#Agrarpolitik

Unilever füttert Agrarpolitiker

von , 6.12.08

Wichtiger Ansatzpunkt für die Lobbyarbeit sind die sogenannten Intergroups des Europäischen Parlaments. Sie sind informeller Natur, setzen sich aber wie Ausschüsse zusammen und haben entsprechenden Einfluss auf die Vorbereitung von Beschlüssen. In Brüssel tummeln sich insgesamt 24 solcher Gruppierungen, die sich zu Themen wie EU-Verfassung, Tierschutz oder Tibet zusammenfinden und zum Großteil durch EU-Förderprogramme, Stiftungen oder durch Spenden finanziert werden. Wegen ihrer Arbeitsweise wird den Intergroups, die selbst vielen Kennern der EU unbekannt sind, Intransparenz und die Begünstigung bestimmter Geldgeber vorgeworfen.

So befasst sich die Land Use and Food Policy Intergroup (LUFPIG) mit Agrar- und Lebensmittelpolitik, also auch mit Agrarsubventionen. Sie finanziert sich vorwiegend aus Spenden einiger Großfirmen. Unilever zahlte der Intergroup nach meinen Recherchen in den letzten vier Jahren insgesamt 24.000 Euro. Dies bestätigte eine Sprecherin der LUFPIG schriftlich. Pikant daran: Der Konzern gehört zu den großen Empfängern von Agrarsubventionen auch in Deutschland. Durch eine im November 2007 vom Stern veröffentlichte Liste aus dem Landwirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalens geht hervor, dass Unilever allein im Jahr 2006 insgesamt 243.665,57 Euro an Agrarzuschüssen in NRW erhielt. Laut der Internetseite farmsubsidy.org, die vom Europäischen Sozialfonds mitfinanziert wird, erhält der Konzern darüber hinaus derartige Subventionen in Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Spanien.

Insgesamt erhielt die informelle Parlamentariergruppe in den vergangenen vier Jahren Zuwendungen von privaten Firmen in Höhe von 214.000 Euro. Die LUFPIG behauptet, das Geld größtenteils für Personal aufzuwenden und nur zu 20 bis 30 Prozent für Veranstaltungen auszugeben. Trotzdem bezahlte die Intergroup ein öffentliches Dinner im Restaurant eines Fünf-Sterne-Hotels.

Zwischen Unilever und den Parlamentariern bestehen zahlreiche Verbindungen. Seit 2006 führte die LUFPIG beispielsweise drei Veranstaltungen zum Thema Agrartreibstoff mit Vertretern von Unilever durch, eine davon informell. Knapp die Hälfte aller in diesem Zeitraum von der Intergroup eingeladenen Firmenvertreter kamen von Unilever. Im Jahr 2007 gab es eine Konferenz zum Thema Agrartreibstoff, auf der ein ranghoher Konzernmitarbeiter gegen Biotreibstoff warb. Viele Lebensmittelkonzerne sind gegen die verstärkte Einführung von derartigem Treibstoff, weil sie eine Verknappung von Herstellungsmaterial für Lebensmittel wie Margarine fürchten. Unilever ist mit seinen Marken Rama und Lätta Marktführer in diesem Bereich.

Die LUFPIG veröffentlichte sogar zwei Publikationen, die von Unilever-Mitarbeitern verfaßt wurden. In einer legt der Unilever-Vizechef die Sichtweise des Unternehmens zu Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft dar. Eine andere zum Thema Agrartreibstoff wurde vom Geschäftsführer der britischen Lobbying-Einrichtung European Centre for Public Affairs (ECPA) und ehemaligen EU-Abgeordneten Tom Spencer verfasst. Das ECPA wird ebenfalls von Unilever mitfinanziert, im Vorstand sitzt das LUFPIG-Mitglied Bill Newton-Dunn.

Die Trennung zwischen Arbeit für Konzerne und Arbeit für die Bürger der EU scheint sich in Brüssel immer schwieriger nachvollziehen zu lassen. So wurde auf Vermittlung der deutschen EU-Abgeordneten Erika Mann (SPD), die ebenfalls der LUFPIG angehört, eine Grundschule in Berlin als erste Schule in Deutschland in das “Unilever International Schools Art Project” aufgenommen. Erika Mann nahm auch an einer Anhörung des EU-Parlaments teil, bei der das LUFPIG-Mitglied Edith Herczog die Eröffnungsrede hielt. Herczog stand bis 1997 bei Unilever auf der Gehaltsliste. Sie sprach auch im Oktober 2007 bei einer Lunchveranstaltung zusammen mit dem Europachef von Unilever. Neben Herczog waren noch zwei weitere EU-Parlamentarier bei Unilever beschäftigt: Der schwedische Abgeordnete Gunnar Hökmark und der britische Abgeordnete Philip Bushill-Matthews, der während seiner Zeit bei Unilever unter anderem bei der Tochterfirma Iglo beschäftigt war. Laut Stern strich Unilever für die im August 2006 verkaufte Tochter seit 2004 rund 700000 Euro für den “Ausbau der Spinat- und Kräuterverarbeitung” ein.

Der britische Abgeordnete Giles Chichester, der kürzlich wegen der Veruntreuung von Parlamentsmitteln zurücktrat, hospitierte parallel zu seiner Abgeordnetentätigkeit mindestens ein Jahr lang im Management der Lebensmittelsparte von Unilever. Als im September eine US-Behörde und das Umweltbundesamt vor der Chemikalie Bisphenol-A in Lebensmittelverpackungen warnte, hielt die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) den Stoff, den auch Unilever in seinen Produkten verwendet, für unbedenklich. Der stellvertretende Vorsitzende des EFSA-Verwaltungsrates, Bart Sangster, war früher Mitglied des Unilever-Vorstands.

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