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Hoeneß und die Medien: Was passierte am 15. Januar?

von , 11.6.13

Der große alte Mann des investigativen Journalismus, Hans Leyendecker, hat am vergangenen Donnerstag in der (fast schon vergessenen) Causa Hoeneß nachgelegt. Sein Text trägt den schönen Titel „Harakiri in Bad Wiessee“ und beginnt mit einigen anonymen Drohungen, die der arme Uli Hoeneß nach Bekanntwerden seines Steuer-Falles erdulden musste.

Im Verlauf des Artikels wird der Eindruck erweckt, dass vor allem eine unglückliche Verkettung misslicher Umstände dazu geführt habe, dass der Laie Uli Hoeneß in diese dumme Sache hineingestolpert ist.
 

„…irgendwie passt sein Fall zu der ganzen Causa, die von Unbeholfenheit nur so strotzt.“

 
Leyendecker sieht die Sache inzwischen so: Uli Hoeneß sei völlig überflüssigerweise in Panik geraten, als man ihm zutrug, dass das Magazin Stern in Sachen Vontobel-Bank, Nummernkonto und Fußball recherchiere. Leyendecker enthüllt dabei einige interessante Details:
 

„Am Morgen des 15. Januar saß Hoeneß mit seinem Freund Hans-Ulrich Jörges, der Mitglied der Stern-Chefredaktion ist, in Berlin im Café Einstein, Unter den Linden. Sie unterhielten sich über Politik – wie immer.

Am Mittag traf sich Hoeneß mit der Kanzlerin zum Essen. Danach soll ihn die Bank Vontobel darüber informiert haben, dass ein Stern-Reporter im Zusammenhang mit einem Konto Fragen nach einer deutschen Sportgröße gestellt habe. Er fragte nicht nach Hoeneß – aber vielleicht war er auf der richtigen Spur. Jörges sagt heute, er habe von der Recherche des Kollegen nichts gewusst.“

 
In einem einzigen Absatz gelingt Leyendecker damit ein wunderbares Sittenbild der Republik. Da politisiert Uli Hoeneß morgens ein wenig mit dem befreundeten Chefredakteur des Stern, dann isst er ein Häppchen mit der befreundeten Kanzlerin und anschließend plauscht er noch mit seiner befreundeten Bank. (Diekmann & Rösler sind sozusagen der Normalfall).

Aber zurück zu den Ungereimtheiten. Der 15. Januar war ein Dienstag. Tags zuvor, am Montag, den 14. Januar, lag das „Vorprodukt“ des Stern bereits in der Redaktion. Die Story des Stern-Reporters Johannes Röhrig über das ominöse Schweizer Nummernkonto bei der Vontobel-Bank war am 16. Januar online.

Diese Geschichte, von der Jörges bei seinem Treffen mit Hoeneß nichts gewusst haben will, schildert die Zu- und Abflüsse von Konto-Nr. 4028BEA, auf welchem zeitweise bis zu 800 Millionen Schweizer Franken gebunkert waren. Inhaber des Kontos: ein Spitzenvertreter der Bundesliga. Diese sensationelle Geschichte ist einem Mitglied der Chefredaktion entgangen?

Am 27. April hatte Leyendecker die verschiedenen Akte im Hoeneß-Drama noch anders dargestellt. Damals hieß es in der SZ, die Stern-Geschichte sei erst „drei Tage nach Eingang der Selbstanzeige erschienen“. Diese sei am 12. Januar formuliert und am 15. Januar in Miesbach abgegeben worden. Hoeneß wäre damit aus dem Schneider gewesen. Denn der frühere Termin hätte bedeutet, dass er nicht erst auf öffentlichen Druck hin gehandelt hat.

Nun schreibt Leyendecker, Hoeneß habe seine Selbstanzeige erst am 17. Januar in Rosenheim abgegeben, also nach dem Erscheinen der Stern-Geschichte und nach dem Anruf der Vontobel-Bank. Welche der beiden Geschichten stimmt denn nun?

Der Stern-Reporter sagt, er habe die Vontobel-Bank am Morgen des 14. Januar mit seinen Recherchen konfrontiert – ohne dabei den Namen Hoeneß zu nennen.

Die Vontobel-Bank ruft (einen Tag später?) bei Hoeneß an und sagt: „Da stellt einer blöde Fragen, nur dass Sie es wissen.“

Der Spiegel schreibt, Hoeneß habe aufgrund dieser Mitteilung die Fassung verloren und seinen Steuerberater angewiesen, eine Selbstanzeige zu basteln. Außerdem nennt der Spiegel die Nummer des Hoeneßkontos, die mit jener im Stern übereinstimmt: 4028BEA.

Bis heute hat keines dieser Medien etwas korrigiert oder zurückgenommen.

 

Die Summen werden höher

Wie geht die neue Version von Leyendecker nun weiter? Noch am Tag des Treffens mit Angela Merkel, also am 15. Januar, soll Hoeneß seine Steuerexperten (darunter einen Steuerfahnder!!) nach Hause gebeten haben, „um Kriegsrat zu halten.“
 

„Freunden hat er erzählt, dass er sich nach dem Gespräch mit der Kanzlerin endgültig entschlossen habe, die Selbstanzeige abzugeben. Am nächsten Morgen, es war ein Mittwoch, soll dann der Steuerberater nach Zürich geflogen sein, um die Unterlagen für die Selbstanzeige abzuholen. Dort soll der Pressechef der Bank, Reto Giudicetti, in die Runde geplatzt sein.

Der Stern-Mann hatte am Montag noch einmal schriftlich nachgefragt. Immer noch nicht auf der richtigen Spur, wieder nicht der Name Hoeneß, aber viele “Trifft es zu”-Fragen. Der Steuerberater soll dann gleich wieder zurückgeflogen sein. Ohne Unterlagen. Es brannte. Angeblich. Ob diese in München kolportierte Geschichte genau so war, ist nicht ganz klar. Aber die Quellen, die sie verbreiten, sind gewöhnlich nicht schlecht informiert.“

 
Die Quellen sind nicht schlecht informiert, aber möglicherweise stimmt die Geschichte nicht. Erstaunlich ist, dass die Vontobel-Bank immer bei Hoeneß anruft oder gar in die Runde seines Steuerberaters platzt, obwohl in den Stern-Anfragen von Hoeneß nicht die Rede ist. Und noch etwas ist merkwürdig: Warum platzt der Vontobel-Pressechef am Mittwoch mit einer Nachricht in die traute Runde, die Hoeneß bereits am Dienstag nach dem Kanzleressen erreicht hat?

Geradezu rührend ist, dass sich Hoeneß in der neuen Erzählvariante der SZ unmittelbar nach dem Gespräch mit der Kanzlerin zur Selbstanzeige entschlossen hat! Das klingt nach: Mutti hat ihm den Kopf gewaschen und gesagt: So etwas tut man nicht! Da hat der Uli gedacht, Mutti hat Recht, ich zeig mich an. Leyendecker weiter:
 

„In Bad Wiessee sollen sich dann am Abend der Steuerberater, der Steuerfahnder und ein weiterer Anwalt mit Hoeneß zusammengehockt haben, um die Selbstanzeige zu formulieren. Zwei Konten, nur die Jahres-Endstände wurden saldiert. So eine Selbstanzeige ist Harakiri, selbst bei einer sehr hohen freiwilligen Abschlagszahlung. Sie soll bei gut neun Millionen Euro liegen.“

 
Das heißt: Erst am Abend des 16. Januar hat man sich bei Hoeneß in Bad Wiessee zusammengesetzt und die Selbstanzeige ausbaldowert, die am 17. Januar frühmorgens in Rosenheim abgegeben wurde? Und Hoeneß hat freiwillig 9 Millionen Euro an das Finanzamt gelöhnt? Und es ist plötzlich von zwei Konten die Rede? Oha.

Vermutlich zielt Leyendeckers neue Erzählung aber gar nicht so sehr auf den armen Hoeneß als auf die vermeintliche Rolle des Stern. Hoeneß, so Leyendecker, sei wegen der Stern-Recherchen in Panik geraten und wollte deshalb unbedingt noch vor dem Erscheinen des Stern am 17. Januar seine Selbstanzeige beim Finanzamt abgeben. Allerdings sei er völlig umsonst in Panik verfallen, da in der Stern-Geschichte („Das geheime Fußballkonto“) der Name Hoeneß gar nicht auftauchte.

Nun könnte man fragen: Warum gab es keinen Namen zu der Stern-Geschichte, die ansonsten sehr detailfreudig über das Nummern-Konto 4028BEA Auskunft gibt? Warum wurde nur von einem „Spitzenvertreter der Bundesliga“ gesprochen? Warum haben sich Jörges und Hoeneß am 15. Januar in Berlin zum „politischen Gedankenaustausch“ getroffen? Leyendeckers Bericht legt solche Fragen nahe.

Da die SZ aber nicht in den Verdacht geraten will, ihren Lesern eine Verschwörungstheorie aufzutischen, redet sie von Zufällen und misslichen Umständen. Nur: Der Name Jörges ist erst mal im Spiel. Inklusive der maliziösen Bemerkung, dass dem Stern-Chefredaktionsmitglied Jörges „bei der flüchtigen Lektüre der (Stern-)Geschichte nicht in den Sinn gekommen“ sei, „dass am Ende möglicherweise seinem Freund Hoeneß das geheimnisvolle Vontobel-Konto zuzurechnen war.“

 

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