#Medienwandel

“State of Play”: Die Zeitungskrise erreicht Hollywood

von , 15.6.09

Der Verlauf der Geschichte ist nach zehn Minuten offensichtlich: Eine junge Parlamentsmitarbeiterin und ein krimineller Junkie werden kurz nacheinander umgebracht. Auch wenn die Polizei zunächst keinen Verdacht schöpft, gibt es eine direkte Verbindung. Aber in “State of Play” ermittelt ohnehin nicht die Polizei, sondern fast ausschließlich der investigative Journalismus alter Schule, personifiziert im irischstämmigen Vollblutreporter Cal MacAffrey (Russel Crowe). Er findet heraus, dass hinter den Morden die private Sicherheitsfirma „Point Corp“ steckt, gegen die ein Verfahren im parlamentarischen Untersuchungsausschuss unter der Führung des Kongressabgeordneten Stephen Collins (Ben Affleck) läuft.

„Point Corp“ entpuppt sich bald als undurchsichtiges Wirtschaftskonglomerat, das nicht nur versucht, verdeckt politischen Einfluss auf die Arbeit des Ausschusses zu nehmen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht.

State of Play will, so verrät es schon der Titel, zeigen, wie das „Spiel“ zwischen Medien und Politik funktioniert. Anhand der freundschaftlich-professionellen Beziehung zwischen Reporter Cal und dem Abgeordneten Stephen Collins veranschaulichen Regisseur Kevin Macdonald und seine Drehbuchautoren die Nähe-Distanz-Problematik im politischen Journalismus. Eine vertraute Beziehung verschafft dem Journalisten Informationen, birgt aber gleichzeitig die Gefahr der einseitigen Parteinahme. Anstatt das aber auch nur im Ansatz zu diskutieren, bleibt der Film immer nur bei der bloßen Behauptung. Selbst in den kurzen Momenten, in denen er seine Protagonisten über das enge Verhältnis zwischen Stephen Collins und Cal MacAffrey reflektieren lässt ist immer eines klar:

Der Haudegen Cal MacAffrey steht über den Dingen. Stets nur die Wahrheit im Sinn, wägt er die Konsequenzen jedes einzelnen seiner präzise recherchierten Worte genau ab, bevor er es, wenn es sein muss auch mitten in der Nacht, auf seinem antiken Computer zu höchst investigativen Hintergrundberichten verarbeitet. Russel Crowe verkörpert den Journalisten als Idealtypus, der, so behauptet der Film, vom Aussterben bedroht ist. Der Konflikt mit seiner redaktionsinternen Gegenspielerin, der bloggenden Jungjournalistin Della Frye (Rachel McAdams), die anstatt genau zu recherchieren lieber in ihrem gläsernen Büro direkt neben der Verlegerin sitzt und Texte am Fließband produziert, spielt auf eine zentrale, gegenwärtige Auseinandersetzung in der Branche an, die oft zu einer Art Entscheidung über die Zukunft unserer Zivilisation stilisiert wird: Online gegen Print.

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Bloggerin Frye: gutgemeinte Ratschläge vom recherchierenden Print-Journalisten (Foto: Verleih)

Dieser Komplex ist mindestens ebenso interessant und vielschichtig, wie das Verhältnis von professioneller Nähe und Distanz. Besonders vor dem Hintergrund des massiven Zeitungssterbens in den USA, das uns in Deutschland vermutlich noch bevorsteht, und den damit verbundenen Umstrukturierungen in diesem zentralen Mediensektor gewinnt das Thema noch zusätzlich an Brisanz. Doch anstatt ökonomische, publizistische oder psychologische Strukturen zu sezieren und der Komplexität des gegenwärtigen Wandels gerecht zu werden, reduziert State of Play seine Akteure auf holzschnittartige Figuren, deren Motive und Handlungen vom Film bereits so eindeutig bewertet werden, dass der Zuschauer niemals Schwierigkeiten bekommt, sie in einem Gut/Böse-Schema zu verorten.

Regisseur MacDonald badet größtenteils in Klischees und nimmt sich dabei selbst allzu ernst. „Old-School“-Journalist McAffrin schreibt seine Texte auf einem vorsintflutlichen Computer, fährt einen klapprigen Saab und denkt Tag und Nacht an nichts als seinen Beruf, während Bloggerin Frye ihren Job scheinbar fast nebenbei erledigt und sich den gutgemeinten Ratschlägen des altgedienten Journalisten wie ein kleines, arrogantes Mädchen lange widersetzt. In der Konferenz ihrer Online-Redaktion fühlt sie sich, umgeben von jungen Computer-Nerds, zunächst sichtlich wohler als in der Gesellschaft „echter“ Journalisten. Der Subtext, der besonders zu Beginn von State of Play, bis zu Della Fryes Initiationserlebnis mitschwingt, ist kaum zu übersehen.

Die starke Vereinfachung dieser komplexen Zusammenhänge ist ärgerlich, wäre aber zu verzeihen, wenn der Film zumindest als Genrebeitrag funktionieren würde. Doch dafür ist die Geschichte über weite Strecken zu durchsichtig. Zudem gelingt in State of Play kaum einer der Suspense-Momente. Wenn Auftragskiller Robert Bingham (Michael Berresse) in Erscheinung tritt hat man den Eindruck, diese Sequenz so oder leicht variiert bereits hunderte Male auf der Leinwand gesehen zu haben. Auch der Plottwist am Ende lässt das ganze Konstrukt des Films nur noch hanebüchener erscheinen.

Kameramann Rodrigo Prieto sorgt dann aber doch noch für einen gelungenen Moment: Wenn er ganz am Ende des Films – die Credits laufen bereits – den industriellen, beinahe schon archaisch anmutenden Produktionsprozess der Zeitung in der Druckerei präzise verfolgt, dann sind das Bilder, die Raum für Gedanken und Assoziationen im Hinblick auf die Fragen lassen, die State of Play zwar benennt, aber nicht einmal annähernd diskutiert.

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