von Daniel Leisegang, 21.2.17
Eigentlich wollte Donald Trump am vergangenen Donnerstag nur seinen designierten Arbeitsminister, Alexander Acosta, der Öffentlichkeit vorstellen. Doch die eigens dafür anberaumte Pressekonferenz geriet zu einer überaus bizarren Veranstaltung, auf der Trump einmal mehr die Medien aufs Heftigste attackierte.
Diese seien geradezu „außer Kontrolle“, schnaubte der Präsident, statt von Fake News spreche er fortan lieber von „very fake news“. Einen Tag später legte Trump noch einen drauf: „Fake news media“ sind nicht „mein Feind“, twitterte er, „sie sind der Feind des amerikanischen Volkes“. Namentlich nannte er die „New York Times“ sowie die Sender NBC News, ABC, CBS und CNN.
Mit seinen Tiraden geht es Trump um weit mehr, als nur vom missglückten Start seiner Regierung abzulenken. Langfristig will er vor allem die radikale Agenda des Oval Office durchsetzen. Aus diesem Grund versucht der Präsident der vierten Gewalt, die er fortwährend als unseriös schmäht, die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs zu entreißen. Die Lügen des Weißen Hauses verkauft das Oval Office hingegen als „alternative Fakten“.
»You are fake news!«
Dass Trump ausgerechnet gegen die Medien zu Felde zieht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schließlich boten sie seinen Wahlkampfinszenierungen eine breite Bühne. Hinzu kommt, dass der Begriff „Fake News“ noch vor wenigen Wochen für die Verbreitung falscher Nachrichten in sozialen Netzwerken stand. Es waren dabei nicht zuletzt Trump und seine Anhänger, die gezielt Lügengeschichten verbreiteten – etwa, dass Papst Franziskus die Kandidatur Trumps unterstütze oder Hillary Clinton Waffen an den Islamischen Staat verkaufe.
Direkt nach seinem Wahlsieg begann Trump jedoch damit, „Fake News“ als Kampfbegriff gegen die Medien einzusetzen. So verweigerte der president elect auf seiner ersten „News Conference“ – wohlgemerkt: nicht „Press Conference“ – dem CNN-Korrespondenten Jim Acosta demonstrativ eine Nachfrage, weil dessen Medienhaus „Fake News“ sei. Kurz zuvor hatte CNN über ein Trump-Dossier des russischen Geheimdienstes berichtet, das kompromittierende Inhalte enthalten soll.
Nur einen Tag nach seiner Vereidigung ging Trump erneut massiv in die Offensive: Die Medien hätten die Zuschauerzahlen bei den Feierlichkeiten zu seiner Amtseinführung absichtlich als zu niedrig dargestellt, kritisierte er. Und obwohl Pressefotos eindeutig das Gegenteil belegen, stellte Trumps Sprecher, Sean Spicer, klar, dass zur Inauguration das größte Publikum zusammengekommen sei, das je einer Amtseinführung beigewohnt habe – „Punkt.“. Spicer drohte, das Weiße Haus werde die Medien „zur Rechenschaft ziehen“, sollten diese ihre Berichterstattung nicht ändern.
Alternative Fakten: Das Ende der Wahrheit
Die Starrköpfigkeit des Weißen Hauses lässt sich kaum allein mit Trumps Eitelkeit erklären. Zumal das Oval Office im Streit um die Besucherzahlen einen weiteren, neuen Kampfbegriff prägte: „Alternative Fakten“.
Mit dieser wahrhaft Orwellschen Formel schließt sich denn auch der Kreis: Während die Regierung die Berichterstattung der Medien als „Fake News“ bezeichnet, präsentiert sie ihre eigenen, von den Medien widerlegten Lügen dreist als „alternative Fakten“ – als weitere, ebenso gültige Wahrheit.
Offenbar also will das Weiße Haus Tatsachenwahrheiten fortan wie Meinungen behandeln, von denen es mehr als eine geben darf. Ein derart volatiles Verhältnis zur Wahrheit ist in einer Demokratie brandgefährlich, bildet diese doch überhaupt erst die Voraussetzung für den öffentlichen Diskurs. Die Philosophin Hannah Arendt schrieb einst:
„Tatsachen sind der Gegenstand von Meinungen, und Meinungen können sehr verschiedenen Interessen und Leidenschaften entstammen, weit voneinander abweichen und doch alle noch legitim sein, solange sie die Integrität der Tatbestände, auf die sie sich beziehen, respektieren.“ (Wahrheit und Politik, 1964)
Das gemeinsam geteilte Tatsachenfundament erlaubt demnach erst verhandelbare, letztlich aber zu akzeptierende Überzeugungen. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch: Bricht der Bezug auf das geteilte Tatsachenfundament weg, geht damit auch der common ground politischer Öffentlichkeit verloren. Abweichende Meinungen gelten dann nicht mehr als zulässig, da sie für die jeweilige Gegenseite auf Unwahrheit fußen. Ein vernünftiges Gespräch ist damit ausgeschlossen – ebenso wie ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben.
Wie tief die amerikanischen Öffentlichkeit bereits gespalten ist, zeigte sich nach der jüngsten Pressekonferenz Trumps allzu deutlich: Derweil CNN, die „Washington Post“ und die „New York Times“ den surrealen Charakter der Veranstaltung unterstreichen (und mitunter die psychische Gesundheit Trumps in Frage stellen), feiern rechte Portale „eine der effektivsten Pressekonferenzen“, auf der Trump „Feuer gespeit“ und über die Presse triumphiert habe.
Das Ausschalten der Vierten Gewalt
Die destruktive Öffentlichkeitspolitik des Weißen Hauses verfolgt bei alledem einen höheren Zweck – nämlich die radikale „Erneuerung“ des politischen Systems. Deren geistiger Vater ist Trumps Chefberater Steve Bannon. In einem Interview gab sich der ehemaliger Chefredakteur des rechtsradikalen Webportals „Breitbart“ vor einigen Jahren als „Leninist“ zu erkennen – in dem Sinne, dass auch Lenin „den Staat zerstören wollte, und dieses Ziel verfolge ich ebenfalls. Ich will alles zum Einsturz bringen, und das Establishment vollständig zerstören.“ Die politische Apokalypse soll Politiker, Banker, Lobbyisten und Journalisten – kurz: die gesamte alte Ordnung – gleichermaßen hinwegfegen und Washington die langersehnte Erlösung bringen.
Die meisten politischen Gewalten – das Weiße Haus, der Kongress und der Senat sowie das Verfassungsgericht – befinden sich derzeit fest in der Hand der Republikaner. Damit stehen den revolutionären Plänen Bannons vor allem die Medien als vierte Gewalt im Wege. Ihre publizistische Kontrollfunktion will das Oval Office nun offenkundig soweit schwächen, dass neben sie – oder sogar an ihre Stelle – eine „alternative Öffentlichkeit“ treten kann, in der Fox News, Breitbart und Infowars den Ton angeben. Dann könnte Trump tatsächlich, so wie er es sich wünscht, weitgehend ungefiltert „straight to the people“ sprechen.
Um dies zu erreichen, plant das Weiße Haus unter anderem, Hauptstadtjournalisten den direkten Zugang zum Weißen Haus erheblich zu erschweren. Derlei Erwägungen stehen symbolisch für eine grundlegend andere Informationspolitik des Weißen Hauses, als sie Trumps Vorgänger pflegten: Nicht die Medien sollen das Weiße Haus kontrollieren, sondern umgekehrt – das Weiße Haus kontrolliert und drangsaliert die Medien.
Die Wachhunde sind los
Doch noch erwehrt sich die vierte Gewalt den Attacken – zumal Trumps Krieg den Medien auch Chancen bietet: So verzeichnen insbesondere die von Trump verunglimpften Zeitungen steigende Abozahlen. Sie haben ihre Ressourcen massiv aufgestockt, um mehr „Berichte über die Trump-Regierung“ recherchieren und veröffentlichen zu können.
Erste Erfolge kann der amerikanische „Watchdog Journalism“ bereits vermelden: Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn musste vor gut einer Woche aufgrund von Berichten der „Washington Post“ zurücktreten. Es ist davon auszugehen, dass die journalistischen Wachhunde bereits weitere Fährten verfolgen – die sie hoffentlich ebenfalls direkt ins Oval Office führen.
Fest steht bei alledem aber auch schon jetzt: Selbst wenn die Medien eines Tages sogar Trump selbst zu Fall bringen, ist der Kampf gegen „alternative Wahrheiten“ damit noch lange nicht gewonnen. Dazu braucht es einen noch weitaus längeren Atem.
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