Rechtsfragen der Informationsgesellschaft: JMStV, Gema vs. Youtube, Call-in-Shows

von , 30.8.10

Bundesgerichtshof zum Ersatz von Anwaltskosten in presserechtlichen Angelegenheiten
Der Bundesgerichtshof hat Anfang August über die Frage entschieden, ob die Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen „dieselbe Angelegenheit” im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG betrifft (Az. VI ZR 113/09). Im konkreten Fall war der Kläger gegen einen Bericht der taz vorgegangen und hatte sowohl Unterlassung, als auch Richtig- und Gegendarstellung gefordert. Streitig war nun, ob diese drei Ansprüche gebührenrechtlich einheitlich oder als separate Angelegenheiten zu betrachten waren. Der BGH stellte fest, dass die Ansprüche sowohl von der Zielsetzung, als auch vom Verfahren her gravierende Unterschiede aufweisen und deshalb als verschiedene Angelegenheiten zu verstehen seien. Auch die Verjährungs- und Ausschlussfristen seien unterschiedlich, sodass die Ansprüche von einem Anwalt nicht einheitlich bearbeitet werden könnten.

GEMA vs. Youtube: Landgericht Hamburg verweigert Eilrechtsschutz
Das Hamburger Landgericht hat einen Antrag der GEMA auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Video-Portal Youtube zurückgewiesen. Die Verwertungsgesellschaft wollte Youtube verbieten lassen, das Repertoire von insgesamt 75 Künstlern auf der Plattform wiederzugeben. Im Jahr 2009 war der Lizenzvertrag zwischen Youtube und GEMA ausgelaufen; die Verhandlungen über einen neuen Vertrag waren nach zähem Ringen gescheitert. Zwar wies das LG Hamburg darauf hin, dass viel für eine Urheberrechtsverletzung durch Youtube spreche. Dies müsse jedoch in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden, so das Gericht. Eine Eilbedürftigkeit liege jedenfalls nicht vor.

Neuer Entwurf zum Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz
Die Fachzeitschrift Multimedia und Recht (MMR) hat eine Synopse veröffentlicht, die unter anderem einen neuen Referenten-, sowie einen Regierungsentwurf zum neuen Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz enthält. Neu ist unter anderem eine Regelung, die es Arbeitgebern verbieten soll, personenbezogene Daten ihrer Arbeitnehmer aus sozialen Netzwerken zu erheben. Nach § 32 Abs. 6 BDSG sollen Arbeitgeber zwar grundsätzlich personenbezogene Daten über Beschäftigte aus allgemein zugänglichen Quellen erheben dürfen, wenn der Arbeitnehmer vor Erhebung darauf hingewiesen wurde und sein schutzwürdiges Interesse nicht überwiegt. Mit dem neuen „lex Facebook” soll nach Satz 3 das schutzwürdige Interesse jedoch immer dann überwiegen, wenn die Daten aus sozialen Netzwerken stammen. Eine Ausnahme bildet das „lex Xing”, wenn die sozialen Netzwerke der „Darstellung der beruflichen Qualifikation” dienen.

Änderung des Strafgesetzbuchs stärkt investigativen Journalismus
Die Bundesregierung hat sich auf einige Gesetzesänderungen am Strafgesetzbuch, sowie der Strafprozessordnung verständigt, durch die Journalisten besser vor Strafverfolgung geschützt werden sollen. Konkret soll § 353b StGB dahingehend geändert werden, dass Journalisten ohne Angst vor Strafverfolgung geheime Dokumente entgegennehmen, auswerten und veröffentlichen dürfen. Solche Beihilfehandlungen sollen künftig nach Absatz 3a gerechtfertigt sein. Eine weitere Änderung betrifft § 97 Abs. 5 StPO. Danach soll eine Beschlagnahme von Gegenständen bei Medienangehörigen nur noch dann möglich sein, wenn ein „dringender Verdacht der Beteiligung” vorliegt – bislang genügte es, dass „dass bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Beteiligung begründen”. Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf am Mittwoch abgesegnet.

Zweites Musterverfahren gegen Spickmich
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich erneut mit dem Fall spickmich.de zu beschäftigen. Derzeit läuft an dem Gericht das Berufungsverfahren einer Lehrerin, die sich durch ihre Benotung auf dem Lehrerbewertungsportal spickmich.de in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sieht. Der Bundesgerichtshof hatte im Sommer 2009 entschieden, dass die anonyme Bewertung von Lehrern im Internet grundsätzlich zulässig ist. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht angekündigt, die aktuelle Berufung der Lehrerin zurückzuweisen. Unterstützt wird sie dabei von der Lehrergewerkschaft GEW, die das Verfahren bis vor das Bundesverfassungsgericht treiben will.

Verjährungs-Panne bei Bußgeldverfahren gegen Call-Show-Sendern
Die Bayrische Landeszentrale für Medien (BLM) hat offenbar einige Bußgeldverfahren gegen den Call-in-Sender 9Live verjähren lassen. Wie die Funkkorrespondenz vergangene Woche berichtete, hätten insgesamt fünf Verfahren wegen Verjährung eingestellt werden müssen. Grund: Ein „Büroversehen” während der Ferienzeit. 9Live hatte gegen Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 115.000 Euro Einspruch eingelegt. Eigentlich wollte die BLM die Einsprüche zurückweisen und an die Staatsanwaltschaft übergeben. Dies geschah jedoch nicht und die Verfahren waren verjährt. Ein Verlust für die Staatskasse sei dies jedoch nicht, so die BLM. Schließlich hätte man nicht gewusst, ob die Bußgeldbescheide Bestand gehabt hätten. Zwei Gerichtsverfahren habe man bereits verloren.

JMStV: Fallen NRW-Grüne und SPD um?
Im Streit um die Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertages könnte es in NRW zu einem politischen Sinneswandel kommen. Wie die c’t berichtet, erklärte Medienstaatsminister Marc Jan Eumann im Rahmen der Spielemesse Gamescom, die Landesregierung wolle für die Annahme des Staatsvertrages im Landtag werben. SPD und Grüne hatten sich in NRW bislang eher kritisch zum neuen JMStV geäußert.

In Zusammenarbeit mit Telemedicus präsentiert Carta jeden Montag zentrale Entwicklungen des Medien- und Informationsrechts. Dieser Wochenrückblick wurde zusammengestellt von Adrian Schneider.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.