#Investigativer Journalismus

Die Wahrheit über den Spitzensteuersatz

von , 1.3.09


Immer, wenn die SPD ganz schlecht drauf ist und wieder in die Schlagzeilen kommen möchte, fordert einer ihrer Granden eine höhere Besteuerung der Reichen.

Natürlich wissen alle (inklusive Franz Müntefering), dass diese Forderung von niemandem ernst genommen werden muss. Trotzdem wird sie pflichtgemäß berichtet.

Ich will deshalb im Zuge der unterstützenswerten Initiative „Mehr Aufmerksamkeit für alle zu Unrecht vergessenen Nachrichten“ (MAU e.V.) an den Steuerskandal erinnern, der vor einem Jahr die Bundesbürger erschütterteEs ist nämlich außergewöhnlich ruhig geworden um diesen größten Steuerskandal der Republik (der sich gegenüber der IV. Weltwirtschaftskrise allerdings ziemlich winzig ausnimmt).

Erinnern wir uns trotzdem: Vor einem Jahr berichteten die Staatsanwaltschaften in einer Zwischenbilanz des Skandals von bislang 150 Durchsuchungen. 91 Betroffene hatten bereits Geständnisse abgelegt. 28 Millionen Euro waren sofort an den Fiskus überwiesen worden. Eine ähnliche Summe wurde von den Finanzämtern noch erwartet.

Erinnern wir uns weiter: 3,4 Milliarden Euro waren schwarz in Liechtenstein gebunkert worden. Gegen 900 Betroffene lagen Durchsuchungsbeschlüsse vor.

Nehmen wir also kurz den Taschenrechner zur Hand.

Ein Vermögen von 3,4 Milliarden Euro erwirtschaftete bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 5 Prozent in zehn Jahren (Verjährungsfrist beachten!) gut 1,7 Milliarden Euro Zinsen. Läge der persönliche Steuersatz der Anleger bei 45 Prozent, so ergäbe das eine Nachzahlung von 765 Millionen Euro Kapitalertragsteuer.

Tatsächlich überwiesen wurden 28 Millionen Euro, erwartet wurden weitere 28 Millionen (das macht zusammen 7,2 % von 765 Millionen Euro Gesamtnachzahlung). Durchsucht wurden bis zu diesem Zeitpunkt aber bereits 16,7 Prozent aller Verdächtigen (nämlich 150 von 900).

Wenn 16,7 Prozent der Verdächtigen 7,2 Prozent der hinterzogenen Steuern nachgezahlt haben, dann bedeutet das nach Adam Riese, dass der tatsächliche persönliche Spitzensteuersatz der deutschen Millionäre bei ungefähr 20 Prozent liegt.* Das ist weniger als der tatsächliche durchschnittliche Steuersatz eines Normalverdieners. Aber auch das ist den deutschen Millionären noch zu viel.**

*Theoretisch wäre natürlich auch diese Erklärung möglich: Man hat erst mal die kleinen Fische gefangen, um den großen Zeit zum Überlegen zu geben.

**Eine etwas kompliziertere Begründung für die Hinterziehung wäre diese: Hätten die Reichen ihr Geld damals ordnungsgemäß in Deutschland versteuert, würde der Staat jetzt mit der von ihnen gezahlten Kapitalertragsteuer genau jene Banken retten, deren Manager die Rettungsgelder dazu benutzen, ihre Boni-Zahlungen zu sichern, die sie anschließend in Liechtenstein vor der Steuer verstecken… Und wenn das Geld von der Steuerfahndung dort wieder entdeckt würde, könnten sie glaubhaft versichern, dass das Geld, das sie dem Staat zurückzahlen müssten, ja sowieso wieder in ihren Taschen landen würde. Also wozu die Aufregung?

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