#Fernsehkritik

Gespräche mit meinem Therapeuten Kurt über das Fernsehen (4)

von , 17.5.12

Was ich erstmal sagen muss: Kurt war böse. Richtig böse! Er war nicht einverstanden mit dem, was ich letzte Woche erzählt habe und auch nicht, wie ich es getan habe. Kurt sagt, ich hätte ihn absichtlich missverstanden und dieses bewusste Missverständnis dazu benutzt, weiterhin alles in den Dreck zu ziehen. DSDS-Kids sei nicht für Pädophile und bei RTL 2 tritt niemand auf, der behindert ist.

Kurt sagte, er würde meinen Therapieerfolg als gefährdet einstufen und ebenfalls überlegen, die Behandlung abzubrechen. Das wäre fatal für mich. Seine Bedingung für eine Fortsetzung: Eine Woche striktes Fernsehverbot! Daran habe ich mich gehalten. Deswegen komme ich erst jetzt dazu zu schreiben.

Allerdings habe ich Kurt ein wenig „ausgetrickst“ und einfach alles im Internet geschaut.

Dabei bin ich tatsächlich auf eine Produktion gestoßen, die mich meine Einschätzung von Verschwendung der GEZ-Gebühren hat überdenken lassen: Ich habe mir in der Mediathek alle vier Folgen von „Gelobtes Land“ angeschaut und war extrem begeistert. Der Vierteiler schafft es, Fakten in fiction zu packen und den Zuschauer den Israel-Konflikt wirklich einmal von allen Seiten betrachten zu lassen.

Da fand ich unsere GEZ-Gebühren deutlich besser angelegt als für die Feier des 60. Geburtstages von Kurt Beck, zu dem ich übrigens weder eingeladen war noch gekommen wäre.

Als ich Kurt sagte, dass so eine Produktion wie „Gelobtes Land“ mich nicht nur dafür, sondern sogar für die Günther-Jauch-Sendung über Günter Grass entschädigen würde, meinte er, ich solle endlich mit dem auf „Günther-Jauch-Rumgehacke“ aufhören. Ich habe darüber nachgedacht. Und ich werde es nicht tun. Denn Günther Jauch ist für mich wichtig. Günther Jauch war für mich ein Vorbild. Und deswegen fällt es mir schwer, seine Sendung in der ARD zu ertragen. Von Günther Jauch erwarte ich nicht, dass er „nach allen anderen“ eine Talkrunde mit allen „Geiern der Apokalypse“ zu Günter Grass macht, sondern genau andersrum. Ich möchte, dass er mit Günter Grass über die öffentliche Reaktion auf sein – sagen wir mal: Gedicht – spricht.

Verwirrend fand ich einen Bericht auf RTL.de. Dort wurde behauptet, dass fundamentalistische Islamisten, genannt Salafisten, Lady Gaga verteufeln würden. Das hat mich verwundert. Ich hätte geschworen, sie wäre von ihnen eingesetzt worden, um zu demonstrieren, wie weit unten wir Christen bereits sind.

Weiterhin sah ich einen Bericht über eine mumifizierte Frau, die vor drei Jahren beim Fernsehgucken gestorben sein soll. Ich vermute: Beim Tatort!

Hier muss ich zugeben: Ab Sonntag habe ich geschummelt und heimlich die Glotze angeschmissen.

Mein Highlight dieser Woche: „Der Wald steht schwarz und schweiget.“ Ulrike Folkerts aka Lena Odenthal steht gefesselt vor einer Horde wilder, jugendlicher, mutmaßlicher Mörder, von denen einer sich im „Pilzdrogenwahn“ in seinem eigenen Schweiß suhlt, einer gerade in die Hose gepisst hat und der Rest  entweder mit einer Waffe spielt oder gebannt an ihren Lippen hängt, und erzählt, wieso sie „Bulle“ geworden sei. Ihr Vater wäre Alkoholiker und Schläger. Ihr Bruder deswegen auch. Und sie kämpft jetzt dagegen.

Ich habe auch gekämpft. Mit Erbrochenem, das mir durchs Auge floss.

Mal einfach ein bisschen tragische Backstory in einen Tatort integrieren und das dann mit Problemen der Jugendlichen unserer Zeit (Hose pissen, Pilze fressen, Menschen schießen) würzen. Ich habe nachgeschaut – das Buch war aber nicht von Hans W. Geißendörfer.

Ich habe ausgemacht. Und es nicht ausgehalten. Und mir das Ende dann zwei Stunden später auf Eins Festival angeschaut. Und das fand ich doppelt doof. Odenthal lebt und den Mörder sollte ich selber im Internet suchen. Wenn es einen gibt….!

Ich habe mich dann reingeklickt und folgende Meldung erhalten: Oh nein! Ihr Internetbrowser ist veraltet.
Ihr Browser ist veraltet und das Spiel wird daher bei Ihnen vermutlich nicht laufen. Im Folgenden finden Sie eine Auswahl von unterstützten Internetbrowsern. Wenn Sie dieses Fenster ignorieren und einfach schließen, wird das Spiel vermutlich nicht korrekt laufen.

Aha! Das tat es im Übrigen auch trotz Download nicht… Ich habe mich dann aber für Firefox entschieden. Da hatte ich eh eine „wohl schon veraltete, weil erst vor 4 Wochen aktualisierte“ Version auf meinem Rechner. Nachdem mir mehrmals versichert wurde, dass Firefox ausschließlich gemeinnützig sei und dies auch durch grenzdebile Fotos belegt wurde, habe ich downgeloadet, schon beim sechsten Versuch hat es geklappt und ich war im Spiel.

Zu der Seite und dem Spiel möchte ich weiter nichts sagen. Funktioniert hat nie irgendetwas beim ersten Anlauf. Das war noch nerviger als der „Tatort“ an sich. Was ich noch vor ein paar Stunden nicht für möglich gehalten hätte.
Allerdings muss ich zugeben: Wenn die Seite mit dem „Spiel“ funktioniert hätte und ich nicht immer wieder hätte nachladen müssen, dann hätte ich es zu Ende gespielt. Ich hätte mir natürlich vorher Urlaub genommen oder mich krank gemeldet, denn wenn ich die nächsten 14 Tage Mordakten im Internet wälzen muss, dann bleibt nicht viel Zeit für anderes.

Vielleicht spinnt die ARD ja ihr Konzept in diese Richtung noch weiter aus und den Namen des nächsten Mörders schreiben sie in die Botschaft von Glückskeksen, verstecken ihn in jedem siebten Ei, oder man kann ihn beim Erwerb eines happy meals bei Mc Donalds als Gummifigur dazu bekommen. Ich habe ihn von Bild.de. Es ist Murat.

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