinanzierung auszusehen hat. Denn hinter Correctiv steht die Essener Brost-Stiftung der verstorbenen Verlegerin Anneliese Brost (WAZ-Konzern, heute Funke-Mediengruppe). Kritische Veröffentlichungen über die Lobby-Arbeit des Initiativkreises Ruhr (wo neben Ruhrgebietskonzernen die Brost-Stiftung Mitglied ist) sind von Correctiv deshalb kaum zu erwarten. Auch nicht über Ex-Kanzleramtsminister Bodo Hombach, der im Vorstand der Brost-Stiftung sitzt. Ich kann mir außerdem nur mit großer Mühe vorstellen, dass Correctiv-Journalisten eine Recherche starten, um herauszufinden, wie hoch das Gesamtvermögen der inzwischen 21.000 deutschen Stiftungen ist. Sind es wirklich 100 Milliarden Euro, wie der Bundesverband Deutscher Stiftungen seit Jahren behauptet – oder liegt der tatsächliche Wert weit darüber?
Auch international spielen Stiftungen eine gewichtige Rolle, wenn es um investigative Recherchen geht. Nehmen wir die Stiftungen des US-Milliardärs und Spekulanten George Soros (Open Society Foundations) sowie die Ford Foundation und die David and Lucile Packard Foundation, alles schwerreiche US-Großstiftungen. Diese drei zählen zu der Förderern des „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ). Dem ICIJ gehören inzwischen 190 Journalisten in mehr als 65 Ländern an, darunter deutsche Spitzenjournalisten wie Georg Mascolo, Chef des Recherchenetzwerks von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung. Ob „Luxemburg Leaks“, „Swiss Leaks“ oder „Panama Leaks“, ohne das ICIJ wäre es kaum gelungen, die gewaltigen Datenmengen über Steuerhinterziehung und deren Nutzniesser zu bearbeiten und daraus zu publizieren.
Also gebührt den US-Finanziers unser Dank? Durchaus. Doch ich möchte etwas Wasser in den Wein gießen. Denn die großen US-Stiftungen, obwohl als gemeinnützig anerkannt, dienen auch politischen Interessen. Der Berliner Stiftungsforscher Rupert Graf Strachwitz, linker Umtriebe unverdächtig, berichtet: US-Stiftungen spielten während des Kalten Krieges international eine gewichtige Rolle im Kampf gegen den Kommunismus. So wurden laut Strachwitz in den 1950er Jahren westdeutsche Projekte von der Ford Foundation gefördert, „die dabei in hohem Maße mit der amerikanischen Regierung und insbesondere mit der CIA zusammenarbeitete.“[1] Die CIA habe damals das Ziel verfolgt, „durch gezielte Beeinflussung gemäßigt linker Kreise in Europa diese darin zu beeinflussen, Gegner des Kommunismus zu werden“, erklärt Strachwitz. Etwa durch den „Kongress für kulturelle Freiheit“, der 1950 in Westberlin stattfand – „ganz und gar von der CIA gesteuert“. „Neben der Ford Foundation, der Rockefeller Foundation und der Carnegie Corporation benutzte die CIA über 170 kleinere Stiftungen (…), um ihre Zahlungsströme zuleiten“, schreibt der Politikwissenschaftler Strachwitz.[2]
Kalter Krieg, lange her? Professor Frank Adloff, Stiftungsforscher an der Universität Hamburg und ebenfalls nicht als Anhänger von Verschwörungstheorien bekannt, erklärt: Die Stiftung des US-Milliardärs und Spekulanten George Soros begann nach dem Untergang der Sowjetunion, Demokratieprojekte in Osteuropa zu fördern. „Das amerikanische Demokratieverständnis wird exportiert“, unterstreicht Adloff. US-Stiftungen wie die Soros-Stiftung, die Ford Foundation oder die Kellogg-Foundation unterstützten etwa „Bürgerstiftungen“ in osteuropäische Staaten.[3] Heute macht George Soros kein Hehl daraus, dass er die Ukraine ins westliche Lager holen will. „Die Ukraine verteidigt die EU gegenüber einer russischen Aggression“, sagte er im Jahr 2015 der österreichischen Zeitung Der Standard. Um dieses Ziel zu erreichen, engagiert sich Soros in der Ukraine auf zweierlei Weise: Als Investor, der in einer wirtschaftlich erstarkten Ukraine Profit machen will. Und als Stifter, der unter anderem Projekte gegen Korruption fördert. Viele Stiftungsprojekte von Soros genießen zwar einen untadeligen Ruf. Doch es tut not zu berichten, wie Soros private Geschäftsinteressen, politische Vorlieben und seine Stiftungsarbeit vermengt. Ebenso verdient Aufklärung, was andere milliardenschweren US-Stiftungen treiben, auch und gerade im Ausland. Ist es denkbar, dass derlei Recherchen das stiftungsfinanzierte ICIJ unterstützt? Ich habe Zweifel.
[1] Rupert Graf Strachwitz, Stiftungen nach der Stunde Null, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für HIstorische Sozialwissenschaft, 33 (Jahrgang 2007), Heft 1, Seite 115.
[2] Strachwitz verweist auf: Frances Stonor Saunders, Who Paid the Piper? The CIA and the Cultural Cold War, London 1999, Seite 134.
[3] Frank Adloff, Philanthropisches Handeln, Seite 349.
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