#Bundeswehr

Was für eine Heuchelei: Wenn Köhler geht, muss auch Westerwelle zurücktreten. Beide sagten das Gleiche.

von , 1.6.10

Was für eine unglaubliche Heuchelei. Was für eine beispiellose Oberflächlichkeit in den Medien, in der Berichterstattung und der Analyse des Rücktritts von Horst Köhler von seinem Amt als Bundespräsident.

Jeder, der sich auch nur eine Minute Zeit nimmt, findet auf Anhieb heraus, dass es natürlich zu den von Politik und Militär klar beschriebenen Aufgaben der Bundeswehr und der Nato gehört, Handelswege und unsere westliche Idee einer globalen (Wirtschafts-)Ordnung zu sichern.

Sogar unser jetziger Außenminister Guido Westerwelle betonte diesen Umstand in seiner Rede bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor gut einem Jahr in Berlin geradezu (Download als PDF):

“Wenn Länder wie das Afghanistan der 90er Jahre zur Heimstätte international agierender Terroristen werden, dann ergeben sich hieraus Risiken für unsere Sicherheit. Afghanistan ist nicht zuerst ein altruistischer Einsatz. Die Bundeswehr in Afghanistan schützt auch nationale Interessen und Werte.

Wenn Handelswege nicht mehr sicher sind, dann hat das spürbare Auswirkungen auf unsere Exportwirtschaft. Und wenn regional massive Eingriffe in das Ökosystem erfolgen, dann haben möglicherweise noch Generationen nach uns mit heute noch nicht absehbaren Folgen zu kämpfen.”

und an anderer Stelle:

“…hohe öffentliche Aufmerksamkeit erfährt Außenpolitik immer dann, wenn sie zur Krisenpolitik wird – wenn die Bundeswehr eingesetzt werden muss, wie in Afghanistan, wenn Konflikte aufbrechen, wie im Nahen Osten, wenn Rohstofflieferungen gestört werden”

Und es gibt viele weitere Belege für diese Haltung in den Einsatzgrundsätzen und Ausbildungsunterlagen der Nato und der Bundeswehr, Weißbüchern, in klugen Aufsätzen und Reden usw.

Jeder Politiker im Bereich Verteidigung weiß das und jeder Journalist, der ernsthaft über das Thema berichtet, sollte es wissen. Und die Soldaten wissen es erst recht. Warum sagt das jetzt keiner? Wo ist beispielsweise der smarte und eloquente Herr zu Guttenberg, der ihn verteidigt oder eben Herr Westerwelle? Bei beiden herrscht Funkstille und Westerwelle zeigt sich gar noch erschüttert und betroffen.

Nun soll sich ausgerechnet Köhler verplappert haben, weil er das gesagt hat, was alle wissen und alle denken. Weil er die Position unseres Außenministers mit anderen Worten formuliert hat? Er soll zurückgetreten sein, weil er ausgesprochen hat, was gängige Politik ist? Und Blogger – wahlweise Radiohörer – sollen durch ihre Kritik den Bundespräsidenten zum Rücktritt gedrängt haben? Entschuldigung, aber nun wird es langsam absurd.

Man hätte ihm einfach nur zuhören müssen. Er ist zurückgetreten, weil er genau diese Heuchelei und Oberflächlichkeit nicht mehr ertragen konnte. Und nach den Politikerstatements und der Berichterstattung von gestern und heute muss er sich in seinem Entschluss nur noch bestätigt fühlen.

Crosspost von julius01.

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