von Andreas Grieß, 28.5.10
Wann das isländische Parlament über die Gesetzesinitiative abstimmt, die als IMMI (Icelandic Modern Media Initiative) bekannt wurde, ist noch ungewiss. Der Termin hat sich verzögert. Birgitta Jónsdóttir, Sprecherin der Initiative, sagt, im Juni soll es soweit sein. Dass das Gesetz angenommen wird, daran gibt es kaum Zweifel. Immer wieder verkünden die Initiatoren, dass es Unterstützer in allen Parteien gibt. Die erste parlamentarische Hürde nahm IMMI im Februar ohne Gegenstimme.
Seither wurde IMMI international in verschiedenen Medien große Beachtung geschenkt. Unter anderem Al Jazeera und die FAZ betonen die Auswirkungen über Island hinaus. Auch Birgitta Jónsdóttir verweist auf „transborder effects“. Der schwedische „Press Freedom Act“, auf dem Teile des geplanten isländischen Gesetzes basieren, sehe zum Beispiel eine gesetzliche Pflicht für Journalisten, ihre Quellen zu schützen. Sollten sie ein solches Versprechen abgeben und brechen, können ihnen bis zu sechs Monate Haftstrafe drohen. „This strong protection assists not only sources. It is also likely to aid journalists operating in other countries which have a meaningful publishing relationship with Sweden”, so Jónsdóttir.
Die Isländerin führt weitere Beispiele an, die sich auch auf der Homepage der Icelandic Modern Media Initiative nachlesen lassen. Grundtenor: Gesetze zum Informantenschutz in einem Land können die Quellen mittunter auch in anderen Ländern schützen. Nichts desto trotz sind Medienschaffende natürlich stets an die lokalen Gesetze gebunden, wenn sie in einem Staat arbeiten oder veröffentlichen.
Bedeutet dies, dass möglicherweise Unternehmen nach Island abwandern? Birgitta Jónsdóttir geht davon aus: „Already many companies both from the IP industry and Media companies have expressed interest in moving their entire company or branches to Iceland if the law will be passed.”
Dass namenhafte deutsche Unternehmen darunter sind, davon geht Thomas Jarzombek, Mitglied des Unterausschusses „neue Medien“ des Kulturausschusses, nicht aus. Der CDU-Bundestagsabgeordneter sieht keinen Grund dafür: „Für mich ist keine Situation in Deutschland erkennbar, in der jemand zensiert oder limitiert wird.“ Eine Einschränkung der Pressefreiheit könne es in Deutschland nicht geben, da diese vom Grundgesetz garantiert sei.
Wolfgang Michal, freier Journalist und Carta-Mitherausgeber, stimmt dem zwar grundsätzlich zu, verweist aber auf gewisse Hindernisse: „Investigative Journalisten haben es heute schwerer, über Ermittlungen zu berichten“. Der Grund dafür seien Persönlichkeitsrechte, die immer mehr gestärkt würden. Die Folge sind nicht selten Abmahnungen oder einstweilige Verfügungen (siehe dazu auch Wolfgang Michals dritten Teil der „Abmahnrepublik“ zur Meinungsfreiheit). Dies koste Zeit und Nerven und kann teilweise sogar richtig teuer werden: „Die verlangten Schmerzensgeld-Summen werden allmählich höher.“
Wird das neue isländische Gesetz deutschen Journalisten bessere Möglichkeiten für ihre investigative Arbeit bieten? – Nicht wirklich, denn alles, was über die deutschen Gesetze hinaus gehe, wäre auch von Island aus in Deutschland strafbar, sagt Thomas Jarzombek: „Wenn jemand in Deutschland gegen das Recht verstößt, dann ist er in Deutschland strafbar.“ Heißt mit anderen Worten: Auch wenn ein Blogger sein an ein deutsches Publikum gerichtetes Blog in Island hostet, würde er sich an die deutsche Gesetze halten müssen.
Vieles, womit Island im Rahmen von IMMI nun Eigenwerbung betreibe, sei zudem gar nicht so neu, sagt Thomas Jarzombek. Die Möglichkeit anonym und geschützt Inhalte im Internet zu veröffentlichen bestehe auch heute schon: „Provider sagen mir, dass dieser Status auch jetzt schon in anderen Ländern möglich ist.“
Die Leser legen bei Angeboten mit eigener Berichterstattung jedoch hohen Wert darauf, die Identität derjenigen hinter dem Inhalt zu kennen. Glaubhaft seien nur Berichte, bei denen ersichtlich ist, wer dahinter steckt. Einen „berechtigten Sonderstatus“ nehme hierbei Wikileaks ein.
Ob Island also zum Hafen der Pressefreiheit wird, darf bezweifelt werden. Die Auswirkungen auf Deutschland jedenfalls werden sich aller Voraussicht nach in Grenzen halten. Bemühungen, weltweit das Presserecht zu stärken, sind dessen ungeachtet natürlich immer begrüßenswert.