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Print wirkt. Kopflos.

von , 6.11.14

Heute und morgen treffen sich in Berlin beim Publishers’ Summit des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger Medienmacher, Top-Manager der Verlagsbranche sowie Entscheider aus Politik und Wirtschaft. Ihr Thema: die Zukunft der Zeitschriften. Unter anderem wird auch über die Innovationskraft und die Stärken von Print-Titeln geredet. Wie man diese nicht kommuniziert, zeigt parallel die aktuelle Kampagne der Zeitungs Marketing Gesellschaft, der sich aus gegebenem Anlass nochmal Alf Frommer gewidmet hat.

 

Wie lässt sich in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung noch Geld mit Print-Produkten verdienen? Das ist die Frage aller Fragen, vor der Verlage heute mehr denn je stehen. Früher auch. Aber damals hatte man noch ein Geschäftsmodell, das tadellos funktionierte: Unternehmen schalteten Anzeigen in Publikums- und Fach-Publikationen, die (vielleicht auch nur vermeintlich) zu ihrer Zielgruppe passten. Das nannte der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger einfach und kraftvoll: „Print wirkt“. Ein einprägsamer und selbstbewusster Slogan, der aus dem Medium Print selbst heraus sprach und dessen Stärken unterstrich. Die dazugehörige Print-Kampagne (wo auch sonst?) ist ein Klassiker der Werbung, an den sich viele erinnern. Die Motive griffen aktuelle bekannte Kampagnen von Unternehmen auf und spielten mit dessen Look. Jeder erkannte sofort: hier wirbt die Lufthansa, Telekom oder die Post, obwohl dies nicht explizit gezeigt und ausgesprochen wurde. Grandios.

Diese Zeiten haben sich geändert. Als ich Ende der 90er Jahre in die Werbung kam, war es fast Pflicht, am Montag den Spiegel durchzublättern, um zu sehen, welche neuen großen Kampagnen gestartet waren. Oder am Donnerstag den Stern. Für normale Leser mag es grotesk wirken, aber mich interessierten weniger die redaktionellen Texte, sondern eben mehr die werblichen Inhalte. Print-Kampagnen waren, neben den TV-Auftritten der Unternehmen, der kreative Gradmesser für den Werbe-Standtort Deutschland. Heute schaue ich nur noch gelegentlich in den Print-Spiegel und den Stern hatte ich gefühlt seit den Hitler-Tagebüchern nicht mehr in der Hand. Die paar wirklich wichtigen und großen Print-Kampagnen bekomme ich auch so aus der Fachpresse wie Werben & Verkaufen oder Horizont mit (natürlich online). Und kreative Benchmarks werden im Print kaum mehr gesetzt. Einfach weil das digitale Tracking von Offline-Medien diese immer gleichförmiger macht. Der Kopf siegt immer mehr über das Gefühl und die Daten geben immer gleiche Antworten auf die Fragen der Marketing-Abteilungen. Gepaart mit Angst, entsteht ein kommunikativer Einheitsbrei aus rationalen Gründen etwas zu kaufen – doch davor sind Online-Medien auch nicht gefeit. Werbung verliert in weiten Teilen das, wovon sie lebt: die Illusion.

Carsten Heintzsch als „Chief Penetration Officer“

Aber wie kann man den Werbetreibenden da draußen erzählen, dass sie ihre vielen Milliarden doch mal wieder in Print-Anzeigen stecken können? Die Zeitungs Marketing Gesellschaft (kurz: ZMG) hat darauf eine überraschende Antwort gefunden: mit einer guerillaartigen Online-Kampagne. Im Mittelpunkt steht die Reklame-Rampensau Carsten Heintzsch, der ADC Preisverleihungen amüsant moderierte und durch den Wackel-Elvis für Audi seinen Platz im Werbe-Walhalla sicher hat. Als „Chief Penetration Officer“ preist er vermeintlich die Vorzüge der modernen Online-Werbung und absonderliche Werbeformen an (u.a. Pre-Toilet-Ads – für Werber eigentlich klasse, denn die gehen ja sowieso nur zum Klischee-Koksen aufs Klo). Der Spot ist auf jeden Fall ein echter Lacher und kurzweilig. Trotzdem ist er auf vielen Ebenen falsch und macht keine Lust auf das Medium Print als Werbeträger.

Zunächst mal sind es ja gerade die Verlage mit ihren Online-Angeboten, die mich dort durch penetrante Werbung terrorisieren. Es gibt unzählige Werbeformate, die ungewollt aufploppen und mich beim Lesen stören. Eine der wahnsinnigsten Erfindungen sind Spots, die als Countdown angekündigt werden. Da wird mir freundlicherweise mitgeteilt, dass in wenigen Sekunden Reklame angesagt ist und kein Artikel mehr. Wie nett. Zusätzlich lassen die Zeitungs-Verlage durch unzählige Cookies erst zu, dass mich Unternehmen auf jeder weiteren Webseite, die ich besuche, mit Stiefelletten-Anzeigen beglücken, nur weil ich mal ganz vorsichtig bei Zalando welche angesehen habe. Die ZMG ist also Teil des Problems, das sie beschreibt. Ob das besonders clever ist? Wohl kaum. Schließlich sagen die Zeitungsverleger ihren Online-Kunden auch noch: Das, was ihr bei uns auf den Webseiten veranstaltet, ist wirkungsloser Quatsch. Eure Botschaften gehen in einer nervigen Brachialbeschallung unter. Beste Anti-Werbung.

Digitale Kampagnen wirkungsvoller als Print?

Der Spot selbst argumentiert darüber hinaus aus einer Position der Schwäche. Einmal, weil er selbst in dem Medium werben muss, das er als schwach kritisiert. Das ist die ultimative Kapitulation von Print vor Online. Da stellt man sich natürlich Fragen: Glaubt selbst die ZMG selbst nicht mehr, dass man in Print-Titeln Entscheider erreichen kann? Sind digitale Kampagnen vielleicht wirkungsvoller als Print, wenn selbst die ZMG dort wirbt? Und warum macht die ZMG mit dem Spot eigentlich die Online-Werbeformate der Verlagswebseiten schlecht? Es beißt sich also die Katze in den Schwanz: die ZMG versucht zu sagen, dass Print wirkt, indem sie Online schlecht macht. Das ist wenig selbstbewusst und kaum glaubhaft. Auch die Idee des Slowvertising ist absurd, wenn man bedenkt, wie wenige Sekunden(bruchteile) Rezipienten einer Anzeige Beachtung schenken. Und schließlich ist der Spot zwar saukomisch, aber auch verdammt kryptisch. Früher gab es die einfach Botschaft „Print wirkt“ jetzt ein völlig verschwurbeltes Gewitter an Botschaften, die am Ende kein Ziel haben.

Denn wie könnte man Unternehmen heute noch sagen, dass Print wirkt? Auch wenn die Auflagenzahlen sinken, so ist das Angebot an Zeitschriften immer noch wahnsinnig groß. Und wird sogar eher größer als kleiner. Es gibt genug „Special Interest“-Titel mit einem scharfen Profil, die ihre Auflagen halten oder vergrößern. Hier kann man genau die Leute erreichen, die für meine Produkte interessant sind. Man kann mit Print also immer noch große Wirkung erzielen. Nur wird die Zeit nicht zurückkommen, bei denen Print-Anzeigen das Rückgrat einer (klassischen) Kampagne sind. Heute teilt man sich Aufmerksamkeit. Wenn aber die Summe aller Teile einer Kampagne mehr ergeben soll, dann kann eine Print-Anzeige online oder mobile Werbe-Maßnahmen hervorragend promoten oder unterstützen. Es geht doch nicht mehr um ein Gegeneinander, wie es die ZMG uns weiß machen will. Es geht um ein Miteinander. Nur wer es versteht, verschiedene Kanäle mit einer Markengeschichte zu bespielen, macht heute modernes Marketing.

Print wirkt. Nur heute anders und in einer nicht mehr so wichtigen Rolle wie einst. Trotzdem hat es seine eigenen Stärken behalten. Man würde sich wünschen, die deutschen Zeitschriftenverleger würden dies auch erkennen und es auch souverän verkünden. Und nicht nur die Fehler und Schwächen bei Anderen suchen. Der Fisch stinkt vom Zeitungskopf her. Meistens dem eigenen.

 

 

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