#Börsengang

Kann ein virtuelles Netzwerk wie Facebook wirklich 100 Milliarden Euro wert sein? Wenn wir ihm diesen Wert geben, dann schon.

von , 3.2.12

Das soziale Netzwerk hat nun endlich die Daten zu seinem lang erwarteten Börsengang bekanntgegeben. Mindestens fünf Milliarden Dollar will Facebook einnehmen, und das gilt noch als bescheidener Wunsch. An der Börse würde alles unter zehn Milliarden Dollar für lange Gesichter sorgen. Dann würde das Unternehmen mit 100 Milliarden Dollar bewertet werden. Facebook wäre in Sachen Marktkapitalisierung in einer Liga mit McDonalds und fast doppelt so viel wert wie Boeing. Und das, ohne ein Produkt herzustellen. Zumindest keines, das man haptisch erfassen kann.

Facebook produziert Nutzerdaten. Vorlieben, Freundeskreise, Aufenthaltsorte. Womöglich zuverlässiger und vollständiger als jede Volkszählung geben die User Auskunft über Alter, Geschlecht und Herkunft. Ein El Dorado für die Werbebranche. Und der Börsengang ermöglicht endlich einen Blick in die Zahlen, die Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bislang lieber für sich behalten hat: 3,7 Milliarden Dollar Umsatz wurden im vergangenen Jahr vor allem mit Werbeeinnahmen erzielt.

Dieses Geschäftsmodell funktioniert aber nur so lange, wie Facebook genügend User an sich binden kann. 845 Millionen Freunde hat Facebook am 31. Dezember 2011 gezählt. Aber was, wenn das schon der Höhepunkt war? Neuerungen wie die vieldiskutierte Timeline haben zwar noch nicht zu einer größeren Abwanderung geführt. Dennoch machen sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar. So war für viele Jugendliche spätestens mit der Freundschaftsanfrage der Eltern Schluss mit dem Spaß.

Noch größer ist die Gefahr, die von dem Reiz des Neuen ausgeht. Bislang waren Konkurrenten wie Google+ noch nicht wirklich gefährlich, doch es gibt im Netz genügend Fallbeispiele für solche Phänomene. Yahoo hat deutlich an Bedeutung eingebüßt, hier liegt etwa die Marktkapitalisierung unter 20 Milliarden Euro. MySpace fristet ein Nischendasein und betont tapfer, sich schon immer eher als Netzwerk für Bands und ihre Musik gesehen zu haben

All das macht die Beantwortung der Frage, ob ein soziales Netzwerk 100 Milliarden Euro wert sein kann, so schwierig. Jede mögliche Antwort ist mit Ängsten belegt: Ein “Nein” würde bedeuten, dass wir aktuell miterleben, wie sich die größte Spekulationsblase seit der New Economy bildet. Aber was bedeutet ein “Ja”? Dass das digitale Leben für uns bereits einen höheren monetären Wert hat, als das reale?

Vielleicht ist es viel simpler: Soziale Netzwerke und unsere virtuellen Freunde haben exakt den Wert, den wir ihnen beimessen. Und mal abgesehen von der Tatsache, das Geld an sich auch eine virtuelle Idee ist, erwirtschaftet Facebook im Gegensatz zu vielen untergegangenen New-Economy-Firmen echte Gewinne. Unter dem Strich blieben im vergangenen Jahr 668 Millionen Dollar übrig. Studien haben zudem ergeben, dass Facebook sich bereits zum wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt hat. Allein in Deutschland steuert das soziale Netzwerk 2,6 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt bei, vorwiegend dank kleiner und mittelständischer Unternehmen, die die Plattform für ihre Geschäfte nutzen. Vielleicht müssen wir also den Wert der “realen” Dinge anpassen, damit das Gleichgewichtsgefühl sich wieder einstellt – schon lange werden etwa Preise für sauberes Wasser und saubere Luft gefordert und zum Teil schon erhoben.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich erklärtermaßen noch nie für Geld interessiert: “Wir entwickeln keine Dienste, um Geld zu machen; wir verdienen Geld, um bessere Dienste zu entwickeln.” Das klingt sehr amerikanisch, sehr idealistisch und angesichts des Bankkontos des Turnschuh-Milliardärs auch sehr witzig. Aber letztendlich können die neuen virtuellen Millionäre das Geld auch gerne für reale Häuser im Silicon Valley ausgeben und so die schwache US-Konjunktur ankurbeln. Gefällt mir.

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