#Arthur Sulzberger

“Future Face of Media” rettet lieber das Altbekannte – eine Nachbetrachtung

von , 19.5.10

Wie veranstaltet man eine gute Konferenz? Man lädt einige namhafte Vertreter einer Branche ein und lässt sie auf dem Podium zu aktuellen Fragestellungen diskutieren. So jedenfalls muss sich die Maleki Group das gedacht haben, als sie die Future Face of Media geplant hat. Leider ging die Rechnung in diesem Fall nicht auf.

Denn im Ergebnis saßen fast immer nur Vertreter der “alten” Medienwelt auf dem Podium, die sich gegenseitig versicherten, dass Qualitätsjournalismus oder lineares Fernsehen eine große Zukunft haben und so aussehen werden, wie man sich das in ihren Traditionshäusern vorstellt. Allenfalls die Keynotes von Chris Ahearn (Thomson Reuters, New York) und Arthur Sulzberger Jr. (The New York Times Company, New York) ließen ahnen, dass es auch anders kommen könnte, etwa weil man bei Reuters künftig sehr viel stärker auf Videoformate setzen wird und die New York Times nicht nur eine Paywall einführen, sondern auch bei der Erstellung von Content ihre Leser stärker einbinden will.

In der deutschen Medienwelt dagegen scheint man noch davon auszugehen, dass fast alles beim Alten bleiben wird, denn für die Probleme mit dem Internet hat man ja Lösungen gefunden: Das Leistungsschutzrecht etwa oder Paid Content, neuerdings in Form von Applikationen für die schicken Geräte von Apple. Damit aber wird der durch das Internet ausgelöste Medienwandel sehr defensiv und regulierend angegangen, was auf den Podien der Konferenz gut geheißen und nur im Publikum kritisch hinterfragt wurde. Dort saß unter anderem Thomas Knüwer, den man gut und gerne auch hätte in eine der Sessions setzen können.

Insgesamt bot die Veranstaltung einen sehr guten Einblick in die aktuelle Stimmungslage und das Denken in Teilen der Medienwelt. Die Medienflaggschiffe aus dem 20. Jahrhundert sehen sich alle weiter auf munterer Fahrt und wollen nicht sehen, dass das Internet für sie das werden kann, was der Eisberg für die Titanic bedeutete: Das schnelle Ende für den Mythos der Unsinkbarkeit.

Ihr Problem ist, dass sie viel zu institutionell und medienkonform denken. Der Hessische Rundfunk macht eben Radio bzw. Fernsehen und die Libération in Paris erstellt eine Zeitung. Das war über Jahrzehnte so und sollte irgendwie auch so bleiben. Die Identität und Kultur dieser Institutionen scheint so stark mit ihrem traditionellen Gattungsbegriff verwoben zu sein, dass sie gar nicht sehen können, wie das Internet die Grenzen ihrer Gattungen sprengt und regionale Zuständigkeiten einfach auflöst.

Da verwundert es auch nicht, dass niemand den Begriff der Personalisierung diskutiert. Gewiss: Facebook und Twitter sind inzwischen bekannt, aber dass es in diesen Social Networks keine einheitliche Medienerfahrung, sondern nur individuelle Muster gibt und sich daraus auch Chancen für mediale Geschäftsmodelle ergeben könnten, ist kein Thema. Lieber rettet man das Altbekannte, in dem man es in neue Formen gießt: In Applikationen für

“all diese hübschen kleinen Computer, denen man die Tastatur amputiert hat und die darum sehr viel weniger Interaktion erlauben und den Nutzer mit sanftem Zwang in eine Konsumentenhaltung zurückdrängen”

wie es Thierry Chervel im Perlentaucherblog zur Konferenz treffend formuliert. Die Haltung vieler hat wunderbar auch Dr. Rüdiger Wischenbart in seiner Nachbetrachtung (unbewusst?) konserviert. Out of the Box-Denken oder kreative Impulse muss man hier nicht erwarten. Künftige Konferenzen zur Medienentwicklung im digitalen Zeitalter tun deshalb gut daran, neben die namhaften Platzhirsche etablierter Institutionen Newcomer aus dem Bereich der neuen Medien zu setzen, selbst wenn deren Ansätze oder Startups noch eher experimentellen Character haben. Anders wird sich nicht erkunden lassen, wie rasch und umwälzend der Wandel voranschreitet und wo sich Chancen und Geschäftsmodelle für die Zukunft auftun.

Dass der Carta-Livestream mitten während der dritten Session unvermittelt abbrach, war zwar ein Versehen (bei all den offenen Fenstern hat sich dann die eine Anwendung unbemerkt verabschiedet, wir bitten um Nachsicht), aber so gesehen wie ein Zeichen, dass man in der neuen Medienwelt die vielen Worthülsen und Beschwichtigungen der alten Medien nicht mehr hören kann.

“Future Face of Media” – Das Video (mit Keynote von Arthur Sulzberger Jr.)

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