#Enquete-Kommission

Einstimmig? Die Internet-Enquête ist eingerichtet

von , 4.3.10

Heute hat der Bundestag über den Einrichtungsantrag der Enquête-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” abgestimmt – die gute Nachricht ist, dass er einstimmig angenommen wurde. Die schlechte, dass sich bei der Abstimmung vielleicht hundert Abgeordnete im Plenarsaal befanden (mal sehen, was das Protokoll dazu sagt).

Natürlich kann man sagen, dass die Einrichtung eine beschlossene Sache gewesen ist – der bisweilen geringe Stellenwert der Plenaraktivitäten ist ja hinlänglich bekannt. Trotzdem: Die Diskrepanz zwischen parlamentarischem Interesse und den Bemühungen der Redner, das Internet als monumentales gesellschaftliches Thema darzustellen, gibt zu denken. So wichtig, wie die Vertreter der Fraktionen das Thema heute reden wollten, ist es im parlamentarischen Alltag dann eben doch nicht.

Das zeigt auch ein kurzer Blick auf die Rednerliste: die MdBs Koeppen (CDU/CSU), Özoguz (SPD), Brandl (CDU/CSU), Wanderwitz (CDU/CSU), Schulz (FDP) oder Behrens (Linke) standen bisher nicht unbedingt in den ersten Reihen der Diskussion um netzpolitische Themen und auch die designierten Enquête-Mitglieder von Notz (Die Grünen) oder Klingbeil (SPD) sind eher neu im virtuellen Politikfeld „Netzpolitik“. Das gilt auch für den kommenden Enquête-Vorsitzenden Fischer (CDU/CSU) – erhellend dazu ist auch der kleine Beitrag drüben bei Homo Politicus über die Online-Präsenzen einiger Enquête-Mitglieder.

Grundsätzlich ist ja nichts einzuwenden gegen die Nutzung dieses Instruments zur „Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe“ – so ist die Rolle der Enquête-Kommissionen in §56 der Geschäfts­ordnung des Deutschen Bundestages umschrieben.

Gefragt werden muss allerdings, wie sie diesem Auftrag zwischen Politik und Wissenschaft als Allparteien-Gremium nachkommen kann – es passt ins Bild, dass unter www.open-enquete.de die drei FDP-Mitglieder schon eine erste „Dialog-Website“ eingerichtet haben. Mal sehen, ob die anderen Fraktionen hier gerne mitreden möchten.

Ein solches Vorgehen ist symptomatisch – denn gerade weil die verschiedenen Teilthemen, die das virtuelle Politikfeld „Digitale Bürgerrechte“ konstituieren, über viele Baustellen im politischen System verteilt sind, wird es die Enquête-Kommission als neuer „Vernetzungsakteur“ schwer haben. Das Wirtschaftsministerium erklärt mit Unterstützung der Kanzlerin das Internet zum Jobmotor, im Innenministerium denkt man schon lange über staatliche Kontroll­tätigkeiten nach, die Justizministerin will Entscheidungen der Vorgängerregierung korrigieren, die Ministerin für Ver­braucherschutz die Macht der Internet-Konzerne einschränken – wie soll sich die vergleichs­weise kleine Enquête-Kommission gegen die entscheidungs­politischen Schwergewichte behaupten?

Und dennoch birgt die Einrichtung des Gremiums auch Chancen – schließlich ist dies einer der wenigen Lernorte im Parlament, und wenn sich Abgeordnete und Experten auf das ein oder andere Experiment einlassen, scheint ein Wissenstransfer mehr als nur wahrscheinlich. Doch von einer fraktionsgebundenen „Dialog-Seite“ bis zum ersten „EnquêteCamp“ in den Räumen des Bundestages ist es noch ein weiter Weg…

Christoph Bieber bloggt bei Internet und Politik. Crosspost mit freundlicher Genehmigung.

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