von Philipp Otto, 18.5.10
Vor ein paar Wochen habe ich ver.di hier auf Carta einen offenen Brief geschrieben. Es ging um eine Pressekonferenz der Gewerkschaft, unter anderem zusammen mit Vertretern der Unterhaltungsindustrie zum “Welttag des geistigen Eigentums”. Sie stand unter dem Titel: “Diebstahl geistigen Eigentums im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft”. Dies hat der Gewerkschaft im Netz massive Kritik eingebracht. Mein offener Brief trug deswegen auch den Titel “5 vor 12 für ver.di – Wo steht die Gewerkschaft beim Urheberrecht”. Am 07. Mai habe ich nun eine Antwort von ver.di bekommen. Diese wird nun in Absprache mit ver.di ebenfalls hier veröffentlicht.
Neben dem Statement von ver.di, das auf der Pressekonferenz verlesen wurde, sei hier nochmals auf die Antworten zu die Fragen von netzpolitik.org verwiesen, die unter anderem auch an den Offenen Brief anknüpfen.
Die Antwort konnte erst jetzt veröffentlicht werden, da ich (zusammen mit meinen iRights.info-Kollegen) mit der Veröffentlichung des bislang geheimen Gesetzesvorschlags der Presseverleger zum Leistungsschutzrecht beschäftigt war. Wir haben den Arbeitsentwurf in einer Fassung veröffentlicht, in der auch konkrete Änderungswünsche von ver.di zu sehen sind. Diese haben neben den Verlegern auch der Gewerkschaft abermals massive Kritik, nicht nur im Netz, eingebracht. Bei iRights.info findet sich eine Übersicht der Reaktionen zur Veröffentlichung. Auch in der Debatte um dieses höchst umstrittene Leistungsschutzrecht, wird sich ver.di nun en detail öffentlich positionieren müssen.
In dem Antwortschreiben geht Frank Werneke auf etliche meiner Fragen kurz ein, manche bleiben unbeantwortet. Gleichwohl zeigt die Gewerkschaft, dass sie nicht beratungsresistent sein will und bietet den Dialog an. Ob diesen Worten dann auch Taten folgen, bleibt abzuwarten. Ver.di hält bislang teilweise an völlig veralteten Positionierungen zum Urheberrecht fest. Ich behaupte, dass ein deutlicher Schnitt notwendig ist, um nicht weiteres Vertrauen bei Urhebern und Nutzern zu verlieren.
Es wäre gegenwärtig falsch, den Stab über der Gewerkschaft ver.di in dieser Frage endgültig zu brechen, vielmehr muss sie weiter unter Druck gesetzt werden, damit auch bei ver.di ein Generationenwechsel der Meinungen vollzogen wird.
Ver.di sollte darauf achten, auch wirklich eine Interessensvertretung für die Urheber zu sein. Wenn man dafür auf die Nutzer einschlägt oder versucht neue Lobbyinteressen der Verwerter – wie beim Leistungsschutzrecht – durchzusetzen, ohne ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was dies bedeuten kann, rennt ver.di in die nächste Falle. Wenn dies mit dem Argument begründet wird, das Leistungsschutzrecht für Presseverlage komme ja in jedem Fall und dann wolle man wenigstens dabei sein um das Beste herauszuholen, obwohl man es ja eigentlich auch skeptisch sehe, dann wirft das ein Schlaglicht auf das Selbstvertrauen der Gewerkschaft. Doch gerade auch bei der Debatte um die Einführung eines solchen einseitigen Monopolrechts wird sich zeigen, wo die Gewerkschaft beim Urheberrecht steht. Und, in Anlehnung an meinen offenen Brief, das Eis bei der Positionierung zum Urheberrecht ist für die Gewerkschaft noch dünner geworden.
Hier nun das Antwortschreiben von ver.di:
Sehr geehrter Herr Otto,
vielen Dank für Ihre Mail vom 23. April 2010. Meine Mitarbeiterin Christine Glaser hatte Ihnen bereits die Info gegeben, dass ich aufgrund verschiedener Termine mit einiger zeitlicher Verzögerung dazu kommen werde, auf Ihre Mail zu antworten.Zwischenzeitlich fand die Pressekonferenz mit dem VDD, dem Börsenverein und anderen Verwerterorganisationen statt.
Auch an der Pressekonferenz konnte ich aufgrund aktueller Termine nicht teilnehmen. Für ver.di hat Herr Bleicher-Nagelsmann an der Veranstaltung teilgenommen. Er ist Leiter unseres Bereiches Kunst und Kultur und außerdem Präsident von UNI-MEI, der internationalen Organisation von Gewerkschaften aus dem Bereich der Medien- und Unterhaltungsindustrie.
Zu Ihrer Information habe ich den Text des Statements von Heinrich Bleicher-Nagelsmann angefügt. Ebenfalls angefügt ist die Stellungnahme auf die verschiedenen im Netz aufgeworfenen Fragen.
Noch einmal zum Hintergrund der Pressekonferenz:Sie resultiert aus dem Zusammenwirken der Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbände im Sozialen Dialog des AV-Bereichs auf europäischer Ebene.
Gegenüber dem Parlament und der Kommission wurden hier Forderungen zum Schutz von Kreativität, Innovation und Arbeitsplätzen gestellt. Die Erfahrungen zeigen, dass bei der Politik, sei es Parlament oder Regierung, eher ein Problembewusstsein entsteht, wenn beide Seiten, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Handlungsbedarf formulieren.Dies setzt überhaupt nicht voraus, dass man konsensuale Lösungsvorschläge vorlegt. Anzustoßen ist aber ein Dialog in dem nach adäquaten Lösungen für die Branche gesucht wird.
Ein positives Beispiel für solches gemeinsames Auftreten ist das des Schriftstellerverbandes VS in ver.di und des Börsenvereins des deutschen Buchhandels im Verbund mit der VG Wort bezüglich des Google Book Settlements. Wir haben uns gemeinsam gegen die Urheberrechtsverletzungen durch Google gewehrt und damit konnte ausreichend Öffentlichkeit erzielt und Druck auf die Politik ausgeübt werden, um diese zum Handeln zu zwingen. Im Interesse unserer Mitglieder.
Die Frage, ob die Pressekonferenz das Signal für ein gemeinsames Bündnis (Creative Coalition Compaign) ist, haben wir inzwischen mehrfach eindeutig mit Nein beantwortet.
Das Urheberrecht steht, übrigens nicht erst seit der zunehmenden Bedeutung des Internets, unter erheblichem Veränderungsdruck. Wir versuchen daher als ver.di im Rahmen unserer Möglichkeiten Einfluss auf die Weiterentwicklung des Urheberrechts zu nehmen, auf europäischer, wie nationaler Ebene. Ich teile Ihre Bewertung nicht, dass wir dabei mit Kampfbegriffen aus der Mottenkiste oder pauschalen Argumenten argumentieren. Vielmehr haben wir bei allen Veränderungen des Urheberrechts in der Sache Position immer im Interesse unserer Mitglieder, der Kreativen, bezogen und an Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt.
Dabei gibt es zum Teil Interessensgemeinsamkeiten mit Verwertern, gleichzeitig gibt es erhebliche Interessensunterschieder – etwa bei der Umsetzung des Urhebervertragsrechtes und darauf basierender Vergütungsregelungen.
Mit Blick auf die bevorstehenden Diskussionszusammenhänge (zum Beispiel Urheberrecht Dritter Korb, Leistungsschutzrecht, Internet Enquete) haben wir selbstverständlich ein Interesse daran, einen möglichst breiten Dialog zu führen. Überall dort, wo sich Gemeinsamkeiten ergeben können, sei es auch nur zu einzelnen Punkten, haben wir ein Interesse an der Diskussion und möglicherweise auch Zusammenarbeit. Vor diesem Hintergrund führen wir den Dialog auch mit den Verwertern – gelegentlich streiten wir uns auch. Und haben selbstverständlich ebenfalls ein Interesse daran, mit grundsätzlichen Kritikern des bestehenden Urheberrechts, die Argumente auszutauschen. Gern laden wir deshalb Sie und weitere Repräsentanten der Comunity zu uns ein um gemeinsam über diese Fragen zu diskutieren.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Mail und würde mich darüber freuen, wenn wir im Gespräch bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Werneke