von Markus Beckedahl, 25.11.09
1. Verglichen mit den meisten Wirtschaftszweigen geht es den Medienhäusern in der sog. Wirtschaftskrise gut – nicht zuletzt Springer, die besonders laut tönen – 13 Prozent Rendite laut 3. Quartalsbericht sind kein Grund zum Weinen. Auf diesem Niveau zu jammern, ist eher unverschämt.
2. Es gibt für Internetnutzer keinen Grund, eine Zeitung zu kaufen, die zu zwei Dritteln ungelesen im Müll landet. Das Internet befördert Selektion, wie auch schon die Musikindustrie erfahren musste. Das muss man als Gesamtwerkproduzent nicht hübsch finden, aber akzeptieren – und sich überlegen, wie man die Leser für weitere Inhalte bei sich begeistern kann.
3. Die Entwicklung kommt nicht überraschend. Dass die Verleger bis heute kein Modell gefunden haben, wie sich ihre Veröffentlichungen (ich spreche bewusst nicht von Journalismus, das ist ein Großteil ihrer Erzeugnisse nicht) online rentieren können, haben sie sich zum Großteil selbst zuzuschreiben, denn:
4. Die Gesamtreichweiten der in IVW und AGOF verbündeten Medienangebote sind irrational groß. Dass bis heute mit Onlinewerbung wenig Geld verdient werden kann, wenn man nicht selbst der Dienstleister ist, liegt auch an selbstverschuldeten, schlechten Kriterien. So wie die Radiosender sich und ihren Werbekunden mit der Media-Analyse regelmäßig fröhliche Zahlen melden (79,8 Prozent der Deutschen hören angeblich täglich Radio, und das im Schnitt um die drei Stunden lang…), so vermiesen es sich die Onlinehäuser selbst.
Wer hat das sinnfreie Format der Page-Impression-produzierenden Klickstrecken zu verantworten? Nicht die Nutzer, sondern die beharrlichen und koordinationsunwilligen Medienhäuser und ihre angeschlossenen Vermarkter, die IVW und AGOF betreiben.
5. Die Verleger beweisen ihre Internetkompetenz regelmäßig neu: immer wieder jammerten sie über Google News (nicht über Google). In diesem Jahr ebbte das Gejaule plötzlich ab: Vielleicht hatten sie mal ihre Mitarbeiter gefragt, woher die Nutzer tatsächlich kommen. Google News ist als Trafficverteiler fast bedeutungslos.
6. Im klassischen Printjournalismus wurden 2008 28,6 Prozent für Herstellung, 24,3 Prozent für Redaktion, 24,7 Prozent für Vertrieb, 15,7 Prozent für Anzeigen und 7,8 Prozent für Verwaltung aufgewendet (Quelle: BDZV). Einnahmeseitig standen dem 45,2 Prozent aus Anzeigen, 8,6 Prozent aus Fremdbeilagen und 46,2 Prozent aus dem Vertrieb gegenüber. Entfallen also die 46 Prozent Einnahmen aus dem Vertrieb, stehen dem Einsparungen in Höhe von 28,6 Prozent Herstellung und 24,7 im Vertrieb (abzüglich einer Summe x für Onlinevertrieb) gegenüber. Das klingt nicht unmöglich zu wuppen, werte Herren!
7. Wenn dem Onlinejournalismus etwas fehlt, ist es guter, anständig bezahlter Journalismus. Die Verleger jammern über zuwenig Beachtung ihrer Angebote und zuviele Rip-Offs; sie bezahlen zugleich ihren Onlineangestellten vergleichsweise Peanuts. Das ist scheinheilig.