von Juliane A. Lischka and Isabelle Krebs, 2.6.15
Instant Articles sind „A new way for publishers to create fast, interactive articles on Facebook“. Instant Articles trennen erstens einen Artikel vom Verbundprodukt Online-Auftritt. Dieses „Article-Unbundling“ ist seit dem Verteilen von Artikeln über Online Social Networks nicht neu. Zweitens ändert sich mit Instant Articles aber auch der Host des Inhaltes vom Absender der Medienmarke zu Facebook. User gelangen nicht mehr durch Anklicken auf die Webseiten des Medienprodukts. Facebooks Hauptargument für Instant Articles sind die langen Ladezeiten der Medieninhalte auf den Webpages der Medienprodukte. Instant Articles sollen also das Rezeptionserlebnis für die User verbessern.
Emily Bell wies in ihrer Reuters Memorial Lecture Silicon Valley and Journalism: Make Up or Break Up? darauf hin, dass “news spaces are no longer owned by newsmakers”. Die überwiegende Mehrheit der Facebook User erhalten Nachrichtenempfehlungen von Facebook-Freunden und nicht über direktes Folgen oder Fan-Sein von Medienprodukten. Inwieweit Facebook als Social-Network-Gigant in Monopolstellung Nachrichteninhalte hosten sollte, und so aus einer Internet-Plattform ein Verlag entsteht, wird öffentlich kritisch diskutiert. In der Hotellerie konnte man sehen, dass „User-bündelnde“ Online-Buchungsportale sowohl Fluch als auch Segen für die Branche sind. Der „User-Bündler“ Facebook ist auf dem besten Weg, dasselbe für Medienunternehmen zu werden und „das alte Mediensystem in den süßen Tod“ zu locken.
Zum einen haben Instant Articles Folgen für das Online-Geschäftsmodell der Verlage, das auf Visits auf eigenen Homepages angewiesen ist. Mit 70/30 Werbeerlös-Sharing soll Abhilfe geschaffen werden, wie das Wall Street Journal berichtete. Ob das ausreicht, diskutiert z.B. Thomas Schmidt wenig optimistisch. Zum anderen wird die Medienmarke weitestgehend auf einem fremden Träger wahrgenommen. Laut Facebooks Q&A ändern Instant Articles zwar nicht, wie Medienunternehmen und Leser Inhalte miteinander teilen. Aber sie ändern möglicherweise, wie Leser Medienmarken betrachten.
Medienmarken bestehen aus Markenidentität und -image
Medienmarken haben eine Signalfunktion für das Publikum und steuern die Medienauswahl sowie die Erwartungen, die dem Rezeptionserleben entgegen gebracht werden. Die Medienmarke besteht zunächst einmal aus einem Selbstbild, der Brand Identity, das ein Set aus Eigenschaften und Merkmalen ist. Diese Identität wird innerhalb des Medienunternehmens definiert und kann auch „hidden“, also nicht bewusst oder organisational manifestiert, bei Mitarbeitenden von Medienunternehmen vorliegen. Die Markenidentität wird anhand des Medienprodukts und der Unternehmenskommunikation nach außen getragen. Beim Publikum entwickelt sich ein Markenimage, das aus funktionalen und symbolischen Nutzenassoziation besteht. Sowohl inhalts- und leistungsbasierte Eigenschaften als auch assoziative und visuelle Merkmale konstituieren das mediengattungs- und -typenabhängige Markenimage (bspw. informative Qualitäts-, unterhaltende oder Boulevardmedien). Das Image kann somit zwar je nach Nutzungserfahrung zwischen Rezipienten leicht variieren, sollte optimaler Weise jedoch nicht von der Brand Identity abweichen, um Unstimmigkeiten zu vermeiden. Einmal etabliert, bleiben Wissen und Einstellungen zur Medienmarke stabil. Eben diese Image-Stabilität und die Übereinstimmung mit der Brand Identity sind durch das Unbundling via Facebook Instant Articles gefährdet.
Mit Instant Articles werden Image-Entwicklung und Konsonanz schwieriger
Die Image-Entwicklung für neue User einer Medienmarke oder von neuen, unbekannten Medienmarken kann schwieriger werden. Jedes Markenimage setzt zunächst einmal Markenbekanntheit voraus. Zwar betont Facebook, dass eine markenspezifische Gestaltung der Artikel möglich ist, d.h., Logo, Schriftart und Farbe können analog zum Online- bzw. Offline-Auftritt der Marke gestaltet werden. Durch das auszugsweise Lesen von Inhalten auf dem sozialen Netzwerk ohne Verlinkung zum Medienkernprodukt lässt sich eine Brand Awareness und folgend ein klares Medienmarken-Image bei den Usern aber nur aufwändig erreichen. Durch die Steuerung von Nachrichten über Empfehlungen von „Freunden“ und den Facebook-Algorithmus weicht die Nutzung von Artikeln zwischen einzelnen Publikumsmitgliedern ab. Damit können interindividuelle Unterschiede beim Image zunehmen.
Typischerweise sind Medienmarken als Einzelmarken ohne ein Markendach in einem „House of brands“ organisiert oder stehen in Beziehung zu einem Stammprodukt („endorsed brand“). Mit dem Host Facebook kommt für Social-Media-User eine externe, „markenfremde“ Ebene dazu. Dies könnte vor allem bei qualitäts-sensitiven Medienmarken oder Marken, deren Image nur schwer mit dem Image von Facebook vereinbar ist, zu einem Problem werden. Eine Unstimmigkeit in der Imagewahrnehmung mit dem Sozialen Netzwerk kann auch unabhängig von der Nutzung von Instant Articles bestehen. Bei einer negativen Einstellung des Kunden gegenüber Facebook könnte sich das negative Image – das auch durch einen kritischen öffentlichen Diskurs ausgelöst werden kann – auf die Medienmarke transferieren. Die Markenkooperation würde so zu einem Reputations- und Vertrauensverlust führen. Insbesondere informations-zentrierte „Qualitätsmedien“ sind jedoch auf Reputation und Vertrauen angewiesen.
Zusammengefasst zeigen sich Gefahren
- für die Reputation von Medienmarken, deren Image (stark) vom Facebook-Image abweicht,
- für das Etablieren vom Markenimage bei neuen Usern und
- für Marken, die wenig bekannt sind. Andererseits sind Medienmarken auf Facebook als zusätzlichen Vertriebskanal angewiesen, um Bekanntheit zu erlangen oder zu erhöhen.
Höhere Zufriedenheit und Weiterempfehlungsbereitschaft sind Pluspunkte
Bei knappen Zeitressourcen und einer hohen Dichte an Informationsangeboten können aber gerade mit Facebook auf die Marke aufmerksam gemacht und die eigenen Artikel in den Vordergrund gestellt werden. Durch den Wegfall von Ladezeiten und Suchzeiten kann zudem die Zufriedenheit mit der Nutzung erhöht werden. Auch die Weiterempfehlungsbereitschaft, die online zu einer „Quasi-Währung“ avanciert, kann durch die Verwendung von Instant Articles gefördert werden.
Wenn Facebook nur als zusätzliche Distributionsplattform eingesetzt und vom Publikum auch so verstanden wird, kann es durchaus zum Nutzen der Marke sein. In dem Fall ist der „News Aggregator“ Facebook ein Kiosk, der Medienangebote bündelt, in dem unsere „Freunde“ uns „ausgeschnittene“ Artikel zeigen. Aber es sollte gefragt werden, wer mehr davon profitiert: Facebook oder die Medienmarken? Man darf, wie John Gruber, skeptisch bleiben.
Der Einsatz von Instant Articles sollte strategisch vorbereitet und begleitet werden
Medienunternehmen sollten erstens den Wiedererkennungswert ihrer markenspezifischen Gestaltungsmerkmale genau prüfen und gegebenenfalls überlegt anpassen. Sind Schriftart, Format und Farbgebung einzigartig und damit leicht ihrer Marke zuordenbar? Besteht Verwechslungsgefahr? Die spontane, „korrekte“ Zuschreibung eines Instant Articles zur Medienmarke wird eine wichtige Voraussetzung für die Imageentwicklung beim Publikum – und somit für die Nutzung der Marke sein.
Zweiten sollten Medienunternehmen eine Verwendung von Instant Articles strategisch-wissenschaftlich begleiten. Gerade gegenüber der Stammleserschaft sollten die positiven, vereinfachenden Funktionen kommuniziert werden. Weiter lässt sich mit Loyalitäts-Messungen der „Wert“ der Social Media User im Vergleich zum Stammpublikum für die Medienmarke abschätzen. Zudem sollte die Imageentwicklung von Social Media Usern beobachtet werden, um eine eventuelle Abweichung zur Markenidentität frühzeitig identifizieren und berichtigen zu können.
Solange ein break up mit Silicon Valley unmöglich ist, werden Medienmarken auch zukünftig Strategien entwickeln müssen, um ihr (neues) Publikum über Social-Media-Plattformen im Allgemeinen und Instant Articles im Besonderen an die Medienmarke heranzuführen, ein einheitliches Image zu prägen und Mediennutzer so an die Marke und nicht nur an die Plattform zu binden.
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