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Günther Jauch, der duale Moderator: Die Zeit der Exklusivverträge mit einem Sender ist schon lange vorbei

von , 16.8.10

Vor drei Jahren wollte der WDR-Rundfunkrat Günther Jauch ganz oder gar nicht bei der ARD haben. Vor einigen Wochen fragte Ruth Hieronymi, die Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, grundsätzlich, „ob man ja dazu sagt, dass ein prägendes Gesicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für Information steht und im kommerziellen Fernsehen für die Unterhaltung. Bisher war es ja so, dass ein Gesicht stets mit einem bestimmten Sender in Verbindung gebracht wird.“

Doch stimmt das? Ist es etwa Günther Jauch, für den die ARD die Mauer zu den privaten Sendern zum Einsturz bringt, um sich zu retten? Die Zeit der Exklusivverträge mit einem Sender ist schon lange vorbei.

Günther Jauch arbeitet bei „5 gegen Jauch“ mit Oliver Pocher zusammen, der bei Sat.1 unter Vertrag ist. Stefan Raab hat für die ARD Lena platziert. Viva-Clipansagerin Gülcan Kamps ist nicht die einzige Moderatorin eines privaten Senders, die in ARD-Shows saß, wobei sie auch schon bei ZDFneo war. Schon Mitte der Neunziger moderierte Thomas Gottschalk nicht nur „Wetten, dass?“ beim ZDF, sondern auch bei Sat.1 „Gottschalks Haus-Party“ und die Show „Gottschalk kommt“, heute ist er regelmäßig beim Spielfilmsender Tele 5 im Programm. Andrea Kiewel moderiert seit Jahren – nur unterbrochen durch eine Schleichwerbepause – den ZDF-Fernsehgarten sowie für RTL die Show „Einspruch! Die Show der Rechtsirrtümer“.

Ja, wenn die eigene Firma für beide Seiten produziert, warum soll dann nicht auch der Chef auf beiden Seiten moderieren? (Foto: SpreePiX - Berlin, cc by-nc-nd)

Zwischen den Sender zu wechseln, ist schon lange üblich. ARD und ZDF haben selten Berührungsängste mit Moderatoren, die bei den Privaten groß geworden sind. Im Gegenteil: Man bedient sich permanent. Bruce Darnell durfte sich nach “Germanys Next Topmodel” im ARD-Vorabend als Typberater versuchen. Tim Mälzer wechselte 2009 von Vox zur ARD. Eckhart von Hirschhausen, der neue ARD-Showstar, hat sich genehmigen lassen, dass sein Bühnenprogramm bald auf RTL läuft.

Vielen Moderatoren ist es egal, bei welchem Sender sie vor der Kamera stehen. Einige haben auch eigene Produktionsfirmen, die schon lange für beide Seiten des Systems arbeiten. Moderatoren mit ihren Sendungen outzusourcen, auf die Idee kamen ARD und ZDF, um sich soziale Folgekosten zu sparen, falls einmal eine Produktion eingestellt wird. Alle Polit-Talks des ERSTEN werden so produziert. Dabei hatten die Sender Sabine Christiansen, Frank Plasberg sowie Anne Will, die bei ihnen jahrelang fest angestellt waren, gebeten, sich für ihre Talkshows selbstständig zu machen und Firmen zu gründen. Damit wurde das auf den politischen Journalismus übertragen, was für die Unterhaltung schon lange Praxis war. So hatte Alfred Biolek im Jahre 1979 die PRO GmbH gegründet, um mit ihr „Bios Bahnhof“ zu produzieren. Noch bevor die privaten Sender folgten kamen „Bei Bio“, „Mensch Meier“ und die „Mitternachtsspitzen“ für das DRITTE des WDR hinzu. 2001 gründete man zuletzt auch noch eine fiktionale Abteilung und produzierte für WDR, ZDF, Sat.1 und RTL.

So, wie Alfred Biolek von der ARD aus kommend Programmflächen bei den privaten Sendern eroberte, so eroberten Günther Jauch und Stefan Raab für sich bzw. mit ihren Produktionsfirmen Programmflächen bei ARD und ZDF. Stefan Raab moderierte 1997 erstmals parallel bei VIVA und für WDR/Eins live. Laut Süddeutscher Zeitung schaffte es Günther Jauch mit seiner I&U TV in nur sieben Jahren, auf einen Jahresumsatz von 35,3 Mio. Euro und einen Gewinn von 6,2 Mio. Euro zu kommen (2007). Zuletzt legte die ARD die Produktion ihrer zwei Geburtstagsshows in die Hände der I&U TV. Selbst die Geschichtsschreibung lagert man aus. Viele andere Produktionsfirmen – darunter auch viele, die den öffentlich-rechtlichen Sendern gehören, wie Studio Hamburg, ZDF Enterprises etc. – produzieren für beide Seiten des dualen Systems.

Ja, wenn die eigene Firma für beide Seiten produziert, warum soll dann nicht auch der Chef auf beiden Seiten moderieren? Warum soll nicht derjenige, der die Inhalte entwickelt auch die Ansagen machen und die Sendungen als Werbung in eigener Sache nutzen?

Die Sender ändern sich. Lange hatte jeder Sender eine einheitliche, geschlossene Identität. Nun entwickeln sie sich zu großen Plattformen. Andere können diese nutzen, um sie mit ihren Inhalten zu füllen. Die Sender sehen sich immer mehr als Distributionsweg zu den Zuschauern, von denen sie mit ihrem Markenkern möglichst viele binden wollen. Einer der ersten, der gezeigt hat, wie man dies für die eigene Firma nutzen kann, war Stefan Raab.

Und so kümmert man sich in den Sendern immer mehr um das Image, die Marke, den „Programmflow“ und immer weniger um die Produktion von Inhalten. Die wird seit Jahren immer stärker ausgelagert. Das, was mit Filmen und Serien vor 50 Jahren begann, wird jetzt auf andere Bereiche übertragen. Über Jahrzehnte hinweg haben sich so ARD und ZDF Schritt für Schritt von Programm-Produzenten zu Sendezeit-Verwaltern entwickelt.

Doch wieso soll man dafür noch Gebühren bezahlen? Fließen so nicht Gewinne aus den Produktionen für ARD und ZDF in Produktionen für die privaten Sender? Wäre es angesichts einer solchen Entwicklung nicht folgerichtig, bestimmte Formate, die öffentlich-rechtlichen Ansprüchen genügen, durch Rundfunkgebühren zu finanzieren, egal auf welchem Sender sie laufen?

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