#CSU

Nach der Geburt getrennt? Was Trump und Seehofer gemeinsam haben.

von , 14.9.15

Ralf Stegners Seehofer-Trump-Vergleich trifft ins Schwarze. Viele Deutsche neigen allerdings reflexhaft dazu, diesen Vergleich abzuwehren. Zwar warnt SPD-Vize Stegner, der CSU-Vorsitzende müsse „aufpassen, dass er nicht zu einem deutschen Donald Trump wird.“ Aber er meint damit auch: Die Deutschen müssen aufpassen, Seehofer in der angespannten aktuellen Lage nicht auf den Leim zu gehen wie die Amerikaner Trump. Und das passt nicht zum Selbstverständnis der meisten Menschen hierzulande, die lieber fragen: Was ist bloß in die Amis gefahren? Dabei sollten wir uns fragen: Wären wir gegen jemanden wie Trump gefeit? Tatsächlich sind wir nicht so verschieden von den Amerikanern, wie wir (gerne) denken (wollen).

Dabei gibt es auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten zwischen dem gewählten Vollblutpolitiker Seehofer und dem Businessman Trump; letzterer ein erratischer Veranstalter von Schönheitswettbewerben, dessen politische Ambitionen bis vor kurzem niemand so richtig ernst nehmen wollte. Seehofer und Trump: Bei der Frisur mag man noch gewisse Ähnlichkeiten erkennen, außerdem lässt sich auf beide ein amerikanisches Sprichwort anwenden: The empty can rattles the most. Wer wenig Inhalt zu bieten hat, wird immer den meisten Lärm machen, um Aufmerksamkeit zu heischen. Doch jenseits davon?

Seehofer ist Vorsitzender der CSU und damit der Schwesterpartei derjenigen Partei, die – in großer Koalition – im Bund regiert. Trump gehört zum rechten Rand der Republikaner und damit politisch in ein ganz anderes Umfeld als Präsident Obama (der selbst allerdings auch nicht gerade ein Linksaußen ist). Der Immobilienmogul verbrüdert sich mit keinem mexikanischen (oder irgendeinem anderen) Politiker, wie sich Seehofer – laut Stegner – mit dem ungarischen Premier Orbán „verbrüdert.“ Trump legt es darauf an, eben nicht als Politiker wahrgenommen zu werden, da die Zirkel in Washington bei den amerikanischen Wählern einen miserablen Ruf haben. Seehofer spricht ganz ostentativ als Landesvater und politisches Oberhaupt.

Selbst wenn Trump den Schulterschluss mit der Regierung in Mexiko-Stadt suchen sollte, würde er wohl auf wenig Gegenliebe stoßen: Vor kurzem erst hat er mexikanische Einwanderer pauschal als Diebe und Vergewaltiger abgestempelt, nun soll Mexiko die Mauer bezahlen, die der Multimilliardär an der Südgrenze der USA bauen will. Beinahe 2.000 Meilen Betonwall, das ist eine andere Dimension als die Grenzkontrollen zu Österreich, die Deutschland nun zeitweise wieder eingeführt hat. Mehr noch als um das absurde Mauer-Projekt geht es in den USA darum, ob die geschätzt 11 Millionen Illegalen im Land einen legalen Aufenthaltsstatus zugesprochen bekommen – das hat die Regierung Obama vor. Von einer vergleichbaren Maßnahme sind wir hierzulande noch ein gutes Stück entfernt, vom Umfang ohnehin. Deutschland hat es bis heute nicht geschafft, den Menschen, die vor einem halben Jahrhundert als sogenannte Gastarbeiter ins Land gekommen sind, das Wahlrecht zu gewähren (Die Pflicht, Steuern zu zahlen, galt hingegen von Anfang an).

Auch jenseits der Einwanderung provoziert Trump mit Thesen, die in Deutschland sogar aus Seehofers Mund skurril klingen würden. Dies hängt weniger mit dem Bayern-Balotelli zusammen – Seehofer ist so unberechenbar wie der italienische Stürmer, daher der Spitzname – als mit der Tatsache, dass die amerikanische Gesellschaft weit konservativer ist als die deutsche und daher andere Streitfragen die Gemüter bewegen: Trump ist mal für, mal gegen Abtreibung, mal für, mal gegen das Recht, Waffen zu tragen. Von Obamas Krankenversicherung hält er gar nichts (und ist damit in den USA beileibe nicht alleine), verspricht aber lediglich, das Gesetz durch „something terrific“ zu ersetzen. Zugegeben: Die Wankelmütigkeit von „The Donald“ kann auch Seehofer aufweisen – daher sein anderer Spitzname, „Horst Drehhofer“.

Seehofer hat dieser Tage Angst, die Macht zu verlieren, er will noch drei Jahre residieren. Trump will die Macht erst gewinnen. Und der steinreiche Unternehmer ist gefährlich, nicht nur, weil er in einem riesigen, zerstrittenen Kandidatenfeld antritt. Eine kleine Mehrheit könnte genügen, Trump parteiintern als Sieger vom Platz gehen zu lassen. Sollte es tatsächlich zu einem Spitzenkandidaten Trump kommen, würde der hemmungslose Populist vom amerikanischen Mehrheitswahlrecht profitieren. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gilt: The winner takes it all. Wer die Mehrheit der Stimmen gewinnt, bekommt sämtliche Stimmen zugesprochen.

Im Gegensatz hierzu fühlt sich Seehofer zwar augenscheinlich als König von Bayern, muss aber letzten Endes mit unserem deutschen Verhältniswahlrecht zurechtkommen. Bundesweit gesehen hätte Seehofer derzeit ohnehin wenig Chancen. Regierungschefin Merkel hat laut einer Umfrage von Infratest Dimap im August 2015 Zustimmungswerte von 67%; Seehofer ist mit 31% weit abgeschlagen.

Trumps aktuelle Beliebtheitswerte sind dagegen imposant (oder erschreckend, je nach Perspektive): Wäre morgen Wahltag, so das Ergebnis einer Umfrage von SurveyUSA, würde der Immobilienmogul Hillary Clinton schlagen. Obama schafft es Ende Juli laut einer Pew-Umfrage gerade einmal noch bei der jungen Generation der Millenials auf über 50% Zustimmung. Bei seinen Altersgenossen heißt nicht einmal mehr jeder zweite seine Arbeit gut.

Stegner hat trotzdem Recht. Denn es geht nicht um den bayerischen Ministerpräsidenten oder den US-amerikanischen Krösus. Es geht um die deutsche Anfälligkeit für Populismus, die der US-amerikanischen kaum nachsteht. Mit anderen Worten: Stegners Statement sollte uns aufhorchen und über uns selbst nachdenken lassen. „The Donald“ ist ein Clown. Allerdings ein teuflischer Clown, der die Ängste der Menschen schürt und daraus seine Macht bezieht. Trump warnt vor der Welle illegaler Einwanderer, in der die Vereinigten Staaten bald ertrinken würden. Er warnt vor Mexiko, von wo Drogen und Verbrechen ins Land gespült würden. Die Welt ist eine einzige Bedrohung, gegen die es sich zu rüsten – und vor deren überzogenen Ansprüchen es sich zu schützen gilt. In Seehofers Diktion: „Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt.“

Dass ein Angstmacher wie Trump auf der politischen Bühne den Ton angibt – und dies möglicherweise noch bis in den nächsten Frühling hinein – sagt mehr über die USA aus als über ihn. Oft bleiben die Trumps und Seehofers dieser Welt unwidersprochen. Die von ihnen entworfenen Horrorszenarien stehen zu lassen, bedeutet, sie mitzuvertreten, ohne darauf festgenagelt zu werden, so das Kalkül. Das ist zynisch. Ist es speziell amerikanisch? Wohl kaum.

 


Mehr zum Thema:  Tobias Endler: Das wunderbar Schreckliche ( 10.09.2015)

 


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