Jugendsport unter Erfolgsdruck

von , 6.7.09

Die ökonomischen Dimensionen des Leistungssports sind gewaltig. Der National Football League verteilt circa 100 Millionen Dollar an – jeden – der 32 Vereine der Liga aus einem gemeinsamen Einnahmetopf. Die Boston Red Sox im Major League Baseball haben ein jährliches Personalbudget von über 140 Millionen Dollar. In Europa verdienen die erfolgreichsten Fußballvereine in Spanien, Italien und England jährlich zwischen 100-150 Millionen Euro nur aus Medieneinnahmen. Der deutsche Sportphilosoph Gunter Gebauer sagte in einem Interview über die Olympischen Spiele, dass diese „der zentrale Marktplatz geworden sind, auf dem der ökonomische Wert des Athleten festgelegt wird. Mit solchen Rekorden und Siegesserien wird in erster Linie ein ökonomischer Wert bestimmt – und der ist immens“. Durch die Leistungen der Sportler profitieren die Sportfunktionäre und Eigentümer, die den Erfolg durch Medieneinnahmen, Sponsorenverträge, Werbeeinnahmen, Fanartikel- und Kartenverkäufen weiter kommerzialisieren.

Um diesen ökonomischen Kreislauf im professionellen Leistungssport auszubauen und aufrecht zu halten braucht es leistungsstärkere Nachwuchssportler. Diese wiederum werden aus dem Jugendsport bezogen. Im Jugendsport in den USA geht es zwar nicht um Millionenbeträge, aber dort werden die Grundlagen für den professionellen Leistungssport geschaffen. Viele Eltern von Jugendlichen träumen davon, dass ihr Nachwuchs durch den Spitzensport ein Universitätsstipendium bekommt oder sogar eines Tages Millionen Dollar als Profisportler verdient. Dies hat dazu geführt, dass der Jugend- und Breitensport sich zunehmend professionalisiert hat. Eltern bezahlen für Privatstunden, Tutoren und Sportlager, um ihre Kinder auf Sport zu drillen. Die Jugendlichen werden inzwischen sogar medizinischen Tests unterzogen, um zu überprüfen, ob sie bestimmte Gene haben, die Proteine produzieren, die bestimmten Muskeln mehr Kraft geben. Viele Eltern knüpfen große Erwartungen und Hoffnungen an den Erfolg ihrer Kinder beim Sporttreiben.

Dabei halten sich die Möglichkeiten zur Erlangung eines Stipendiums in Grenzen. Das durchschnittliche Sportstipendium an einer US-amerikanischen Universität betrug im Jahr 2007 10 409 Dollar, bei durchschnittlich 35 000 Dollar Kosten an Studiengebühren und Lebenskosten. Wenn man bedenkt, wie groß der Zeitaufwand ist und dass die meisten und die höchsten Stipendien für Football, Basketball und Eishockey Spieler vergeben werden, ist die Bilanz keineswegs ein aussichtsreiches Gewinnspiel. Durchschnittlich am niedrigsten bewertet sind Stipendien für Bowling bei Frauen (4 899 Dollar) und fürs Gewehrschiessen bei Männern (3 608 Dollar). Die großen Erwartungen der Eltern an den Jugendsport bergen potentielle Konflikte. In einer Umfrage des US amerikanischen Magazins Sports Illustrated wurde festgestellt, dass 74 Prozent der Befragten schon einmal bei einem sportlichen Wettkampf gesehen hätten, dass Eltern in wütendem Eifer wegen vermeintlich schlechter Leistung ihres Kindes außer Kontrolle geraten wären. Darüber hinaus hätten 43 Prozent der Befragten angegeben, dass im Jugendsport zu viel Druck und Gewalt seitens der Eltern vorhanden sei.

Doch nicht nur die außer Kontrolle geratenen Eltern bringen den Jugendsport in Verruf. Die zunehmende Professionalisierung der Jugendlichen birgt das Risiko beträchtlicher Gesundheitsschäden. Zum Beispiel sind überambitionierte Trainer von Baseballmannschaften keine Seltenheit. Diese Trainer setzen ihre jugendlichen Spieler das ganze Jahr über unter Druck, permanent erfolgreich zu sein und deshalb das Training immer weiter intensivieren. Die Überstrapazierung des Körpers führt oft zu Armschäden. Die Zahl von Verletzungen am Ellenbogengelenk von unter 18-jährigen Baseballspieler ist stark angestiegen. In den USA hat sich die Häufigkeit von so genannten „Tommy John“ Operationen, bei denen das Ellenbogengelenk rekonstruiert wird, in den letzten Jahren verzehnfacht.
Der Druck der Eltern und Trainer führt nicht nur zu der Gefahr von Knochenbrüchen oder Überstrapazieren, sondern auch zu Dopingmissbrauch. In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung wurde eine Befragung von amerikanischen Schülern zwischen 8 und 13 Jahren zitiert, wo fast drei Prozent der Schüler bereits Anabolika verwenden würden. Im amerikanischen Football liegt die Zahl höher, und nicht überraschend sind auch dort besonders viele Universitätsstipendien vorhanden.

Auch in Deutschland wird geschätzt, dass zwischen 3 und 5 Prozent der Jugendlichen Anabolika nehmen. Bei Jugendlichen, die regelmäßig bestimmte Sporteinrichtungen besuchen, ist die Zahl höher. Der Kölner Sportwissenschaftler Michael Sauer berichtet vom alltäglichen Umgang mit Anabolika wie mit „Sonnenbank, Haare färben und Schminke“. Im „Neuen Deutschland“ schreibt ein Journalist sogar, dass Zwölfjährige zumindest ahnen, „dass ohne Hilfsmittel in der Kreisklasse Schluss ist.“

Kinder und Jugendliche in allen Gesellschaften sind in gleicher Weise bedroht. Die Strukturen, die Kindesmissbrauch auf allen Ebenen verursacht und fördert, sind entschieden entgegenzutreten.

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