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Randnotiz zu Verschwörungstheorien: Staatliche Allmacht und Realität

von , 7.6.14

Bei der Lektüre eines New York Times-Artikels, den ich mir vor einer Weile auf die Leseliste gesetzt habe, erinnerte ich mich an einen Blogeintrag, den ich vor ein paar Tagen schreiben wollte.

Viele politische Verschwörungstheorien basieren auf der Annahme, dass eine schon fast allmächtige Regierung (mit Vorliebe jene der USA) einen Stein ins Rollen bringt, der dann durch diverse Reaktionen eine Situation schafft, die den Strippenziehenden für ihr Vorhaben entgegenkommt. Gleichzeitig gibt es da immer einen Fehler im grossen Plan, den jemand mit einem Internetanschluss problemlos entdecken und damit die ganze Verschwörung hochgehen lassen kann.

Ich bin in den letzten Wochen über zwei Beispiele gestolpert, die gut illustrieren, dass wohl nur der zweite Teil, die fehlende Kompetenz, wirklich eine plausible Annahme ist.

Da war zuerst die Geschichte vom CIA-Stationschef in Afghanistan. Als US Präsident Obama vor zwei Wochen eine Stippvisite in Afghanistan machte, wurde der Name des CIA-Chefs in Afghanistan auf einer Liste genannt und an 6’000 Journalistinnen und Journalisten gesandt. Der Name war der eines von 15 Teilnehmenden eines Besuches auf einer Militärbasis. Er wurde von einer Stelle des US-Militärs aufgelistet, und die Medienstelle des Weissen Hauses hat diese Liste unverändert an die Medien weitergeleitet.

Bemerkt hat man den Fehler dort erst, nachdem ein Journalist der Washington Post darauf hingewiesen hat. Man hat die Medien dann gebeten, den Namen bitte nicht öffentlich zu machen. Fairerweise muss man sagen, dass so ein Stationschef auch einigen afghanischen Regierungsstellen bekannt ist und darum vielleicht sogar weiterarbeiten kann. Es geht mir hier eher um die bürokratischen Prozeduren, die einen solchen “Unfall” überhaupt möglich gemacht haben.

Das zweite Beispiel zeigt, dass man zwar versucht, sich die Umwelt zu schaffen, die man gerne hätte, dass es sich aber um sehr komplexe Systeme handelt und dieser Versuch schnell auch das Gegenteil bewirken kann. Man mag Politik wie ein Schachspiel betreiben, aber sie wird nie auch nur annähernd so berechenbar sein.

Ein paar Kilometer ausserhalb der libyschen Hauptstadt gibt es eine Basis, die unter dem Namen Base 27 (oder Camp Younis) bekannt ist. Green Berets haben diese Militärbasis benutzt, um 2012 eine libysche Anti-Terroreinheit auszubilden. Sie überliessen dort den Libyern auch Waffen, Nachtsichtgeräte und anderes Material in Gewahrsam für entsprechende Einsätze.

Die Ausbildung wurde nach den Angriffen auf die US-Botschaft in Benghazi suspendiert. Base 27 wurde später aber von Milizionären eingenommen und das Material konfisziert. Es wird behauptet, dass diese Miliz aus Salafisten bestand und Verbindungen mit Al-Kaida hätte. Der Artikel ist etwas reisserisch, aber die meisten Fakten sind wohl korrekt. Was die ideologische Ausrichtung der Miliz und ihre Vernetzung betrifft, ist wohl gewisse Vorsicht geboten, da dies im libyschen Kontext alles andere als einfach ist und solche Etiketts nicht immer viel bedeuten müssen.

Die beiden Beispiele zeigen gut die politische Realität auf: Regierungen operieren mit sehr beschränktem Wissen, sie sind mit einer grossen Zahl von Faktoren konfrontiert, die sie nicht kontrollieren können, und grosse Administrationen begehen regelmässig Fehler – auch wenn es um Geheimhaltung geht.

Darum kann man davon ausgehen, dass komplexe Verschwörungen nur in Dan Brown-Romanen funktionieren. Je mehr Leute involviert sind, je grandioser der Plan und je länger die Kette zwischen Aktion und der vermeintlich gewünschten Reaktion ist, desto unplausibler ist das Szenario.
 
Crosspost von zoon politikon

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