##btw13

Für die Freiheit

von , 23.9.13

Über den Verlauf der Wahlkampagne bin ich betrübt. Noch sind keine Analysen bekannt, aber ich habe schon vor einigen Tagen einige Gedanken zusammengetragen:

 

Ökosozialdemokratie, Energiewende und VeggieDay

Es tut mir weh, das schreiben zu müssen, aber das war zu blutleer und zu defensiv.

Mit dem Steuer-Thema ging es zum Parteitag eigentlich gut los, Kritik konnte abgewendet werden, in den Zeitungen wurde durchaus wohlwollend über die ambitionierten Steuer-Pläne berichtet. Das kippte aber irgendwann, so mein Eindruck.

Die Energiewende kann nicht glaubhaft verkündet werden, nachdem im Jahr 2011 ein Parteitag zur “Energiewende” (man muss nur googeln) die Konflikte in der Energiepolitik “befriedet” hat, wie einige Grüne verkündeten. Deswegen war der Wahlkampfendspurt mit diesem Thema Bullshit.

Der VeggieDay war der totale Reinfall. Ich erhebe Vorwürfe an die jungen und alten Vegetarier/Veganer, sich innerhalb der Partei stets laut hingestellt zu haben, dann aber im Wahlkampf den Aspekt “Öko leben”, als er dann in Form des VeggieDays aufkam, nicht mit Leben gefüllt zu haben. Es wurde viel zu defensiv agiert, zB mit Verweis darauf, dass ja auch Aigner VeggieDays eingeführt habe.

Als ich 2002 ganz neu bei den Grünen war, lief ich mal mit meiner Mutter durch Köln. Bärbel Höhn und Kerstin Müller bereiteten Dinkelpfannkuchen mit einer leckeren Füllung zu. Ich war sehr stolz, von Bärbel einen Dinkelpfannkuchen gereicht zu bekommen.

 

Pädophilie-Debatte

Das Ergebnis der Pädophilie-Debatte ist dramatisch. An mehreren Stellen wurde die These geäußert, es gehe hier um Demographie – für mich klingt das plausibel. Ich fürchte nun einen Rollback, Schwule werden wieder mehr als “Kinderficker” gesehen und auch reaktionäre Rollenbilder, beispielsweise “Die deutsche Mutter”, werden mehr Konjunktur haben.

Die Rolle der LinksBILD in der Pädophilie-Debatte war schäbig, ich hoffe, man schämt sich dort nach diesem Blutrausch. Ich rate dazu, die Zeitung abzubestellen bzw. Genossenschaftsanteile zu kündigen.

Grüne waren nicht in der Lage, sich in dieser Debatte kompetent zu äußern und wurden immer mehr zu Getriebenen. Ob bei diesem Augen-Zu-Thema eine Verteidigung möglich gewesen wäre, weiß ich nicht. Ich weiß auch bis jetzt nicht, was wirklich wahr ist, obwohl ich seit langer Zeit an unterschiedlichsten Stellen zum Thema nachgefragt habe.

Ob es richtig war, den SPD-nahen Franz Walter vor einer Bundestagswahl mit der Aufarbeitung des Skandals zu beauftragen und ob es einen Unterschied gemacht hätte, wenn Walter erst nach der Wahl begonnen hätte, weiß ich nicht.

 

Überwachung/NSA

Das Thema lief länger als erwartet, rechte Grüne haben sich mit transatlantischen Positionen zurück gehalten. Beides sehr erfreulich. Das Plakat zum Thema dann der totale Reinfall: ein kastrierter Hipster, der von oben fotografiert jammert “ich lasse meine Freiheit nicht anzapfen”. Ob diesem Hipster sein Facebook angezapft wird oder in China ein Sack Reis umfällt, ist das gleiche.

 

Plakatkampagne

Die Plakatkampagne war verwaschen und uninteressant. Wie sich in meiner drastischen Ausdrucksweise zu dem Überwachungsplakat zeigt, war mir neben zu wenig Farbe und zu wenig Kontur auch zu wenig Sex in der Plakatkampagne. Wenn schon so viele Köpfe – warum eigentlich? – dann bitte welche, die Lust machen. So geht Werbung.

 

Ausblick

Das Gejammer über die Umfrageinstitute ist albern und auch das über die Veröffentlichung von Zahlen am Wahlsonntag in der BamS. Moderne Zeit ist Echtzeit bzw. liquid.

Den Gegnern gelang es leicht, die Grünen in die Verbotsecke zu drücken. Meiner Ansicht liegt das daran, dass in den letzten Jahren zu wenig mit dem Freiheitsbegriff operiert wurde. Auch liegt dies an grüner Politik. Rauch- und Alkoholverbote, also Verbote, die das persönliche Leben betreffen, werden mit notwendigen Verboten für die Wirtschaft – zum Beispiel in der Klimapolitik – in einen Topf gerührt, so gelang es den Gegnern, die Grünen als Nannypartei vor sich herzutreiben. Anders gesagt: die schlechten Eigenschaften von Trittin und Künast werden kombiniert und schon hat man seinen Verbots-Focus. Das ist schade.

Sollte es in der Partei noch einen Focus auf die FDP als Hauptgegnerin geben, sollte dieser überdacht werden. Ich halte diesen Focus im übrigen nicht für einen strategischen, sondern einen parteitaktischen – man konnte sich anscheinend nicht auf die CDU als Hauptgegnerin einigen.

Wie ich schon vor etwa einem dreiviertel Jahr in meiner inzwischen eingestellten Kolumne in der LinksBILD schrieb, hat mich das Argument, Göring-Eckardt sei Mutter, gestört. Heute erschien ein lebensweltlicher Artikel von Unfried auf linksbild.de, in dem dieses Motiv am Beispiel von Andreae wieder gespielt wurde. Das macht mir Sorgen (siehe Pädo-Debatte).

Ich schlage den Grünen vor, in Zukunft mit den Begriffen “Gerechtigkeit, Freiheit, Umwelt” zu agieren. Wenn’s nur zwei sein sollen: “Gerechtigkeit und Freiheit”.

Und nun viel Spaß beim Gemetzel.

 
Crosspost von zeitrafferin 

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