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Fair Share von Google – vielleicht geht es doch!

von , 5.3.12

Auf iRights.info schreibt Andrea Lohse, Professorin für Wirtschaftsrecht an der Ruhr-Universität Bochum, sie sehe für die Verleger wenig Aussicht auf Erfolg mit ihrer Forderung nach einem „fair share“ gegen Google. Ich bin ja nur ein kleiner Medienrechtsanwalt in einer mittelgroßen Münchner Kanzlei und trage keinen Professorentitel und berate nicht das Bundeswirtschaftsministerium. Man muss also nicht viel geben auf meine Meinung, aber ich glaube, dass der Gedanke von fair share so blöd gar nicht ist, wie jetzt alle tun.

 

Was ist dieses fair share eigentlich?

Ich muss auch zugeben, dass ich gar nicht so richtig weiß, was andere unter fair share verstehen. Da werden Parallelen zum (aus anderen Gründen abzulehnenden) Leistungsschutzrecht gezogen und es wird über CTRs gefachsimpelt. Vielleicht verstehen auch die Verleger oder ihre Anwälte fair share anders als ich. Ich habe auch nie gelesen, was in der Kartellbeschwerde der Verleger drin steht. Vielleicht ist sie ja furchtbar mies – so etwas kommt manchmal vor. Wie auch immer: Ich jedenfalls verstehe fair share so, dass Google etwas abgeben muss an die anderen Mitbewohner im Ökosystem Internet, weil sie die Großen und Reichen sind und die Großen und Reichen den Kleinen und Armen immer etwas abgeben müssen.

 

Wie groß und reich ist Google?

Google ist zweifellos ein Monopolist wie es ihn noch nie gab. Google fährt das dicke Geld im Internet ein und danach kommt lange lange nichts. 2011 waren es fast 38 Mrd. Dollar Umsatz, mehr als das Zehnfache im Vergleich zu Facebook. Und die Kostenquote ist grandios: Nur 32.467 Mitarbeiter, dazu noch ein paar Serverfarmen, keine Produktion, kein Vertrieb. Das ist wie eine Maschine, die Gelddruckmaschinen baut. Da ist man natürlich froh, dass der Wahlspruch von Google lautet: „Don´t be evil!“ Na dann ist ja alles gut! Das Geschäftsmodell ist zielgenaue Werbung. Die kann man buchen, über Google-Adwords. Es gibt aber noch einen weiteren Dienst, mit dem Google die Reichweite seiner Werbung auf fremde Seiten (z.B. stern.de) ausdehnt – der heißt Google-Adsense, und das ist der einzige Dienst, der jetzt schon Geld von Google an die Anbieter von Internetseiten (Publisher) fließen lässt. Niemand bringt algorithmisch zielgenauere Werbung auf Ihre Seiten als Google-Adsense. Das liegt daran, dass Google alles über alle Menschen weiß. Oder wie es Eric Schmidt formuliert:

„Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, worüber du nachdenkst.“

Im Zusammenhang mit den neuen Datenschutzbestimmungen skizziert Google bereits relativ präzise, auf welch schöne neue Welt man bei Google hinarbeitet.

„Wir können euch daran erinnern, dass ihr für ein Meeting spät dran seid – basierend auf eurem Standort, eurem Kalendereintrag und der Straßenverkehrsinformation in Google Maps.“

Da also Google alles weiß und sich die besten Techniker leisten kann – man braucht davon sowieso nicht allzu viele – kann es dieses Wissen dazu einsetzen, die passende Werbung für genau Ihre Hämorrhoiden oder genau Ihren Scheidenpilz auszuliefern, passend abgestimmt auf die Drogen, die sie sonst so nehmen. Jedenfalls ist Google-Adsense seinen Mitbewerbern im Bereich Werbevermarktung ungefähr so überlegen wie ein Ferrari einem Dreirad. Diese Überlegenheit bezieht sich aber nicht allein auf die auswertbare Datenbasis, den technologischen Vorsprung und den nur in 10er-Potenzen messbaren Reichweitenvorteil, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf den erzielbaren Preis pro Werbeauslieferung (eTKP). Verwunderlich ist daher, dass man als Kunde mit Google-Adsense nicht wesentlich mehr verdient als bei anderen Vermarktern. Es könnte daran liegen, dass der share nicht fair ist.

 

Wie ist denn der aktuelle share?

Wenn man sich den share bei Googles Mitbewerbern (den Dreirädern) so anschaut, so nehmen diese – je nachdem, ob man sich exklusiv oder nicht exklusiv anschließt – zwischen 30 und 50 Prozent des auf Ihrer Webseite generierten Umsatzes. Fair share? Ansichtssache! Aber immerhin: Die müssen hart arbeiten, um an ihre Werbekunden ranzukommen (das muss Google nicht, die Kunden kommen von allein) und Technologie und Kundenbetreuung (hat Google nicht – na ja so ein bisschen – kaum der Rede wert) machen sich auch nicht von selbst. Also der share scheint bei den Dreirädern im Wesentlichen in Ordnung. Jedenfalls gibt es da Wettbewerb und so ist das zumindest kartellrechtlich unkritisch. Und Google-Adsense?

Nr. 12 der AGB lautet in Auszügen:

12.1. Sie erhalten von Google eine Zahlung in Höhe eines Teils der Werbeeinnahmen, die Google von dritten Inserenten aufgrund der Anzeigen und Empfehlungs-Buttons auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en) erhält. Diese Summe wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, unter anderem (a) von der Anzahl der gültigen Klicks auf Anzeigen auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en), (b) die Anzahl der gültigen Ansichten von Anzeigen auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en), (c) der Anzahl der gültigen Abschlüsse von durch Empfehlungs-Buttons auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en) initiierten Empfehlungsereignissen und/oder durch andere Ereignisse im Zusammenhang mit der Darstellung von Anzeigen auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en). Der Anteil der Summe, die Sie erhalten, wird von Google in seinem alleinigen Ermessen festgesetzt. Sie erkennen an, dass Google Ihnen nicht mitteilen wird und hierzu auch nicht verpflichtet ist, wie es diesen Anteil ermittelt und welchem Prozentsatz dieser Anteil im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen von Google aufgrund der auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en) erscheinenden Anzeigen und Empfehlungs-Buttons entspricht. Die Zahlung wird allein auf Grundlage von durch Google gespeicherte Informationen berechnet…

12.10. Google ist berechtigt, seine Preisstruktur und/oder Zahlungsstruktur jederzeit nach eigenem Ermessen zu ändern…

12.12. Google kann Gelder und sonstige Ansprüche, die Ihnen im Zusammenhang mit dem AdSense Programm zustehen, unter bestimmten Voraussetzungen einbehalten. Sie erklären sich damit einverstanden, dass Google, ohne Sie darüber zu informieren, alle Gelder, die Ihnen im Zusammenhang mit dem AdSense Programm zustehen (sofern vorhanden), an von Google ausgewählte Hilfsorganisationen spenden kann, wenn Google diese Gelder Ihnen nicht auszahlen kann, weil Ihr Konto inaktiv (so wie im Folgenden definiert) ist.

Mit anderen Worten: Der share ist fair und was fair ist, entscheidet Google.

 

Don´t be evil und die babylonische Verwirrung

Vielleicht ist es zu streng, wenn man sagt, dass Google Teufelswerk (evil) ist. Aber es ist schon schlimm genug, wenn die AGB einfach rechtswidrig sind. Denn gerade ein großes, marktbeherrschendes Unternehmen sollte sich an Recht und Gesetz halten.

Nach §4 Nr.11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Unlauter handelt, wer unwirksame AGB verwendet. Problematisch ist bei Google-Adsense, nach welchem Recht diese AGB zu beurteilen sind. Denn in den AGB ist eine sogenannte Rechtswahlklausel enthalten, welche die Anwendbarkeit englischen Rechts vorsieht. Diese binden aber zunächst nur die Vertragspartner, nicht die Mitbewerber, die in einem Wettbewerbsprozess dafür sorgen wollen, dass Google sich in Deutschland anständig benimmt, damit im Wettbewerb Chancengleichheit herrscht.

Einerseits könnte man sagen, dass das deutsche UWG nur die Anwendbarkeit wirksamer AGB fordert und die Wirksamkeit nach englischem Recht beurteilt werden müsse, weil schließlich alle Vertragspartner englisches Recht vereinbaren (müssen). Allerdings wären dann deutsche Unternehmen auf dem deutschen Markt möglicherweise anderen Marktverhaltensregeln unterworfen als Google. Genau das soll aber das Wettbewerbsrecht verhindern. Entsprechend sieht Art.40 EGBGB das so genannte Marktortprinzip vor, nach dem das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die fragliche Handlung vorgenommen wird. Das ergibt sich gleichfalls aus Art.6 Abs.1 der Rom-II-VO. Nach Art.6 IV der Rom-II-VO kann von dieser Regelung auch nicht durch eine Rechtswahl abgewichen werden. Die AGB von Google-Adsense sind also trotz der Rechtswahlklausel am deutschen Recht zu messen.

 

Don´t be evil und Intransparenz

Als sogenannte Preisklausel ist Ziffer 12.1. zwar einer Inhaltskontrolle entzogen, weil eine AGB-Kontrolle nicht für leistungsbeschreibende Klauseln gilt. Denn man geht davon aus, dass diese ohnehin den Kern der Entscheidung für oder gegen einen Vertragsschluss ausmachen. Allerdings gilt auch für Preisklauseln das Transparenzgebot, d.h. Google müsste seine Berechnungsgrundlagen offen legen. Ein Blick in die Google-Adsense-AGB sagt mir:

„Sie erkennen an, dass Google Ihnen nicht mitteilen wird und hierzu auch nicht verpflichtet ist, wie es diesen Anteil ermittelt und welchem Prozentsatz dieser Anteil im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen von Google aufgrund der auf Ihrem(n) Kundenobjekt(en) erscheinenden Anzeigen und Empfehlungs-Buttons entspricht.“

 

Don´t be evil und fehlendes Preisverzeichnis

Nach §5 Abs.1 Preisangabenverordnung hat jeder, der Leistungen anbietet, ein Preisverzeichnis mit den Preisen für seine wesentlichen Leistungen aufzustellen.

„Der Anteil der Summe, die Sie erhalten, wird von Google in seinem alleinigen Ermessen festgesetzt.“

 

Don´t be evil und fair share I

Die Rechtsordnung gestattet grundsätzlich ein vertraglich vereinbartes einseitiges Preisbestimmungsrecht. Allerdings müssen die Preise im Zweifel nach „billigem Ermessen“ bestimmt werden. Durch AGB kann dieser Maßstab nicht auf ein „freies Ermessen“ reduziert werden, das nur bei „offenbarer Unbilligkeit“ richterlich kontrollierbar ist (Gottwald in Münchner-Kommentar, 2007, §315, Rn.33). Soweit es alleiniges Ermessen heißt, steht das eher einem „freien“ Ermessen nah. Allein aus diesem Grund könnte die Klausel unwirksam und angreifbar sein.

 

Don´t be evil und fair share II

Nach §19 Abs.4 Nr.2 GWB liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Nach der Vitamin-B12-Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann sich die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auch in der Preisgestaltung des marktbeherrschenden Unternehmens zeigen. Unabhängig von der Frage, welchen share Google konkret ausschüttet, könnte eine missbräuchliche Preisgestaltung auch darin liegen, dass Google gar nicht sagt, wie viel sie ausschütten.

 

Don´t be evil und der Verfall des Auszahlungsanspruchs

Es ist schwierig, im Internet Geld zu verdienen. Wenn man es dann schafft, eine Webseite zu etablieren, die hinreichende Werbeumsätze generiert, so kann Google nach seiner eigenen Vorstellung von Weltgerechtigkeit und Weltfrieden jederzeit den Stecker ziehen.

Google kann Gelder und sonstige Ansprüche, die Ihnen im Zusammenhang mit dem AdSense Programm zustehen, unter bestimmten Voraussetzungen einbehalten.

Das OLG Köln hat am 28.6.2010 über eine vergleichbare Klausel schon einmal entschieden. Das Urteil fiel eindeutig aus:

An der unangemessenen Benachteiligung ist nicht zu zweifeln. Die Regelung, dass im Fall des Bekanntwerdens eines Regelverstoßes „alle Guthaben, inklusive allen offenen Auszahlungen gelöscht“ werden, nimmt dem Werkunternehmer undifferenziert und ungeachtet der Höhe des in Rede stehenden Betrags sowie der Schwere des Regelverstoßes sowie unabhängig von einem Verschulden des Werkunternehmers den Werklohnanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB, dem wegen – hier in Rede stehender Pflichtverletzungen – nach der gesetzlichen Regelung verschuldensabhängige Gegenansprüche nach §§ 280 ff. BGB entgegen gehalten werden könnten, die zudem nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu bemessen wären. Hiervon weicht die Regelung ab, indem sie verdiente Werklohnansprüche in jeglicher Höhe für jeden Fall eines „Regelverstoßes“ entfallen lässt. Besondere Interessen des Verwenders sind weder aufgezeigt noch ersichtlich. Die Regelung verstößt nach dem Vorstehenden zudem gegen den Grundgedanken des § 631 BGB sowie Grundgedanken des allgemeinen Schuldrechtes, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

 

Fazit

Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte, dass Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es Geschäftsbedingungen diktiert, die von denen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Das ist auch wettbewerbsrechtlich vor deutschen Zivilgerichten angreifbar. Ein paar Urteile, die einzelne Klauseln für unzulässig erklären, in denen sich missbräuchliches Marktverhalten manifestiert, würden eine Kartellbeschwerde sicher stützen. Es würde auch einem freieren Internet dienen, wenn jeder Blogger, jede Onlinezeitung und jeder Content-Anbieter mehr Geld im Internet verdienen könnte.

 

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