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Niederländische Regierung zerbricht an Afghanistan-Mandat

von , 21.2.10

Zum dritten Mal zerbricht in den Niederlanden eine Regierung unter Jan-Peter Balkenende. Die aktuelle Koalition, bestehend aus seiner christdemokratischen CDA, den Sozialdemokraten (PvdA) sowie dem kleinem christdemokratischem Partner CU, konnte sich nicht auf eine Linie in der Afghanistan-Politik einigen. Nun wird es voraussichtlich im Mai Neuwahlen geben.

Das niederländische Afghanistan-Mandat läuft aus. Da keine Einigung erzielt wurde, wird es wohl – wie auch in der ursprünglichen Koalitionsvereinbarung vorgesehen – dabei bleiben, denn auch die meisten Oppositionsparteien sind gegen eine Verlängerung des Einsatzes. Dies bedeutet einen zeitnahen Abzug der niederländischen Truppen.

Balkenendes CDA trat für eine Verlängerung des Mandats ein, was die PvdA ablehnte. Wie sich in den letzten Umfragen zeigt, kommt sie damit gut an: Laut der Wahlumfrage der letzten Woche, in der sich die Kabinettskrise bereits auftat, gewinnen die Sozialdemokraten einen Sitz im Parlament (13,9 %), wohingegen die CDA zwei Plätze verliert, jedoch mit gerade einmal 20,8 % weiter stärkste Kraft ist.

Wahlkampf aus dem Gerichtssaal?

Zweitstärkste Kraft wäre weiterhin die PVV des Populisten Geert Wilders mit 16,2 % bzw. 24 Sitzen. Für den kommt die Situation sehr gelegen: Die Neuwahlen dürften in die nächste Phase des Prozesses gegen ihn wegen mutmaßlicher Volksverhetzung fallen – das verspräche eine starke Öffentlichkeit im Wahlkampf. Dass Wilders noch vor der Wahl gerichtlich sein passives Wahlrecht aberkannt wird, ist unwahrscheinlich.

Balkenende wird zunächst, wie schon 2006, mit einer Minderheitsregierung im Amt bleiben. Nach der Zählung ist dies das Kabinett Balkenende V. Ein mögliches Sechstes nach den vorgezogenen Neuwahlen ist nicht ausgeschlossen, denn Balkenende soll erneut Spitzenkandidat seiner Partei werden.

Derweil bleiben einige politische Prozesse auf der Strecke: Mehrere Organisationen beklagten das Auseinanderbrechen der Regierung und zeigten sich besorgt um nötige große Infrastruktur-Projekte. Denn eine einfache und schnelle Regierungsbildung wird es nicht geben. Aller Voraussicht nach werden vier Parteien für die Regierung benötigt und realistische Machtoptionen kann kaum einer anbieten.

Lagerwahlkampf wahrscheinlich

Eine Regierung aus den beiden derzeit regierenden christdemokratischen Parteien, sowie der PVV von Geert Wilders und der rechtsliberalen VVD, mit der Balkenende in seinen ersten beiden Kabinetten regierte, wäre aktuell eine der wenigen rechnerisch möglichen Optionen. Und so überrascht es nicht, dass die VVD in ihrem ersten Statement bereits einen Schuldigen für das Zerbrechen der Regierung ausmachte: Sie warf der PvdA vor, ihre Entscheidung sei ein Wahlkampfmanöver. Trotzdem: Eine Koalition aus den genannten Parteien wäre sehr rechtslastig, was neue Probleme verspräche. Das weiß auch Balkenende.

Dem gegenüber könnte ein linkes Lager stehen: Die nun aus der Regierung ausgeschiedenen Sozialdemokraten können sich Hoffnung auf Unterstützung durch GroenLinks (Grüne) machen. Diese bezeichneten in einer ersten Reaktion den Rückzug der PvdA aus der Regierung als „mutig“.

Zu einer Mehrheit würde dennoch einiges fehlen: Selbst zusammen mit den Sozialisten und der linksliberalen D66 wären es laut aktueller Umfrage – eine Einigung vorausgesetzt – 13 Sitze zu wenig. Andere Regierungskoalitionen werden durch einem aufgeladenen Wahlkampf sicher noch schwieriger zu einer Einigung finden.

Erster Stimmungstest schon am 3. März

Spannend wird sein, wie sich die neuesten Entwicklungen auf die Stimmungslage auswirken. Viel wird davon abhängen, wem man für das Scheitern der Regierung die Schuld geben wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die NATO die Niederlande offiziell um eine Verlängerung des Mandats ersucht hat. Die PvdA sieht darin ein abgekartetes Spiel der Christdemokraten. Der Politwissenschaftler André Krouwel bekräftigt dies und spricht laut bei Spiegel Online von einem „Trick“.

Realistisch ist, dass Wilders PVV und die Sozialdemokraten fürs Erste die Gewinner sein werden. Wirklichen Nutzen können sie daraus jedoch, wie beschrieben, zunächst kaum ziehen. Der erste politische Stimmungstest erwartet die Niederlande bereits am 3. März: Dann sind Kommunalwahlen.

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